Gewerkschaftsbund verlängert Tarifverträge für Leiharbeiter und unterläuft damit weiter den Grundsatz »Gleicher Lohn für gleiche Arbeit«
von Daniel Behruzi
Die Befürchtungen linker Gewerkschafter wurden bestätigt: In der Nacht zum Dienstag haben DGB-Vertreter einen neuen Tarifvertrag für die Leiharbeitsbranche ausgehandelt. Zwar sieht dieser einige Verbesserungen für die rund 800000 Beschäftigten der Branche vor. So werden unter anderem Streikbrecherarbeiten ausgeschlossen und die Mindestentgelte etwas angehoben. Den Unternehmern bleibt damit aber auf Jahre hinaus die Möglichkeit, reguläre Tarifverträge zu unterlaufen. Ohne eine Neuauflage des DGB-Vertrags wäre das laut Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) nicht mehr möglich gewesen.
»Von Anfang an war für die DGB-Tarifgemeinschaft klar, daß keinem Ergebnis zugestimmt wird, das nicht die 8,50 Euro als unterste Entgeltgruppe festschreibt«, erklärte Claus Matecki am Dienstag in Berlin. Unerwähnt ließ der Verhandlungsführer des Gewerkschaftsbundes allerdings, daß dieses Niveau in Ostdeutschland erst am 1. Juni 2016 erreicht wird. Zunächst werden die Mindestentgelte dort im kommenden Jahr auf 7,86 Euro und 2015 auf 8,20 Euro pro Stunde wachsen. Im Westen steigen sie von 8,50 Euro 2014 auf 9,00 Euro 2016. Die Diskriminierung der Ostdeutschen beim Leiharbeitsmindestlohn – den Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen für allgemeinverbindlich erklären will – bleibt damit auch ein Vierteljahrhundert nach der staatlichen Einigung erhalten.
Helga Schwitzer, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall, erklärte dennoch: »Mit dem ausgehandelten Tarifvertrag und insbesondere dem Mindestlohn von 8,50 Euro sichern und verbessern wir die Einkommenssituation für die Leiharbeitsbeschäftigten in Deutschland erheblich.« Zusammen mit den für die Metallindustrie und einige andere Branchen ausgehandelten Zuschlägen komme man »dem Ziel fairer Entlohnung einen deutlichen Schritt näher«.
Nicht näher gekommen ist die Gewerkschaft hingegen ihrem Grundsatz »gleicher Lohn für gleiche Arbeit«. Im Gegenteil: Die Schlechterstellung von Leiharbeitern gegenüber den Stammbeschäftigten wird mit dem DGB-Kontrakt zementiert. Dabei sieht das AÜG eigentlich gleiche Bezahlung (Equal Pay) vor – wenn dem kein Tarifvertrag entgegensteht. Da die Vereinbarungen der »christlichen Gewerkschaften« von den Gerichten längst für illegal erklärt wurden, ist es nun allein der DGB-Tarif, der Equal Pay verhindert.
Kritische Gewerkschaftsmitglieder und -funktionäre hatten sich in den vergangenen Monaten deshalb für einen Ausstieg aus dem Tarifvertrag stark gemacht. Hunderte appellierten an die DGB-Vorstände, die Vereinbarung ersatzlos auslaufen zu lassen. Womöglich dadurch ist die Vertragsunterzeichnung deutlich später zustande gekommen als ursprünglich geplant. Offenbar wollten die Gewerkschaftsspitzen nun aber noch vor der Bundestagswahl alles festlegen.
Auch wenn die DGB-Vorstände in ihren Stellungnahmen betonen, gesetzliche Regelungen gegen den Mißbrauch von Leiharbeit und Werkverträgen seien weiterhin nötig, ist das Signal klar: Lohndumping durch Leiharbeit bleibt möglich – wenn auch in gewissen Grenzen und unter Einbeziehung der »Sozialpartner«. Entsprechend kommentierte der stellvertretende Verhandlungsführer der Zeitarbeitsverbände, Holger Piening: »Ich freue mich, daß es gelungen ist, noch vor der Bundestagswahl ein tragfähiges Verhandlungsergebnis zu erzielen.