Bosnien-Herzegowina: Die Massenproteste sind die ersten Blüten des Frühlings

Welches Programm sollte die Linke vorschlagen?

von Sonja Grusch

Fünf Wochen sind vergangen seit die kämpferischen Proteste in Bosnien-Herzegowina ausgebrochen sind. Sonja Grusch berichtet von ihrem Besuch, den sie jüngst gemeinsam mit anderen CWI-Unterstützern in diesem Land gemacht hat, wo sie mit TeilnehmerInnen der Proteste sowie mit linken AktivistInnen diskutiert hat.

In Tuzla und auch in anderen Orten kann man die Regierungsgebäude noch sehen, die während der Demonstrationen angezündet wurden als wütende ArbeiterInnen, Jugendlichen und all jene, die sich gegen die korrupte Elite zur wehr setzen wollen gemeinsam protestierten. Poster wurden aufgehängt auf denen steht: „Tot dem Nationalismus“ und „Diebe“ und „Revolution“. Ein Aktivist mit dem wir diskutieren meint „Die Proteste waren wie wenn nach 20 Jahren eine Explosion ausbricht!

In allen Diskussionen sind Frustration und Pessimismus zu spüren. Die Arbeitslosenrate ist, je nach Quelle, unterschiedlich hoch. Offiziell liegt sie bei über 40%, aber in Wirklichkeit ist sie viel höher, in einigen Regionen sind es bis zu 70%. Als wir uns mit einer Gruppe Jugendlicher in einer Stadt an der serbischen Grenze treffen hat von den sieben anwesenden gerade mal einer einen Job. Zum Kaffee gibt es keine Milch, die ist zu teuer. Einer der Männer meint – mehr oder weniger im Scherz – das Frauen sich in manchen Monaten entscheiden müssen, ob sie Geld für Kosmetik oder für Hygieneartikel haben. Für viele Jugendliche ist die einzige Perspektive für ein Zukunft das Land zu verlassen. Die Proteste, die die im Februar ausgebrochen sind können diese Sichtweise und v.a. die Perspektive verändern.

Anders als in manchen anderen Protesten die es in letzter Zeit international gegeben hat hat die ArbeiterInnenklasse in Bosnien-Herzegowina von Beginn an eine wichtige Rolle gespielt. Schon in den letzten Jahren gab es gegen die katastrophalen Auswirkungen der Privatisierung eine Reihe von Kämpfen von ArbeiterInnen. Was als „kriminelle Privatisierung“ bezeichnet wird ist ein wichtiger Faktor in dieser Bewegung. Ein Stopp und eine Rücknahme dieser Privatisierungen ist eine der zentralen Forderungen.

Alle Macht den Plenas?

In einer Reihe von Städten haben sich seit Beginn der Proteste Plenas gebildet. Sie treffen sich um Forderungen zu diskutieren und zu formulieren. Sie können nicht mit jenen Plenas die wir aus Studierendenprotesten in West- und Südeuropa kennen verglichen werden, bei denen Diskussionen manchmal ewig andauern und keine Entscheidungen gefällt werden. Diese hier sind strukturiert, geplant, vorbereitet und haben eine Tagesordnung. JedeR kann sprechen, allerdings nur mit kurzer Redezeit. Im Plenum von Tuzla werden Entscheidungen nicht unmittelbar gefällt; die Vorschläge von Arbeitsgruppen werden präsentiert, dann stehen andere Dinge auf der Tagesordnung und die Entscheidung wird erst im nächsten Plenum gefällt um für tiefer gehende Diskussionen zeit in den Arbeitsgruppen zu geben. Bis jetzt haben sich in über 10 Städten in den meisten Kantonen der Föderation solche Plenas gebildet. Die Plenas verschiedener Städte koordinieren sich untereinander und treten nur nach Rücksprache mit den anderen Plenas in Verhandlungen mit VertreterInnen des Staates.

Dennoch unterscheiden sie sich von den Räten (Sowjets) die sich in den Russischen Revolutionen von 1905 und 1917 entwickelten. Jene waren demokratische Massenversammlungen von ArbeiterInnen und den Unterdrückten die sich im Regelfall aus Delegierten zusammensetzten und sie waren die Basis auf der die ArbeiterInnenklasse, unter der Führung der Bolschewistischen Partei in der Lage war, die Macht zu ergreifen.

Trotzdem hat die Bewegung in Bosnien-Herzegowina eine enorme Macht – lokal und Kantonalregierungen sind bereits zurückgetreten wie die Kantonalregierungenenenen von Tuzla, Una-Sarajevovojewo und Zenica-Doboj. Die Macht liegt – oder besser lag für einige Tage – sprichwörtlich auf der Straße bzw. bei den Plenas. Es entwickelten sich Elemente von Doppelmacht, wo die die ehemaligen staatlichen und regionalen MachthaberInnen nicht mehr in vollem Umfang die Kontrolle hatten und die Bewegung auf der Straße sowie auch die Plenas das Potential hatten sich zu entwickeln und um die Macht zu kämpfen. Aber weil keine weiteren Schritte von der Bewegung gesetzt wurden hat das Pendel wieder in die andere Richtung, zurück zur herrschenden Klasse, umgeschlagen. Einer der Organisatoren hinter den Plenas erklärt uns, dass sie nicht die Schmutzarbeit der Regierungen machen wollen und daher keine Leute aus den Plenas in die Regierungen entsenden um die Pläne der Regierung umzusetzen. Ein korrekter Punkt bezüglich der Teilnahme in pro-kapitalistischen Regierungen, aber es wurde auch keine alternative Strategie präsentiert.

Im Moment diskutieren die Plenas eine Reihe von Dingen und stimmen über Forderungen ab – v.a. gegen Korruption und für eine Rücknahme der Privatisierungen. Neue KandidatInnen für Regierungspositionen kommen zu den Plenas um sich selbst zu präsentieren, doch diese sind von der alten politischen Elite ausgewählt. Bahrija Umihanic, Universitätsprofessor für Wirtschaft, Kleinunternehmer und Kandidat für den Regierungschef des Kantons von Tuzla musste zum Plenum von Tuzla kommen. Er präsentierte sein Programm und die Menschen konnten Anmerkungen machen und Fragen stellen, die er beantworten musste. Einige waren froh darüber eine Alternative zu den PolitikerInnen zu sehen, die sie kennen und von denen sie wissen, dass sie korrupt sind. Aber viele hatten das Gefühl dass er nur ein weiterer vom selben Typ ist, der ihre Interessen nicht vertritt.

Manche versuchen auch für ihre FreundInnen oder für sich selbst zu werben, um als KandidatIn aufgestellt zu werden. Wir treffen einen davon, einen Professor der Technischen Universität der gerne Minister für Energie werden würde und uns stolz seine akademischen Titel aufzählt. Es scheint als ob die Entwicklung auch eine Schicht von Individuen nach oben bringt, die schlicht ihr Stück vom Kuchen bekommen wollen (Der Dayton Prozess am Ende des Bürgerkrieges hat dazu geführt, dass es 13 Regionalregierungen und über 100 MinisterInnen gibt, also jede Menge gut bezahlter Positionen). Das macht auch deutlich dass die Plenas und viele ihrer TeilnehmerInnen noch innerhalb des Rahmens nicht nur der kapitalistischen Logik sondern auch von formaler bürgerlicher Demokratie agieren. Sie schlagen kein Konzept für ein alternatives System von Herrschaft vor, sondern wollen bestenfalls die existierenden Strukturen und Regierungskörperschaften mit „besseren Leuten“ besetzen. So könnten sie mit einer „Staatsreform“ enden, die die Anzahl der Verwaltungskörperschaften, Ministerposten und anderer Funktionen reduziert aber das System an sich nicht verändert.

Es gibt keine Strategie für die nächste Phase des Kampfes

Die Plenas haben Stärken und Schwächen. Ihr größtes Problem ist, dass sie keine Strategie haben, was als nächstes zu tun ist. Solange die Bewegung stark ist und es Mobilisierungen auf der Straße oder in den Betrieben gibt muss die herrschende Klasse reagieren und Konzessionen machen. Aber wenn sich die Bewegung darauf beschränkt zu diskutieren und Forderungen zu formulieren ohne die Möglichkeit zu haben, Druck auf die herrschende Elite auszuüben damit diese die Forderungen auch erfüllt, dann können die Plenas zu einem Hindernis werden. Die soziale Zusammensetzung hat sich schon verändert. Die Plenas sind keine Struktur von gewählten VertreterInnen aus Betrieben, Arbeitsplätzen und Stadtteilen, sie sind offen für jedeN der/die teilnehmen will. Sie werden dominiert von Menschen die 35 oder älter sind und es nehmen kaum Jugendliche teil. Und obwohl ArbeiterInnen und GewerkschafterInnen teilnehmen scheint die größte Gruppe jene der AkademikerInnen zu sein. Sie haben zwar eine bewusste Orientierung auf die ArbeiterInnenklasse und kommen aus der Linken, aber die ArbeiterInnenklasse selbst ist nicht die dominante Kraft.

Linke sind anwesend, aber nicht offen. Politische Organisationen sind kein offizieller Teil der Plenas; die Idee dahinter ist, die VertreterInnen der „etablierten“ Parteien raus zu halten. Doch diese sind trotzdem da, allerdings versteckt. Und viele der TeilnehmerInnen sind Mitglieder oder AktivistInnen verschiedener linker Gruppen. Als wir sprachen um die Grüße des CWI zu überbringen und unsere Flugblätter verteilen befürchten wir, dass die „anti-Organisationen“ Stimmung ein Problem sein könnte. Aber nichts derartiges geschieht. Wir wurden freundlichst begrüßt, so gut wie jedeR hat unser Material genommen und unsere Rede hat eine Reihe positiver Reaktionen zur Folge gehabt. Es gibt eine starke Anti-Parteien-Stimmung aber diese Offenheit zeigt auch den Wunsch nach internationaler Solidarität und sozialistischen Ideen und auch das Verständnis, dass nicht alle Parteien und Organisationen gleich sind. Es besteht die Gefahr das die Tatsache, dass die Linke nicht offen interveniert dazu führt, dass sie keine organisierte Kraft aufbauen kann die in der nächsten Welle des Kampfes notwendig sind.

Nur zwei junge Männer kritisieren unsere Flugblätter die demokratischen Sozialismus fordern. Doch sie sind offensichtlich aus einem rechtsextremen/nationalistischen Hintergrund und beziehen sich positiv auf die nationalistischen und neofaschistischen Kräfte in der Ukraine. Aber einige ihrer Punkte treffen den wunden Punkt und sie sind mit ihrer Kritik an der Entwicklung der Bewegung nicht alleine. Die Plenas und die politischen Kräfte die sie führen (auch wenn es offiziell keine Führung gibt) haben, geschockt über die gewalttätigen Auseinandersetzungen einen Schwerpunkt auf die Plenas gelegt statt auf die Mobilisierungen auf der Straße. Es scheint als hätten sie keine Idee oder Strategie für eine Eskalation des politischen Kampfes, für die nächsten Schritte die nötig werden wenn die herrschende Klasse und ihre politischen VertreterInnen die Forderungen der Plenas nicht erfüllen.

Wir haben auch keine der üblichen Zeichen einer massiven politischen Kampagne gesehen; wir haben keine Flugblätter, Einladungen zu Veranstaltungen und keine Zeitungen von politischen Organisationen gesehen. Die einzigen Plakate die wir in Tuzla sehen sind von ultrarrechten Nationalisten. Der Geldmangel kann nur ein Grund für diesen Mangel an Material sein. Die VertreterInnen der linken Organisationen die wir treffen haben alle in der Bewegung teilgenommen, aber ohne ihre Organisationen als Werkzeug anzubieten, die Bewegung auszubreiten und für weitere Diskussionen. Das spiegelt eine vorsichtige Art wieder, zu intervenieren die sich dem Druck der Anti-Parteien-Stimmung beugt und der es an Selbstbewusstseinn fehlt zu erklären, warum eine sozialistische Organisation notwendig ist um den Kapitalismus zu besiegen – etwas was den Mangel an Tradition der sozialistischen Kampagnenarbeit der letzten Jahrzehntewiderspiegelt.. Die Erfahrungen mit politischen Organisationen und ihren Methoden im ehemaligen Jugoslawien und dann im neuen kapitalistischen Bosnien-Herzegowina hat nicht dabei geholfen, diese Traditionen zu entwickeln.

Die negative Folge davon ist, dass keine organisierte Kraft in die Bewegung interveniert. Es gibt keine wirklich Planung der nächsten Schritte und die die Frage des Kampfes um die Macht zu gewinnen ist nicht wirklich diskutiert. Das gibt der herrschenden Klasse die Möglichkeit sich zurückzulehnen und abzuwarten was geschieht und darauf zu hoffen, dass sich die Bewegung tot läuft. Das wird in der näheren Zukunft nicht geschehen weil die sozialen Probleme und die Wut über die korrupten Elite zu groß sind.

Wenn es zu keinen Ergebnissen kommt, keine Zugeständnisse die über einige formale Änderungen hinausgehen dann dann kann es zu einer neuen Welle von Protesten kommen. Die extreme Rechte und nationalistische Kräfte scharren in den Startlöchern. Sie versuchen ganz bewusst in die Plenas zu intervenieren und sie werden Unterstützung, gerade unter Jugendlichen aufbauen können, wenn diese keine Ergebnisse sehen und es keine glaubwürdige linke Alternative gibt.

Das nächste Kapitel?

Es ist klar dass die Bewegung nicht vorbei ist. Sie ist zurückgegangen, kann aber jeden Augenblick wieder explodieren weil die Ursachen für ihren ursprünglichen Ausbruch nicht verschwunden sind. Aber die linken Kräfte und AktivistInnen der ArbeiterInnenbewegung müssen in organisierter Form intervenieren, mit Vorschlägen, die nicht nur Forderungen sind. Sie müssen mit den Hoffnungen – oder eher Illusionen – in die EU umgehen. Bosnien-Herzegowina will EU-Mitglied werden – und hat bereits ein Freihandelsabkommen unterzeichnet – und will auch der Welthandelsorganisation beitreten. Die Menschen hoffen auf Investitionen aus der EU und in Folge dessen auf einen steigenden Lebensstandard. Aber die letzten 20 Jahre der EU-Intervention haben gezeigt, dass die europäischen KapitalistInnen Bosnien-Herzegowina nur als Ort sehen um ihre Waren zu verkaufen und, in einigen Fällen, wegen ihrer billigen Arbeitskraft als verlängerte Werkbank. In die meisten der privatisierten Betriebe wurde nicht investiert, im Gegenteil wurden sie geschlossen um sich der Konkurrenz zu entledigen. Bis zu 90% des Bankensektors sind in der Hand von ausländischen Banken was diesen die Möglichkeit gibt, ihr Kapital zu investieren. Warum sollte sich das mit einer formalen Integration in die EU ändern, insbesondere vor dem Hintergrund der schwierigen wirtschaftlichen Lage in der sich die EU Länder befinden?

Linke Kräfte die in diese Massenbewegung investieren müssen diese Fragen aufgreifen und die Politik der EU im restlichen Europa, insbesondere in Griechenland, Spanien und Portugal erklären. Sie müssen aufzeigen, dass der Kapitalismus keine Zukunft für die Menschen in Bosnien-Herzegowina zu bieten hat. Linke Kräfte müssen ein Aktionsprogramm aufstellen das in der Lage ist, die Forderungen der Bewegung und der Plenas zu erkämpfen. Das beinhaltet auch ein Programm und eine Strategie die in der Lage sind die ArbeiterInnen und Jugendlichee in der Republika Srpska (RS) zu gewinnen. Obwohl die soziale Situation in der RS sogar noch schlimmer ist hat es dort keine größeren Proteste gegeben. AktivistInnen, die versucht haben, Proteste rund um ähnliche Forderungen wie in der Föderation zu organisieren waren mit massiver Einschüchterung konfrontiert.

Ein nächster Schritt könnte ein Aktionstag in der gesamten Föderation sein der auch einen Aufruf, eine Einladung an die Menschen in der RS beinhaltet sich daran zu beteiligen. Streiks in den Betrieben, Schulen und Universitäten kann Teil einer solchen Mobilisierung sein, doch dabei muss die hohe Arbeitslosenrate als verkomplizierender Faktor berücksichtigt werden. Ein solcher Streik müsste sich auf Großbetriebe konzentrieren und müsste mit dem Aufstellen von fliegenden Streikposten verbunden sein. Ein solcher Aktionstag könnte international durch Kundgebungen und Protesten in jenen Städten unterstützt werden, wo Menschen aus der bosnisch-herzegowinischen Diaspora leben (die die Ereignisse mit großem Enthusiasmus verfolgen) aber auch durch Proteste und Kundgebungen bei jenen Betrieben und Banken die für die Plünderung des Landes verantwortlich sind. Als erster Schritt könnten Betriebe die ihre Beschäftigten seit Monaten nicht bezahlt haben durch die Beschäftigten übernommen werden, könnten sich mit ähnlichen Betrieben in anderen Ländern verlinken, insbesondere in anderen Staaten des Balkans.

Internationalismus

Angesichts der Kleinheit von Bosnien-Herzegowina ist eine internationale Perspektive von großer Bedeutung. Die Notwendigkeit, sich mit den Kämpfen von ArbeiterInnen in ganz Europa und international zu verbinden ist überlebensnotwendig. Die bosnisch-herzegowinische Diaspora verfolgt die Ereignisse mit großem Interesse und ist bereits Teil dieser Internationalisierung. Es ist notwendig das die Solidarität einen klaren Klassenstandpunkt einnimmt, mit Gewerkschaften, BetriebsrätInnen und AktivistInnen der ArbeiterInnenklasse zusammenarbeitet. Doch das ist nicht nur eine Frage von internationaler Solidarität. Die Probleme, mit denen die ArbeiterInnenklasse auf der ganzen Welt konfrontiert sind haben ihre Wurzeln im Kapitalismus und seinen Krisen und die Diskussionen über Alternativen und über den Kampf für ebendiese findet ebenfalls international statt. Eine Lehre der Vergangenheit ist, dass zwar der Sturz des Kapitalismus – der Ursache von Korruption, Ausbeutung und Armut – auf nationaler Ebene möglich ist. Doch um eine fundamentale und dauerhafte Veränderung der Gesellschaft zu ermöglichen ist eine sozialistische Transformation auf internationaler Ebene nötig die damit beginnt die kapitalistische Umklammerung der Weltwirtschaft zu zerbrechen.

Es ist auch notwendig, eine Debatte zu eröffnen über eine alternative Art die Wirtschaft zu organisieren – eine sozialistische Alternative. Diese Debatte muss die Erfahrungen mit Jugoslawien und der Tito-Ära, aber auch was seither geschehen ist, aufgreifen. Die Unterstützung für Tito ist enorm. Überall hängen seine Bilder und in der Bewegung gibt es eine Menge positiver Bezugnahmen auf seine Herrschaft. Es braucht eine ehrliche Diskussion über die Ursachen für das Scheitern des jugoslawischen Modells, und dazu gehört das bürokratische, von oben nach unten Regieren das die Wirtschaft erstickt hat. Dazu gehört der Weg zur Restauration des Kapitalismus und die Entwicklung nationalistischer Spannungen die von den unterschiedlichen Teilen der herrschenden Elite, den neuen KapitalistInnen und ausländischen kapitalistischen Mächten genutzt wurden. Und es ist wichtig zu Erkennen, dass dieser Prozess nicht erst nach Titos Tod begonnen hat. Es hatte seine Wurzel im Jugoslawischen Modell des „Sozialismus“ dem echte ArbeiterInnen-Demokratie gefehlt hat ebenso wie in den Osteuropäischen Staaten. Ein zentraler Faktor für den Zusammenbruch des „Jugoslawischen Modells“ war, in Folge des Versuches einen „Sozialismus in einem Land“ zu kreieren, die Öffnung in Richtung Kapitalismus. Das hatte die Wirtschaftskrise der frühen 1980er Jahre zur Folge als die Reallöhne um ein Viertel sanken und es Massenarbeitslosigkeit gab. Das alles muss Teil jenes Diskussionsprozesses sein, der gerade begonnen hat.

Die antifaschistischen und antikapitalistischen Traditionen sind in Bosnien-Herzegowina noch immer recht stark. Die Erfahrungen mit den katastrophalen Bürgerkriegen in den 1990er Jahren hat dazu geführt dass den Menschen der ArbeiterInnenklasse die Gefahren des reaktionären Nationalismus und von ethnischen und religiösen Spaltungen bewusst sind. Das bedeutet nicht, dass Nationalismus und gefährliche nationalistische Spaltungen nicht zurückkehren könnten wenn die Bewegung ergebnislos bleibt und rechte Kräfte diese Situation ausnützen können. Aber es gibt eben auch diese Traditionen und Erfahrungen auf die neue linke Kräfte aufbauen können in ihrem Kampf für eine demokratische sozialistische Zukunft für Bosnien-Herzegowina, wie auch des gesamten Balkans, einem Kampf der die Basis ist für den Sturz des Kapitalismus und für die Schaffung einer demokratischen sozialistischen Föderation auf gleichberechtigter und freiwilliger Basis.