Dieser Kommentar erschien zuerst in der Tageszeitung junge Welt am 21. März 2013.
Heute Abstimmung der Belegschaft zur eigenen Beerdigung
IG-Metall-Chef Berthold Huber ist genervt. „Ich bin mit Opel und GM gestraft ohne Ende“, jammerte er diese Woche beim Internationalen Club Frankfurter Wirtschaftsjournalisten. Vordergründig ist es die nicht enden wollende „Restrukturierung“ des traditionsreichen Autobauers, die ihm zu schaffen macht: Seit Jahren verordnet General Motors (GM) seiner deutschen Tochter eine Welle von Personalabbau und Lohnkürzungen nach der anderen. Doch vermutlich geht dem IG-Metall-Boss noch etwas anderes auf die Nerven: Die renitente Opel-Belegschaft aus Bochum. Immer wieder hat sie die Verzichtsstrategie der Gewerkschaftsspitze und des Gesamtbetriebsrats in der Vergangenheit durch eigenständige Aktionen konterkariert. Und es ist durchaus möglich, dass sie den Herren in Rüsselsheim und Frankfurt am Main auch heute wieder in die Suppe spuckt, indem sie den von der IG Metall ausgehandelten Tarifvertrag ablehnt.
von Karl Neumann
Das wäre allemal gerechtfertigt. Denn aus Sicht der Bochumer Beschäftigten enthält die Vereinbarung nichts, wofür sich der Verzicht auf Tariferhöhungen lohnen würde. Im Gegenteil: Sie sollen das Ende der Fahrzeugproduktion ebenso akzeptieren wie die Möglichkeit betriebsbedingter Kündigungen. Damit würden sie die eigene Beerdigung bezahlen. Es ist gut, dass die Bochumer Betriebsratsführung –die in der Vergangenheit des öfteren versucht hat, den Standort mit Hilfe von Zugeständnissen zu retten – das konsequent ablehnt. Sie weiß sich dabei mit den linken Gruppierungen und Fraktionen im Werk einig.
Die Ablehnung des Vertrags wäre ein deutliches Zeichen, dass die Bochumer Belegschaft eine Abwicklung der traditionsreichen Fabrik nicht kampflos hinnehmen will. Ein negatives Votum allein würde das allerdings nicht verhindern. Denn für die Standorte Rüsselsheim und Kaiserslautern hat die IG Metall den Kontrakt bereits unterzeichnet. Auch in Eisenach wird Anfang kommender Woche ein positives Abstimmungsergebnis erwartet, da dem Werk die Produktion von zwei Fahrzeugmodellen zugesagt wird.
Das Vorgehen der IG-Metall-Spitze ist ein Skandal und in der Tat „Spaltung pur“, wie Bochums Betriebsratsvorsitzender Rainer Einenkel kürzlich im jW-Interview formulierte. Denn lehnt sie die Vereinbarung ab, steht die Belegschaft des Ruhrgebietswerks allein da. Die wiederholten Aussagen der Gesamtbetriebsratsspitze, auf dem Erhalt aller Werke und dem Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen zu bestehen, haben sich als folgenloses Lippenbekenntnis entlarvt.
Dennoch: Unter den Beschäftigten in Rüsselsheim, Eisenach und Kaiserslautern gibt es sicher viele, die sich ihren Bochumer Kollegen solidarisch verbunden fühlen. So mancher dürfte auch ahnen, dass er sich auf die Zusagen der Opel-Spitze nicht verlassen kann. Es gibt daher eine gewisse Hoffnung, dass Solidaritätsappelle nicht ganz ungehört bleiben werden, wenn die Bochumer Belegschaft in Aktion tritt. Das müsste sie allerdings bald tun.
Ein Hintergrundartikel zum Thema findet sich hier.