Dieser Artikel erschien zuerst am 16. Mai in der Tageszeitung junge welt.
von Daniel Behruzi
Die diesjährige Tarifrunde für die rund 3,7 Millionen Beschäftigten der Metall- und Elektroindustrie hat ihr erwartet schnelles Ende gefunden. Am Dienstagabend einigten sich beide Seiten auf einen Pilotabschluß in Bayern. Noch in der Nacht empfahl der IG-Metall-Vorstand die Übernahme des Ergebnisses in den anderen Bezirken. Bereits mit ihrer gemäßigten Forderung von 5,5 Prozent in zwölf Monaten hatte die Gewerkschaft klargemacht, daß sie es wieder einmal nicht auf einen größeren Konflikt ankommen lassen wollte.
Mit der zweistufigen Lohnerhöhung von insgesamt 5,6 Prozent in 20 Monaten würden die Beschäftigten „fair und angemessen an der wirtschaftlichen Entwicklung beteiligt“, erklärte IG-Metall-Chef Berthold Huber – der nun wohl in Rente gehen wird, ohne als Vorsitzender je einen Erzwingungsstreik geleitet zu haben. 2012 haben die Metallunternehmen eine Nettorendite von insgesamt 37,1 Milliarden Euro eingefahren. Angesichts dessen ist eine jahresbezogene Entgelterhöhung von deutlich unter vier Prozent – jedes Prozent schlägt laut IG Metall mit 1,6 Milliarden Euro zu Buche – wohl kaum als angemessen zu bezeichnen.
Hubers Behauptung, mit dem erzielten Lohnplus würden Preissteigerung und gesamtgesellschaftliche Produktivitätsentwicklung ausgeglichen, mag angesichts historisch niedriger Inflationsraten stimmen. Die seit Jahren anhaltende Umverteilung zugunsten der Gewinne ist damit aber nicht gestoppt. Zumal auch in der Metallbranche von den Tariferhöhungen wegen Prekarisierung und betrieblicher Kürzungsrunden immer weniger tatsächlich bei den Beschäftigten ankommt. Von einer Kehrtwende in der Lohnpolitik – die angesichts des Nachfrageeinbruchs in Europa insbesondere von keynesianisch orientierten Wissenschaftlern gefordert wird – kann jedenfalls keine Rede sein.
Die IG Metall habe mit dem Abschluß „Verläßlichkeit, Stabilität und Durchsetzungskraft“ bewiesen, so Huber. Verläßlich will er vor allem gegenüber den Konzernchefs sein, mit denen er sich im internationalen Konkurrenzkampf in einem Boot wähnt. Das ist auch der Grund für das Zurückhaltende Auftreten der Gewerkschaft im nun beendeten Tarifkonflikt: Die starke Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie soll keinesfalls verringert werden. Daß Deutschland seine Arbeitslosigkeit mit Hilfe hoher Produktivität und Flexibilität sowie geringer Lohnkosten exportiert, ist für Huber kein Problem, sondern ein Vorteil. Das hat er mit seinen unsäglichen Äußerungen gegenüber südeuropäischen Gewerkschaftern mehrfach deutlich gemacht.
Unter Huber ist die IG Metall ein gewaltiges Stück in Richtung IG BCE gerückt. In der Chemiegewerkschaft weiß man schon länger nicht mehr, wie Streik buchstabiert wird. Und auch die IG Metall beschränkt seit einem Jahrzehnt auf stundenweise Arbeitsniederlegungen im Rahmen von Warnstreiks. Die waren mit mehr als 750 000 Beteiligten zwar auch dieses Mal beeindruckend, die Erfahrung mit länger andauernden Arbeitskämpfen geht aber nach und nach verloren.