Lokführer-Alltag: Schichtbetrieb, Überstunden und psychische Belastungen
Die GDL (Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer) will eine Regelung erkämpfen, die LokführerInnen, die ihre Berufstätigkeit nicht weiter ausüben können, eine finanzielle Absicherung auf dem vorherigen Gehaltsniveau garantiert. Die GDL fordert konkret eine Lizenzverlust-Versicherung, die vom Unternehmen bezahlt werden soll und im Falle einer Berufsunfähigkeit – zum Beispiel aufgrund von Traumata nach einem Suizid auf den Gleisen – greift.
von Fabian Thiel, Hamburg
Das Einkommen soll während einer notwendigen Umorientierungsphase gesichert und falls erforderlich bis zum Renteneintrittsalter garantiert werden. Darüber hinaus verlangt die GDL bei Versetzungen wohnortnahe Angebote. Um dies durchsetzen zu können, wurden Streiks im Januar vorbereitet, die wegen neuer Verhandlungen bis Ende Januar aufgeschoben sind.
Aus dem Leben eines Lokführers
Das Durchschnittsalter der Lokomotivführer bei der Deutschen Bahn (DB) liegt bei 48 Jahren, die Wechselschichten, auch am Wochenende, und der Einzeldienst im Führerhaus sind Gesundheitsrisiken, die sich nach jahrelanger Arbeit bemerkbar machen. Aber auch die jährlich 850 Personenunfälle im Bahnverkehr sind eine besondere Belastung für die etwa 20.000 LokomotivführerInnen. Traumata durch Schienensuizid gehören leider zum Job dazu.
Die LokführerInnen haben bei der Deutschen Bahn drei Millionen Überstunden angesammelt, die Personaldecke ist teilweise sehr dünn (was sich an dem Chaos am Stellwerk Mainz im letzten August exemplarisch gezeigt hatte). 2013 mussten laut DB 150 LokführerInnen aus gesundheitlichen Gründen ihren Job aufgeben, das sind etwas unter einem Prozent aller LokführerInnen bei der DB.
Das Problem der Versetzungen
Der Bahn-Vorstand lehnt es bislang ab, eine Lizenzverlust-Versicherung zu bezahlen. Gleiches gilt für die Forderung nach wohnortnahen Angeboten bei Versetzungen. Hier bietet die Bahn für gewöhnlich eine Versetzung auf eine andere Stelle irgendwo bundesweit im Konzern an, bei der in diesem Fall das vorherige Einkommen erhalten bleiben soll. Diese Stelle soll von der Qualifikation her zumutbar sein. Sollte eine andere Stelle im Konzern nicht angenommen werden, will die Bahn 80 Prozent von drei Jahresgehältern als Abfindung bezahlen. Diese Regelung soll auch gelten, wenn durch Streckenneuauschreibungen an Konkurrenten der Deutschen Bahn DB-LokführerInnen ihre Strecke verlieren.
Zwei Drittel aller LokführerInnen der Bahn sind auf Regionalstrecken unterwegs, die meist alle zehn Jahre neu ausgeschrieben werden. Die GDL hat mit den größeren Bahnkonzernen einen Betreiberwechsel-Tarifvertrag ausgehandelt, der es möglich macht, dass bei Neuauschreibungen der neue Betreiber das Personal, das vorher auf der Strecke gearbeitet hat, übernehmen muss. Laut der GDL hat die DB zwar diesen Vertrag auch unterschrieben, aber sie wendet ihn nicht an.
Stand der Verhandlungen
Insgesamt zählt die GDL 34.000 Mitglieder. Im November hatte sie die sich seit zwei Jahren hinziehenden Verhandlungen für den Demografie-Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung für gescheitert erklärt. Für die GDL ist es nicht akzeptabel, dass Beschäftigte weiterhin bundesweit versetzt werden können. Diese Regelungen stammen aus den „Sanierungs“-Tarifverträgen aus den späten Neunzigern und den ersten Jahren im vergangenen Jahrzehnt. Die GDL argumentiert, dass mit den Milliardengewinnen des Konzerns und dem Fakt, dass sich die Wertschöpfung pro Mitarbeiter in den letzten 20 Jahren verdoppelt hat, es nicht einsehbar sei, die bundesweite Versetzbarkeit weiter zu akzeptieren. Außerdem besteht die GDL auf den besagten Lizenzverlust-Versicherung für alle LokführerInnen, die unverschuldet dienstunfähig werden.
„Machtpolitik“
Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG), die auch Mitglied im DGB ist, hat den Demografie-Tarifvertrag bereits unterschrieben. Der EVG-Vorsitzende Alexander Kirchner wirft in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ der GDL vor, dass sie „Machtpolitik betreibt, statt vernünftige Tarifverträge für die Beschäftigten zu vereinbaren“. Die GDL hat aber im Gegenteil unter anderem beim LokführerInnen-Streik 2007 eindrucksvoll bewiesen, dass es für vernünftige Tarifverträge für die Beschäftigten notwendig ist, „Machtpolitik“ zu betreiben. Denn nur durch unsere gemeinsame Macht, mit Streiks die Unternehmen lahm zu legen, lassen sich diese in Verhandlungen zu Zugeständnissen zwingen.