Interview mit Athina Kariati von dern „Neuen Internationalistischen Linken“ (Schwesterorganisation der SAV in Zypern) vom 19. März 2013
Vorbemerkung: Dieses Interview wurde vor der Parlamentssitzung in Zypern geführt, in der der ursprüngliche „Rettungsplan“ der EU nicht eine Stimme erhalten hat. Weitere Artikel zum Thema erscheinen in den nächsten Tagen auf sozialismus.info.
Wer ist für die momentane Finanzkrise verantwortlich?
Die europäische Finanzkrise spitzt sich in Zypern jetzt am dramatischsten zu. Verantwortlich für diese Krise ist die kapitalistische Klasse.
Zypern stand im Vergleich zu anderen EU-Staaten wirtschaftlich relativ gut da. Aber in den letzten 18 Monaten hat die Krise im Bankensektor dazu geführt, dass das Land nun vor der Pleite steht.
Das Hauptproblem besteht darin, dass die zyprischen Banken in griechische Staatsanleihen investiert haben, um schnellen Profit zu machen. Aber wegen des „haircut“ (teilweise Schuldenabschreibungen), den die BesitzerInnen griechischer Anleihen hinnehmen mussten, führte dies zu einem massiven Liquiditätsproblem und die kleine Volkswirtschaft Zyperns war nicht in der Lage, für eine Rekapitalisieurng der Banken zu sorgen.
Es ist klar, dass die Krise durch die Banken und nicht etwa durch die Beschäftigten im öffentlichen Dienst oder die Bevölkerung insgesamt herbeigeführt wurde.
Als Teil der sogenannten EU- Bankenrettung versucht die Regierung Zyperns unter der Führung des Präsidenten Nikos Anastasiadis die SparerInnen für die Bankenschulden haftbar zu machen. Wie reagieren die Menschen auf diese neue Abgabe?
Die Antwort folgte auf dem Fuße. Zwar ist es in den letzten Jahren nicht zu besonders vielen Demonstrationen gekommen, allerdings fanden gestern (Montag, 18. März) wegen der von der EU geforderten Gebühreneinführung für KleinanlegerInnen zur Bankenrettung gleich zwei Demonstrationen statt. Dabei fanden sich gut 1.000 Menschen vor dem Parlamentsgebäude zusammen, um sich gegen diesen EU-„haircut“ zu wenden.
Die Leute sind sehr wütend und frustriert. Es ist zu Fällen gekommen, in denen Bauern mit ihrem Traktor in die Bank gefahren sind und ihr Geld eingefordert haben! Es bildeten sich lange Schlangen vor den Banken, die geschlossen sind.
Heute wird es eine weitere Massendemonstration vor dem Parlamentsgebäude geben und es wird vermehrt der Ruf nach einem Ende der Beziehungen zwischen Regierung und der Troika [bestehend aus Europäischer Zentralbank, EU und Internationalem Währungsfonds] laut. Außerdem wollen immer mehr Leute, dass die Regierung nicht mehr den Diktaten dieser Troika folgt. Die Menschen hier haben zurecht die Befürchtung, dass ihnen – wenn sie heute einen „haircut“ hinnehmen, morgen keiner sagen kann, ob die Troika nicht weitere „haircuts“ verlangt?
Was wird deiner Meinung nach nun am ehesten geschehen?
Das ist eine sehr schwierige Frage! Die Regierung hat bereits verstanden, dass das von ihnen mit den EU-VertreterInnen ausgeklügelte Abkommen nicht ohne Weiteres umgesetzt werden kann. Alle Parteien der herrschenden Klasse sind in sich gespalten. Vom Standpunkt der Arbeiterklasse aus muss man allerdings sagen, dass ganz klar ist, dass die Regierung irgendeine Form von Gesetzesänderung umzusetzen versuchen wird, mit der die Maßnahmen weniger schlimm erscheinen. Wir können diesen kapitalistischen PolitikerInnen aber nicht trauen. Sie werden nicht im Interesse der kleinen SparerInnen handeln.
Es kommt allerdings noch hinzu, dass es – selbst wenn eine Gesetzesänderung im Parlament noch eine Mehrheit finden sollte, in nur drei Monaten wieder von vorne losgehen wird, weil dann die EU die Banken nicht mehr finanzieren wird. Von daher wird die Forderung der EU lauten, dass unsere Lebensstandards alle drei Monate erneut Kürzungen erfahren sollen.
Darüber hinaus besteht noch das Problem mit dem russischen Kapitaleinlagen bei zyprischen Banken. Das heißt, dass – selbst wenn die Regierung sich mit der EU über die Bedingungen der Bankenrettung einig wird, die Banken selbst weiterhin vor dem Zusammenbruch stehen, weil die russischen Oligarchen ihre Kapitalstöcke aus Zypern abziehen werden.
Was schlägt die Neue Internationalistische Linke in Zypern vor, um die Krise zu beenden?
Die Forderungen von Troika und Regierung, die Menschen aus der Arbeiterklasse für diese Krise zur Kasse zu bitten, lehnen wir komplett ab.
Weil die Krise sich ganz eindeutig auf den Bankensektor konzentriert, fordern wir die Verstaatlichung des Bankensystems unter der demokratischen Kontrolle der Beschäftigten und ArbeiterInnen. Wir sagen: Schuldenzahlungen ablehnen. Und damit sind sowohl die bestehenden Staatsschulden gemeint als auch die neuen in Höhe von 17 Milliarden Euro, die sie von den Zypriotinnen und Zyprioten zurück verlangen.
Wir sagen auch, dass die Industriezweige verstaatlicht werden müssen, die aufgrund der Wirtschaftskrise ins Straucheln geraten. Damit wir das Geld zur Finanzierung der öffentlichen Dienstleistungen haben, muss die Steuerhinterziehung beendet werden.
Um diese Maßnahmen umsetzen zu können, ist der Aufbau einer starken sozialistischen Opposition und einer neuen linken Regierung nötig, die (im Gegensatz zur letzten links-angehauchten Regierung) nicht versucht, das krisengeschüttelte kapitalistische System nur „besser zu verwalten“.