Zum hessischen Landesparteitag der LINKEN und den bisherigen Sondierungsgesprächen
Am 22. September wurde nicht nur im Bund, sondern auch in Hessen gewählt. Die Landtagswahl brachte uns wieder einmal „hessische Verhältnisse“ – weder Schwarz-Gelb noch Rot-Grün haben eine Regierungsmehrheit. Der hessischen LINKEN ist die Situation noch in guter Erinnerung, was man auch dem Landesparteitag zur Auswertung der Wahl anmerkte, der am 12. Oktober in Mörfelden-Wallorf stattfand.
von David Redelberger, Kassel, Delegierter zum Landesparteitag
Ungefähr 150 Delegierte waren zusammengekommen, unter ihnen auch einige SAV-Mitglieder aus dem Kreisverband Kassel-Stadt, um den Wahlausgang zu debattieren und natürlich das weitere Vorgehen zu beschließen.
Das interessanteste Ergebnis vorweg: Die Delegierten entschieden sich mit großer Mehrheit für einen Antrag der beiden Landesvorsitzenden, der sich für die Weiterführung von Sondierungsgesprächen aussprach. Dass dieser der Stimmung unter einer großen Mehrheit der Delegierten entsprach, zeigten die Fürstimmen mit einem Anteil von weit über 90 Prozent. Auch in den Debattenbeiträgen und in den Reden des Landesvorsitzenden sowie der Parteivorsitzenden spiegelte sich diese Haltung wider.
Nicht mal eine Handvoll an der Generaldebatte Teilnehmende stimmte kritische Töne an und wies auf die Gefahren einer linken Beteiligung an kapitalistischen Regierungen – auch aufgrund der gesammelten Erfahrungen der rot-roten Landesregierungen in der Vergangenheit – hin.
DIE LINKE Hessen als Wegbereiterin?
Es stimmt bedenklich, wenn die eindeutige Mehrheit des Landesparteitages eines der am weitesten links stehenden Landesverbände der Partei eine solche Offenheit für Tolerierungen und/oder Regierungsbeteiligungen mit SPD und Grünen signalisiert. Damit wird der parteiinternen Debatte um die strategische Ausrichtung der Partei ein Bärendienst erwiesen. Darüber hinaus würde es auch zu einer Schwächung des außerparlamentarischen Widerstands führen, wenn DIE LINKE auch in Hessen mit prokapitalistischen Parteien regieren sollte. Auch wenn an dieser Stelle oft (noch) taktisch und nicht inhaltlich argumentiert wird, begeben sich einige der weiter links stehenden Strömungen damit ebenfalls auf eine schiefe Bahn in Richtung Beteiligung an einer kapitalistischen Regierung, bei der es letztendlich kein Halten geben wird.
Rot-Rote Erfahrungen der Vergangenheit
Die Erfahrung zeigt: Alle rot-roten Landesregierungen haben dazu geführt, dass die Partei DIE LINKE entgegen ihrem eigenen Programm Sozialabbau und Kürzungen durchgeführt hat und von der SPD bloß benutzt wurde. Die Wahlen zur darauf folgenden Legislaturperiode endeten immer mit herben Verlusten für die Partei und führten zum Verlust der Sympathie für die Andersartigkeit der LINKEN in der Bevölkerung. DIE LINKE war in diesen Regierungen eine „normale“ Partei wie die anderen etablierten und hat versucht, den Kapitalismus (besser) zu verwalten, anstatt für seine Überwindung zu kämpfen.
Von Fall zu Fall entscheiden
Die SAV argumentiert in Hessen dafür, den verhassten Ministerpräsidenten Volker Bouffier (CDU) mit den Stimmen der Linksfraktion im Landtag abzuwählen, gleichzeitig aber keine pauschalen Zusagen mündlicher oder schriftlicher Art an die Hartz-IV-Parteien SPD und Grüne abzugeben, sondern jedes Mal aufs Neue eine Zustimmung zu Gesetzesentwürfen davon abhängig zu machen, ob der Vorschlag der Masse der Bevölkerung nützt oder eben nicht.
Bewusstsein befördern
Auf diese Argumentation wird oft mit dem angeblich fehlenden Rückhalt in der Bevölkerung entgegnet. Aber: Aufgabe einer linken, erst recht einer sozialistischen Partei muss es doch sein, das Bewusstsein der Masse der Menschen weiterzuentwickeln und nicht beim momentanen Bewusstsein stehenzubleiben. Das bedeutet in diesem Fall, prinzipientreu zu bleiben, medialem Druck standzuhalten, auch scheinbar unpopuläre Positionen geduldig und ehrlich zu erklären und immer zu sagen, was ist. Nur so wird in Zukunft tatsächlich eine Situation entstehen können, wo die Partei DIE LINKE eine Regierung (möglicherweise mit künftig noch entstehenden anderen antikapitalistischen Formationen zusammen) übernehmen kann, um – sich auf Massenbewegungen stützend – nicht nur echte Verbesserungen durchzusetzen, sondern dieses nur auf Profitinteressen basierende System zu überwinden.