„Nieder mit CY Leung“ – aber was kommt danach und wie muss der Kampf für Demokratie weitergehen?
Von BerichterstatterInnen der „Socialist Action“ (UnterstützerInnen des CWI in Hong Kong)
In diesem Jahr ist es 16 Jahre her, dass die britische Kolonialherrschaft ihre Regentschaft über Hong Kong auf die „Kommunistische Partei Chinas“ (KPC) übertragen hat. Seit 2003, als 500.000 Menschen den 1. Juli für Demonstrationen nutzten, ist dieses Datum zum Protesttag der Massen geworden, um ihre Unzufriedenheit kund zu tun. In diesem Jahr ist der 10. Jahrestag der Demonstration von 2003. Trotz Taifun-Warnung und heftigen Regens bestanden die Massen in Hong Kong darauf, auf die Straße zu gehen. Die OrganisatorInnen der Demonstration, die „Bürgerrechts-Front“ („Civic Rights Front“), erklärte, dass sich mehr als 430.000 Menschen beteiligt hätten. Die Polizei spricht von lediglich 60.000 TeilnehmerInnen.
Die hohe Teilnehmerzahl ist ein Indiz für die Unzufriedenheit der Massen. Die regierungstreuen Kräfte hatten einen Haufen Geld in die Hand genommen, um – als Versuch, die Teilnehmerzahl an dieser Demonstration kleiner ausfallen zu lassen – Musikkonzerte und Sonderangebote in den Shopping-Malls anzubieten. Sie hatten damit allerdings keinen Erfolg. Dennoch zeigte die Zeitung „Global Times“ (das Organ der KPC, die die Teilnehmerzahl herunterspielte und als „moderne Tradition“ bezeichnete, die den Menschen die Möglichkeit gebe, sich lediglich zu versammeln) ihre wahre Position: Sie schwieg sich über die Forderungen der Massen nach demokratischen Rechten und sozialer Gerechtigkeit einfach aus. Die herrschende Elite und die Regierung des Obersten Verwaltungschefs von Hong Kong, CY Leung, lehnen einen Kurswechsel ab und werden so dazu beitragen, dass die Wut der Massen weiter zunimmt.
Das Motto der Demo, „Nieder mit CY Leung“, war überall in den Straßen zu hören. Letztes Jahr, als CY Leung ins Amt kam, zogen 400.000 Menschen durch die Stadt, um seinen Rücktritt zu fordern. Im vergangenen Jahr ist das Vertrauen in die Regierung auf den Nullpunkt gesunken. Grund dafür waren der massive Widerstand gegen die in der Bildungspolitik betriebene Gehirnwäsche, die Zunahme staatlicher Repression gegen AktivistInnen der Demokratiebewegung und der Bruch von Wahlversprechungen. Gerüchte, die vehement dementiert wurden, deuten darauf hin, dass die KPC einen „Plan B“ diskutieren könnte, um CY Leung auszutauschen, noch bevor seine Amtszeit vorüber ist, weil der Grad seiner Unbeliebtheit es ihnen noch schwieriger macht, die Massen in der Frage des allgemeinen Wahlrechts erneut hinters Licht zu führen. Mehrere Regierungsminister sind in Skandale verwickelt, und einige waren gar gezwungen, ihre Posten zu räumen. Der ehemalige Entwicklungsminister, Mak Chai Kwong, trat letztes Jahr, 12 Tage nach seiner Amtseinführung, zurück, weil er für schuldig befunden wurde, eine Woche vor dem 1. Juli in Betrügereien um Wohnungsgeschäfte verwickelt gewesen zu sein. Damit ist er der nun höchste Würdenträger der Regierung, dem kriminelle Machenschaften im Amt nachgewiesen werden konnten.
An der Demonstration haben die moderaten Demokraten wie z.B. die „Democratic Party“ und die „Civic Party“ teilgenommen, aber auch radikalere Kräfte wie die „League of Social Democrats“ und „People Power“. Auch das „Proletariat Political Institute“, eine Abspaltung von „People Power“, war vertreten. Kleinere Nicht-Regierungsorganisationen und politische Strukturen waren ebenfalls mit von der Partie. „Socialist Action“, die SAV-Schwesterorganisation in Hong Kong, hat in der Causeway Bay und in Wan Chai eine Straßenaktion gemacht. Dabei skandierten wir auch unsere Slogans: „Nieder mit CY Leung“, „Schluss mit den Auslagerungen“, „Konzerne in demokratisches öffentliches Eigentum!“ und „Besetzt das Zentrum, Streik in Schule und Fabrik!“.
Zentrale Kundgebung von „Occupy“ Hong Kong
Dieses Jahr wurde der Ort der Abschlusskundgebung der Demo ins Stadtzentrum verlegt. Damit sollte symbolhaft ausgedrückt werden, dass sich die „Besetzt das Zentrum für Demokratie“-Bewegung vorbereitet auf den Eventualfall. Die Idee von „Occupy Central“ für das kommende Jahr erfreut sich unter „einfachen“ Leuten und vor allem unter jungen Menschen großer Beliebtheit. Das zeigte sich allein schon an der hohen Summe von 800.000 Hong Kong-Dollar, die die „Occupy Central with Love and Peace“-Gruppe an Spenden sammeln konnte. Auch wenn es natürlich ein gutes Zeichen ist, dass die Leute immer entschlossener werden für Demokratie und gegen das derzeitige System kämpfen zu wollen, so zeigen die Führungsfiguren von „Occupy Central“ leider keine Bereitschaft oder guten Willen, in eine echte Auseinandersetzung zu gehen. In ihren Reden auf der Kundgebung betonten sie, dass „Liebe und Frieden“ nötig sind, statt Strategie und Taktik zu liefern, wie man gegen die Diktatur der KPC vorgehen kann.
Dieser Mangel an Realitätssinn kam bei der Kundgebung am 1. Juli noch stärker zur Geltung und enttäuschte große Teile der bewussteren Schichten unter den jungen Leuten. Einer Umfrage der Zeitung „Apple Daily“ zufolge behaupteten 60 Prozent der befragten DemonstrationsteilnehmerInnen, dass sie an „Occupy Central“ teilnehmen wollen. 70 Prozent davon würden einen Schülerstreik und Arbeitsniederlegungen von Beschäftigten befürworten, um für ein wirklich allgemeines Wahlrecht zu kämpfen. Die Bevölkerung – und hier vor allem die jungen Leute – scheinen wesentlich radikaler und entschlossener zu sein als die bürgerlichen Führungsfiguren der „Occupy Central“-Bewegung. „Socialist Action“ ist die einzige Organisation, die klar und deutlich eine Kampagne für Streikmaßnahmen führt. Wir erklären, dass im Kampf um demokratische Rechte entschiedene Methoden angewendet und kämpferische Forderungen aufgestellt werden müssen. Die Idee einer Besetzungsaktion sehen wir dabei als Aufhänger, der als Startschuss dienen sollte.
All dies zeigt, dass es ein großes politisches Vakuum gibt. Entschlossen kämpferische AktivistInnen – vor allem ArbeiterInnen und Leute aus den verarmten Schichten – sind bisher nicht gut genug organisiert, um sich in der Demokratie-Bewegung für eine Führungsriege einsetzen zu können, die ihrer Funktion auch gerecht wird. So kommt es, dass politisch schwache und unerfahrene, bürgerliche Einzelpersonen auf den Plan treten und kurzfristig Popularität erzielen können. Was fehlt ist eine linke Kraft, die auf der Grundlage, für die ArbeiterInnen und verarmten Schichten zu kämpfen, mit einem sozialistischen Programm ausgestattet für echte Demokratie und gegen das kapitalistische System kämpft.