Die britische Schwesterorganisation der SAV, die Socialist Party, legt seit Jahren schon einen Schwerpunkt auf die betriebliche und gewerkschaftliche Arbeit, ergriff die Initiative zur Gründung des „National Shopstewards´ Network“ (dt.: „Landesweites Vertrauensleute- und Betriebsräte-Netzwerk“) und war mit ihren Mitgliedern natürlich bei der Mahnwache vor der Jahreshauptversammlung des brit. Gewerkschaftsdachverbands TUC beteiligt, die die Forderung nach einem Generalstreik vorbrachte.
Mittlerweile gibt es in Großbritannien einige Gewerkschaften, die – trotz der harschen gewerkschaftsfeindlichen Gesetze – ihren Dachverband TUC zu radikalerem Handeln bringen wollen. Eine davon ist die Gewerkschaft der Staatsbediensteten, die PCS. Ihr Vizepräsident John McInally schrieb zum Jahresanfang einen Artikel in der Zeitung der „Socialist Party“, in dem auf Strategie und Taktik eingegangen wird. Er wurde am 15. Januar auf der Homepage der Socialist Party veröffentlicht.
von John McInally, Vizepräsident der „Public and Commercial Services Union“ (PCS; brit. Gewerkschaft der Staatsbediensteten)
Die Kürzungs- und Austeritätsprogramme der britischen Koalitionsregierung erweisen sich für alle außer für die Konzerne und die Bankvorstände mehr und mehr als riesiges Desaster.
Die Strategen der konservativen Tories gehen mittlerweile davon aus, dass sie nicht über diese eine Amtszeit hinauskommen werden. Und das ist auch ein Grund für ihre Politik der verbrannten Erde.
Sie wissen, dass – wenn die sozialdemokratische „Labour Party“ gewählt wird, diese schon dafür sorgen wird, dass alles beim alten bleiben und die bisherige Kürzungs- und Austeritätspolitik fortgesetzt werden wird.
Erneut befindet sich der öffentliche Dienst in der Schusslinie. In einem unfreiwillig an die Öffentlichkeit gelangten Brief aus dem Präsidialamt heißt es: „Wenn die Reformen umgesetzt worden sind, dann wird der öffentliche Dienst in Zukunft kleiner, schmaler, vereinheitlichter, digitaler und verantwortungsvoller bei der Verteilung der Leistungen sein, fähiger, besser organisiert sein und schlussendlich mehr Freude an der Arbeit bringen“.
Die wahre Absicht kann dieses Personalabteilungs-Geschwafel allerdings nicht vertuschen: Es geht darum, sich die Rosinen heraus zu picken und zu gucken, welche Dienstleistungen auf der Suche nach Profit ausgequetscht werden können, um den Rest dann hinten über fallen zu lassen.
Den Ministern zufolge wird einfach alles auf den Prüfstand kommen und zum Abschuss freigegeben. Dazu gehören auch der Jahres- und der flexible Urlaub, das Krankengeld, die Mobilität, Probezeiten und Bewährungsaufstiege, Disziplinar- und Beschwerdeverfahren sowie Reisekosten- und Spesenabrechnungen und die Möglichkeit der gewerkschaftlichen Organisierung.
Minister wie beispielsweise der Multimillionär Francis Maude, erkennen, dass das standhafte Auftreten der PCS in ihrer Kampagne „No Cuts No Privatisation“ (dt.: „Keine Kürzungen, keine Privatisierungen“) ein Musterbeispiel für organisierten Widerstand gegen die Kürzungspolitik der Regierung ist.
Die PCS hat nie akzeptiert, dass die Austerität und die Kürzungen „notwendig“ sein sollen. Sie führt eine Kampagne für einen alternativen Ansatz, der auf Steuergerechtigkeit basiert, einem Investitionsprogramm und Programmen zur Schaffung von Arbeitsplätzen. Das wird als Verleugnung des Haushaltsdefizits verhöhnt, womit nur der Wahnsinn der Märkte offenbar wird.
Deshalb wird die PCS, die eine linke Führung hat, von der Regierung als Staatsfeind Nummer eins betrachtet.
Angriff auf die Gewerkschaften
Die konservativen Tories liegen falsch, wenn sie meinen, die Beschneidung gewerkschaftlicher Strukturen unterhalb des bisher vorgeschriebenen Mindestmaßes führe dazu, dass GewerkschaftsaktivistInnen und -mitglieder tatenlos dabei zusehen, wie die Konservativen Arbeitsplätze, die Lebensstandards und die öffentliche Daseinsvorsorge zerstört. Diese Angriffe werden eine neue und entschlossenere Generation von GewerkschaftsaktivistInnen hervorbringen.
Diese Angriffe – zu denen auch die Attacken auf das Gesundheitssystem und andere Bereiche des öffentlichen Dienstes zählen – sind nur aufgrund der erbärmlichen Führungskrise sowohl in der Arbeiter- als auch in der Gewerkschaftsbewegung möglich.
Der ehemalige Generalsekretär des Gewerkschaftsbundes TUC, Brendan Barber, ist in den Ruhestand gegangen. Er kann nun seine ausgiebige Rente und die Abfindungen genießen, während den Millionen von Mitgliedern, die er einst dem Ausverkauf preisgegeben hat, die Rentenansprüche geraubt wurden.
Nachdem sie – nicht zuletzt durch die PCS – unter Druck geraten sind und sich gezwungen sahen, den großartigen, zwei Millionen TeilnehmerInnen starken Streik im öffentlichen Dienst am 30. November letzten Jahres „anzuführen“, versuchte Barber in einem offen abgekarteten Spiel zusammen mit dem konservativen Minister Francis Maude den Widerstand abzuwürgen. Er tat dies, indem er so tat, als würde er die sogenannten Kernpunkte des Abkommens mit der Regierung dem Ausverkauf preisgeben. Das war seine Maßnahme. Für Folge-Aktionen wollte er nicht mobilisieren.
Bei der Jahreskonferenz des TUC im September 2012 stimmten die Mitgliedsgewerkschaften für koordinierte Aktionen und dafür, auch die „Möglichkeiten“ für einen Aufruf zum Generalstreik zu diskutieren.
Barber hat – vielleicht auch mit der Hoffnung, in Zukunft noch in den Adelsstand erhoben zu werden – am Morgen dieser Debatte gegenüber den Medien gesagt, dass es nicht zum Generalstreik kommen werde.
Die PCS ist immer (zuletzt in Person ihrer Präsidentin Janice Godrich beim Generalrat des TUC, der vor Weihnachten stattfand) für die effektivste Form zur Abwehr der Kürzungsmaßnahmen der Regierung eingetreten. Das vorgeschlagene Mittel war stets die koordinierte Aktion.
Die PCS wird alles in ihrer Macht stehende tun, um das breitest mögliche Bündnis zusammen zu bringen, das die Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes wie auch des Privatsektors umfasst, um Widerstand gegen die Austeritäts- und Kürzungsprogramme zu leisten. Dazu passt auch, dass wir gerade erst alle anderen Gewerkschaften in diesem Sinne angeschrieben haben.
Was die Planung koordinierter betrieblicher Kämpfe angeht, sind wir durchaus flexibel. Wir können aber nicht weiter abwarten, während diese Attacken auf Löhne und Arbeitsbedingungen gefahren werden.
Die PCS wird nicht zurückstehen und der Regierung durchgehen lassen, die Rechte der Gewerkschaftsmitglieder zu beschneiden und ein weiteres Jahr der Kürzungen durch zu ziehen.
Einige unserer Mitglieder sind nun schon im vierten Jahr vom Einfrieren der Löhne betroffen. Die Jahreseinkommen sind im Schnitt um 1.200 brit. Pfund (~ 1.440,- Euro; Erg. d. Übers.) zurück gegangen.
Wenn wir nicht dagegen an gehen, dann wird die Regierung denken, sie könne das zum Ausgangspunkt für das kommende Jahrzehnt oder darüber hinaus machen. Dieser Punkt macht sehr deutlich, welche Möglichkeiten wir gleichzeitig für die Entwicklung koordinierter Aktionen im ganzen öffentlichen Dienst haben.
Die PCS würde lieber Verhandlungen führen, sie wird im Februar aber eine Umfrage unter ihren Mitgliedern über das weitere Vorgehen durchführen, wenn die Regierung auf unsere Gesprächsbereitschaft nicht eingeht.
Diese Mitgliederbefragung wird die Aspekte Arbeitsplätze, Renten, Privatisierungen und alle die Punkte umfassen, die auch in der letzten landesweiten Befragung Thema waren.
Wir werden die Befragung aber auch gezielt dazu nutzen, um auf die Anschlagsserie auf unsere Arbeitsbedingungen und Löhne einzugehen. Die Mitgliederbefragung würde in die Richtung gehen zu fragen, ob wiederkehrende Warnstreikaktionen und Aktionen gewünscht sind, die man schon als Streik bezeichnen könnte. Wenn die Tories meinen, dass die PCS lediglich „Protest-“Aktionen in Erwägung zieht, dann sollten sie lieber noch einmal nachdenken.
Sie sollten verstehen, dass wir jetzt damit anfangen schlagkräftigste Programme zu entwickeln, um Störmanöver durchzuführen, die es unter Staatsbediensteten so noch nicht gegeben hat.
Ein wesentlicher Teil der Antworten, die die PCS jetzt geben wird, wird aus fortgesetzten und aufeinander aufbauenden Maßnahmen bestehen, die in den einzelnen Statusgruppen stattfinden werden. Und diese Aktionen werden von unserer Gewerkschaft auf Landesebene miteinander koordiniert.
Wir waren schon im Stande, weitreichende Zugeständnisse zu erreichen. Dazu zählt etwa die erhöhte Stellenbesetzung, die wir durchsetzen konnten. PCS-Mitglieder, die im Innenministerium, den Straßenverkehrsämtern und beim HMRC (Finanz- und Zollämter; Anm. d. Übers.) arbeiten, habe allesamt Zugeständnisse der Arbeitgeberseite durchsetzen können.
Auch die PCS-Mitglieder beim DWP (ministerielle Dienststelle für Soziales und Renten; Anm. d. Übers.) sind in Aktion getreten und können aufgrund des Arbeitskampfs in den Beratungszentren sowie der lang anhaltenden Auseinandersetzung in der Region Merseyside (um Liverpool; Erg. d. Übers.) bedeutende Erfolge vorweisen.
Die Beschäftigten beim DWP haben mit Zweidrittel-Mehrheit dagegen gestimmt, das betriebsbedingte Kündigungen akzeptiert werden.
So werden sich die Mitglieder anderer Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes, die ebenfalls von Angriffen bedroht sind, wundern, warum ihre Gewerkschaftsführungen keine Aktionen organisieren.
Die Mitgliedsgewerkschaften des Dachverbands TUC sind vor kurzem dazu aufgefordert worden, ihre Haltung zur Frage formulieren, wie sie die „Zweckmäßigkeit“ eines Generalstreiks einstufen. Grundlage dafür war ein Antrag zur TUC-Jahreskonferenz, den POA, die Gewerkschaft der Justizbediensteten, eingebracht hat und der angenommen wurde. Die Reaktionen darauf von einigen bestimmten Gewerkschafts-„FührerInnen“ sind dabei sicherlich leicht voraussagbar. Sie würden allein schon deshalb nie und nimmer einen Generalstreik unterstützen, weil sie das Ed Miliband (Vorsitzender der sozialdemokratischen „Labour Party“; Anm. d. Übers.) und Ed Balls (Schattenfinanzminister der „Labour Party“) ja nicht erklären könnten!
Jede Mitgliedsgewerkschaft des TUC steht momentan in Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Arbeitgeber oder hat mit potentiellen Konflikten zu tun. Dabei geht es immer um sichere Arbeitsplätze, die Entlohnung oder andere Probleme wie z.B. Privatisierung. Was wir brauchen, ist, dass der TUC diese Gewerkschaften zusammenruft und endlich ein Datum benennt.
Was die TUC-Führung bei ihrem nächsten Treffen auch immer entscheidet – die Generalstreiksforderung wird damit nicht verschwinden.
Die gewissenhaftesten GewerkschaftsaktivistInnen und -mitglieder wissen jetzt, dass ein 24-stündiger Generalstreik der effektivste Weg wäre, um auf diese Regierung einwirken zu können.
GewerkschaftsführerInnen, die es ernst meinen mit der Organisierung von Aktionen in einer „Koalition der Willigen“, sollten über die Möglichkeit sprechen, ihre Mitgliederbefragungen miteinander zu koordinieren. Im Falle des Renten-Streiks, der am 30. November letzten Jahres stattfand, war das schließlich auch schon möglich.
Die Angriffe von oben nehmen zu. Aber auch der Widerstand gegen Austerität und Kürzungen nimmt zu. Die erbärmliche und feige Rolle, die rechtslastige GewerkschaftsführerInnen spielen, wird aufs Schärfste zur Geltung kommen.
Der Kampf der PCS, Kampagnen in Richtung der TUC-Führung zu führen und dabei gemeinsam mit ihren aus den Kämpfen der letzten Zeit gestärkt hervorgegangenen Mitgliedern vorzugehen, wird dazu führen, dass die Angriffe der Regierung der mehr einfach so hingenommen werden. Die Kampagne-Arbeit und die damit einhergehenden Aktionen führen zu Ergebnissen.