Interview mit Susanne Mantel, Betriebsrätin bei H&M Friedrichstraße*
(*Angabe der Funktion dient nur zur Kenntlichmachung der Person)
Die Tarifkommission von ver.di Berlin Brandenburg hat mit knapper Mehrheit das Verhandlungsergebnis mit dem Arbeitgeberverband des Einzelhandels in Berlin/Brandenburg abgelehnt und für eine Fortsetzung des Arbeitskampfes gestimmt. Wie kam es zu dieser Entscheidung?
Von Anwesenden wurde berichtet, dass diesem Abstimmungsergebnis eine heftige Diskussion voran gegangen ist und einige TK-Mitglieder den Abschluss in Ba-Wü mitnichten positiv sehen. Laut meiner Information ist gerade der neue Tarifvertrag für Warenverräumung, neben der Lohnangleichung Ost/West, das Zünglein an der Wage gewesen. Gerade im Lebensmittelhandel haben die Beschäftigen und die gewählten stimmberechtigten Kollegen erhebliche Vorbehalte gegen diesen neuen Tarifvertrag.
Viele Beschäftige haben Angst vor Änderungskündigungen und die damit verbundene Verschlechterung ihres Lohnniveaus, die nach diesem Abschluss drohen könnten.
Wie siehst du den Tarifabschluss in Baden-Württemberg?
Meiner Meinung nach ist der Abschluss in Ba-Wü auch nicht nur positiv zu sehen. Sicherlich ist die von Ver.di geforderte, unveränderte Wiedereinsetzung des Tarifvertrags ein Erfolg, wenn man so will. Auch die Lohnerhöhungen lesen sich als Zahlen sehr schön. Im Geldbeutel der Beschäftigten bleibt davon aber recht wenig übrig.
Gerade die Prozessvereinbarung und der neue Tarifvertrag für Warenverräumung haben im Detail ihre Tücken. Die letzten Jahre haben immer wieder gezeigt, das Arbeitgeber die Lücken im Manteltarif und auch die in der Arbeitsgesetzgebung immer gut für sich zu nutzen wussten.
Ver.di ruft zu einem „Blockstreik“ auf. Bedeutet das eine Eskalation des Arbeitskampfes?
Dieser Aufruf ist die konsequente Antwort darauf, dass sich der Handelsverband dagegen verschließt, nach 24 Jahren die seit der Wiedervereinigung schon ins Land gegangen sind, eine Lohnangleichung zwischen Ost und West immer noch nicht durchzuführen. Das ist der gravierendste Unterschied zu anderen Tarifgebieten in Deutschland, mit dem wir hier in Berlin-Brandenburg schon seit Jahren zu kämpfen haben. Die Kolleginnen und Kollegen im Osten haben schon viel zu lange zu schlechteren Konditionen gearbeitet als Ihre Kollegen im Westen.
Wie ist die Stimmung bei den Beschäftigten?
Meine Kollegen sind immer noch hoch motiviert für ihre Rechte auf die Straße zu gehen. Die Motivation ist nach über 30 Streiktagen immer noch genauso hoch, wenn nicht sogar höher, als zu Beginn der Verhandlungen. Gerade weil sich nichts zu bewegen scheint, werden wir angespornt noch lauter zu werden. Wenn man die Selbstverständlichkeit mit der in unserem Betreib gestreikt wird erlebt, macht das Mut, dass man viel verändern kann. Die Unterstützung, die wir von vielen Außenstehenden Gruppen in dieser Tarifrunde erfahren haben,sei in diesem Zusammenhang auch nachdrückliche erwähnt. Uneigennützige Solidarität hat uns immer auch neue Kraft gegeben weiterzumachen.
Was ist aus deiner Sicht nötig, um diese Auseinandersetzung zu gewinnen?
Wichtig ist den jetzt aufgebauten Druck aufrecht zu erhalten um überzeugend bei den nächsten Verhandlungsterminen auftreten zu können. Gerade im Weihnachtsgeschäft und zwischen den Jahren werden im Handel riesige Gewinne gemacht. Wir müssen weiter stören und mehr Öffentlichkeitsarbeit leisten als vorher. Jetzt sind die Leute auf den Straßen und in den Geschäften und kaufen ein. Arbeitgeber müssen stigmatisiert werden, damit sie ihr Verhalten den Arbeitnehmern gegenüber ändern und das schaffen wir durch direkten Kontakt mit Passanten während der Streiks.
Wie kann weitere Solidarität aussehen?
An Streiktagen nicht in den bestreikten Betrieben einkaufen, ist eine ganz einfache Möglichkeit sich zu solidarisieren, die jedem ohne viel Aufwand gelingt. Jeder ist Kunde im Handel. Organisierte Gruppen die mit den Beschäftigten gemeinsam auf die Straße gehen wollen um sie zu unterstützen, können sich mit Verdi oder aktiven Betriebsräten in Verbindung setzten. Wichtig bei Unterstützung von außen ist immer, dass der Unterstützungsgedanke im Vordergrund steht und die Streiks nicht als Plattform für die eigene Sache genutzt werden.