Die „Initiative der Eintausend“ bringt die sozialistische Linke zusammen
Vorbemerkung des Übersetzers: Unter dem Diktat der Troika (EU-Kommission, Europäische Zentralbank und Internationalem Währungsfond, wohinter nicht zuletzt die deutsche Bundesregierung von Merkel steht) und der kapitalistischen Krise treibt Griechenland immer weiter in Armut, Arbeitslosigkeit, faschistische Bedrohung, kurz: in die Barbarei des kapitalistischen Systems.
Eine Folge davon war der völlige Zusammenbruch der Sozialdemokratie und ihrer Partei PASOK sowie der Aufstieg der Linkspartei SYRIZA, die mit der deutschen LINKEN verbunden ist. Eine Regierungsübernahme durch SYRIZA ist denkbar.
Die auf Anregung von „Xekinima“, der griechischen Schwesterorganisation der SAV, ins Leben gerufene „Initiative der Eintausend“ versucht seit Ende 2012, innerhalb der Linken einen gemeinsamen Diskussionsprozess über die anstehenden Aufgaben und gemeinsame Aktionen zu fördern. Mit einer Konferenz im Januar hat dieser Diskussionsprozess eine neue Stufe erreicht.
Am Samstag, den 25. Januar 2014 fand an der Panteio-Universität in Athen eine ungewöhnliche Beratung statt, zu der die „Initiative der Eintausend“ aufgerufen hatte. FunktionärInnen und RepräsentantInnen von elf Organisationen und Strömungen der politischen Linken und eine Reihe nicht in einer bestimmten politischen Kraft organisierte KämpferInnen trafen sich, um darüber zu diskutieren, wohin das Griechenland der Bewegungen und der Linken geht und was auf sie zukommt. Vierhundert TeilnehmerInnen verfolgten die Diskussionen, von denen sich Zweihundert im Saal der Panteio-Universität aufhielten und ebenso viele über eine Live-Übertragung übers Internet zugeschaltet waren. (Die Übertragung konnten wir erst in letzter Minute durch eigene Techniker zu Wege bringen, da der einzige Angestellte der Uni, der die technische Anlage bedienen konnte, von der Regierung entlassen worden war.) Es sprachen insgesamt 23 Genossinnen und Genossen, die verschiedene Teile der Linken und verschiedene politische Strömungen repräsentierten.
Von Andreas Payiatsos
Unter den vertretenen politischen Organisationen waren die kommunistische Organisation „Anasyntaxi“ („Neuzusammensetzung“), die „Kommunistiki Ananeosi“ („Kommunistische Erneuerung“), „Paremvasi-SchedioB“ („Intervention-Plan B“), die Organisation „Kokkino“ („Rot“) der IV. Internationale, die „Diethnistiki Ergatiki Aristera“ DEA („Internationalistische Arbeiterlinke“) aus dem Umfeld der IV. Internationale mit dem Redner Antonis Davanellos und natürlich die „Internationalistische Sozialistische Organisation – Xekinima“ (CWI).
Unter den Anwesenden waren auch zahlreiche Gewerkschafter aus einer Reihe von Betrieben und Branchen: Aus der Elektrizitätsgesellschaft DEI (Roula Petrou), der aufgelösten und inzwischen selbstverwalteten über das Internet sendenden Rundfunkstation ERT (Nikos Tsimpidas), dem Gesundheitswesen (Nikos Malinoglou), der Athener städtischen Busgesellschaft ETHEL (Apostolis Kassimeris), dem Unternehmen ALTER (Vassilis Tsimptsos), der ESIEA (Charis Savvidis) usw. Ebenso ein Vertreter der Gewerkschaftsfraktion von SYRIZA „Aristeri Paremvasi“ („Linke Intervention“).
Die Diskussion eröffnete Serafim Seferiadis, Professor an der Panteio-Universität, wobei er als Diskussionsgrundlage den Text der „Initiative der 1.000“ nahm. In der Folge sprachen die Abgeordneten des Europaparlaments Paul Murphy („Socialist Party“, die Sektion des CWI in Irland) und Nikos Chountis (SYRIZA, die griechische Linkspartei). Die Reihe der Podiumsredner Redner beschloss Kostas Lapavitsas (Ökonomie-Professor in London und Gründungsmitglied der „Initiative“), der sich über Skype an das Publikum wandte, da er an dem Treffen nicht teilnehmen konnte.
Kollektive aus der gesamten Linken
Die besondere Bedeutung des Treffens liegt darin, dass Kräfte aus völlig verschiedenen Richtungen der gesamten Linken an einer gemeinsamen Diskussion teilnahmen, die in heftigem Wettbewerb untereinander stehen: Von der außerparlamentarischen Linken, von SYRIZA, aus dem politischen Raum von ANTARSYA („Antikapitalistische Linke Kooperation für den Umsturz“, ein Bündnis mehrerer Organisationen der radikalen Linken, das in den Bewegungen stark präsent ist, Anm. d. Übers.) sowie auch von (aus der Partei ausgeschlossenen) Aktiven der KKE (Kommunistische Partei Griechenlands).
Noch wichtiger ist, dass unter den Repräsentanten der verschiedenen Kollektive ein hoher Grad an Übereinstimmung vorhandenen war. Übereinstimmung hinsichtlich der Notwendigkeit der gemeinsamen Aktion der Linken, um die Bewegungen aufzubauen, die notwendig sind, um die notwendigen großen sozialen und politischen Umstürze zu einem erfolgreichen Ende zu bringen.
Ein hoher Grad an Übereinstimmung beim Programm
Alle Redner waren sich einig, dass es auf der Grundlage des Kapitalismus keinen Ausweg geben wird und dass der Kampf für eine sozialistische Gesellschaft absolut notwendig ist, um der Barbarei ein Ende zu setzen, in die uns das kapitalistische System treibt.
Jenseits dessen gab es Übereinstimmung hinsichtlich der direkten Maßnahmen für den Ausweg aus der Krise:
– Streichung der Schulden
– Keine Opfer für den Euro
– Verstaatlichung des Bankensystems
– Verstaatlichung der strategischen Sektoren der Wirtschaft
– Massive öffentliche Investitionen zur Schaffung von Arbeitsplätzen und zur Entwicklung der Wirtschaft
– Gesellschaftliche und Arbeiterkontrolle in der Wirtschaft, um Korruption und Skandale zu bekämpfen
– Planung der Wirtschaft nach den Bedürfnissen der Gesamtheit der Gesellschaft
Gleichzeitig war man sich einig, dass die griechische Gesellschaft sich auf dem Weg hin zu einer linken Regierung befindet – einer Regierung der Linkspartei SYRIZA. Und dass dies einerseits gewaltige Möglichkeiten für einen historischen Sieg eröffnet, der Auswirkungen auf ganz Europa hätte, andererseits jedoch große Gefahren beinhaltet.
Diese Gefahren ergeben sich aus der Tatsache, dass die Führung von SYRIZA angesichts des Drucks der Gläubiger immer mehr auf Kompromisse mit den etablierten Interessen orientiert. Wahrscheinlich wird die SYRIZA-Führung versuchen, Lösungen anzubieten ohne in einen Zusammenstoß mit dem Großkapital und der herrschenden Klasse zu geraten. Das wird grandios scheitern. Es ist daher von großer Bedeutung, wie die linken Bewegungen auf eine SYRIZA-Regierung reagieren werden und wie sie in die sich dann entwickelnden Massenprozesse eingreifen werden.
Internationalismus
Die Bedeutung des internationalistischen Kampfes, der sich an die europäische Arbeiterbewegung und die Bewegungen der weiteren Region des Mittelmeeres und des Nahen Ostens und an die ganze internationale Arbeiterbewegung richtet, wurde betont. Darüber hinaus unterstrich die Anwesenheit des Genossen Paul Murphy diese Bedeutung. In seiner Rede betonte er besonders diese Seite, wobei er die außergewöhnlich wichtigen Prozesse, die sich in Lateinamerika, den USA, auf dem afrikanischen Kontinent und natürlich in Europa behandelte.
Es gibt sicherlich auch Differenzen
Sicherlich gibt es unter den verschiedenen linken Kollektiven auch Differenzen, doch konnte man bei den grundlegenden Aufgaben unserer Zeit eine Übereinstimmung von circa achtzig Prozent feststellen.
Ein Thema beispielsweise, bei dem es sehr wahrscheinlich keine Übereinstimmung gibt, betrifft die Stimmabgabe bei den kommenden Wahlen. Niemand kann von Kräften, die weiterhin ANTARSYA angehören, wie die Organisation „Kommunistische Erneuerung“, oder die von der KKE her kommen wie die Vereinigung „Jannis Kordatos“ (Letzterer war von den Zwanziger Jahren ab ein Führer der KKE und anerkannter marxistischer Wissenschaftler, Anm. d. Übers.), erwarten, ihre bis heute bestehende Haltung bei Wahlen zu ändern. Man darf jedoch erwarten, dass die Kräfte der Linken, die in grundlegenden programmatischen Punkten übereinstimmen, ihre Aktionen heute und in Zukunft koordinieren werden.
Es sollte besonders betont werden, dass zweifellos viele „einheitliche“ Parteien (hier wird auf SYRIZA und die KKE angespielt, Anm. d. Übers.) und manche Pole in der Linken auf das genossenschaftliche Klima und den konstruktiven Geist, in dem die Diskussion unter all diesen unterschiedlichen Kollektiven stattfand, neidisch blicken könnten.
Was hat dieses Treffen möglich gemacht?
Dieses Treffen wäre vor einigen Jahren, beispielsweise 2010 beim ersten Eintreffen der Troika, weder realistisch noch möglich gewesen.
Erstens, weil damals eine Übereinstimmung beim Programm des Auswegs aus der Krise unmöglich gewesen wäre. Dieses Programm erfordert Brüche mit dem kapitalistischen System, den Führungsstäben der EU und der Eurozone und legt objektiv die Grundlagen für das Einschlagen eines Weges der sozialistischen Veränderung.
Zweitens, weil es bis vor Kurzem nicht das Gefühl dafür gab, wie sehr die Zeit drängt. In Wirklichkeit haben wir einen Wettlauf mit der Zeit, denn innerhalb von Monaten, werden sich wahrscheinlich wichtige Fragen stellen, die für viele Jahre die Zukunft der Linken und der Bewegung bestimmen werden.
Mit welcher Art von Gefahren die Bewegung in den kommenden Jahres im Falle eines Scheiterns einer Regierung der Linken konfrontiert sein könnte, zeigt sich auf klare Weise daran, dass die Nazipartei „Chrysi Avgi“ („Goldene Morgenröte“) stabil bei etwa zehn Prozent der Zustimmung bei Meinungsumfragen liegt, trotz ihres nachgewiesen mörderischen Charakters und trotz der kürzlichen Angriffe seitens der Regierung auf sie.
Sich auf die Zukunft vorbereiten
Die „Initiative der Eintausend“, die die Initiative für dieses Treffen ergriffen hatte, leistet der Arbeiter- und Volksbewegung und der Linken einen wichtigen Dienst. Um die Worte des Genossen Panagiotis Lafazanis (Fraktionsvorsitzender von SYRIZA im griechischen Parlament und Repräsentant des linken SYRIZA-Flügels) auf dem Treffen zu gebrauchen: „Die „Initiative“ ist von großer Bedeutung, denn sie schaut nach Vorne und bereitet sich auf die Zukunft vor.“
Eine weitere der bedeutenden Entwicklungen dieses Treffens war die Ankündigung der „Kommunistischen Organisation Anasyntaxi“, dass sie an der „Initiative der Eintausend“ teilnehmen wird. Alle TeilnehmerInnen sagten, dass es ein Treffen war, bei dem alle Reden großes Interesse hervorriefen. Dies immer in außerordentlich solidarischem Rahmen, wobei auch die Sorgen Aller hinsichtlich der Zukunft klar zum Ausdruck kamen.
Dieses Treffen hat einerseits die „Initiative der Eintausend“ mit neuen Kräften gestärkt und andererseits zu der Schlussfolgerung bei der großen Mehrheit der Anwesenden geführt, dass diese Treffen fortgesetzt werden sollten.
Es ist sicher, dass diese Versammlung ein wichtiger und qualitativer Schritt in unserer Anstrengung, die Kräfte für eine vereinigte Linke aufzubauen, für einen Ausweg aus der Krise auf der Grundlage eines radikalen Programms, das den Interessen des Volkes dient und den Weg öffnen wird für die sozialistische Veränderung der Gesellschaft, gemeinsam mit den ArbeiterInnen der umliegenden Länder, Europas und der Welt.
Andreas Payiatsos ist Generalsekretär von „Xekinima“, der Schwesterorganisation der SAV und Sektion des CWI in Griechenland. Der Artikel erschien auf der Webseite von „Xekinima“ am 27. Januar 2014. Er wurde aus dem Neugriechischen übersetzt von Hubert Schönthaler.