Parlamentsbesetzung in Taiwan

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Widerstand gegen kapitalistisches Handelsabkommen – Massenbewegung der ArbeiterInnen aufbauen!

von James Langdon, von der CWI-Sektion in Taiwan für chinaworker.info, das Internetportal des CWI für China und Südostasien

Am Mittwoch, dem 19. März haben tausende DemonstrantInnen das taiwanesische Parlament eingekreist, um rund 500 junge Leute zu unterstützen, die das Gebäude besetzt hatten. Das war die erste Besetzung des Parlamentsgebäudes namens Legislativ-Yuan in der Hauptstadt Taipeh, die es je gegeben hat. Der Grund dafür ist der Protest gegen ein umstrittenes Dienstleistungsabkommen zwischen China und Taiwan. Viele sind gegen diesen Handelsvertrag, weil sie fürchten, das Regime in Peking würde darüber zu viel Kontrollmöglichkeiten über die Wirtschaft Taiwans bekommen. Die Protestierenden richten sich zudem gegen die anti-demokratischen Manöver des Präsidenten Ma Ying-jeou und die regierende „Kuomintang“, die am Montag entschieden hat, unverzüglich über den Vertrag mit China abstimmen zu lassen.

Wie dieser Artikel, der noch vor dem Aufkommen der derzeitigen Protestbewegung geschrieben wurde, erklärt, leisten SozialistInnen Widerstand gegen das Dienstleistungsabkommen, weil es vor neoliberalen Klauseln nur so strotzt, die sich gegen die ArbeitnehmerInnen richten. Dadurch werden beiderseits der Straße von Taiwan die Löhne und Arbeitsbedingungen unter Druck geraten. In Taiwan unterstützt das CWI („Committee for a Workers´ International“ // „Komitee für eine Arbeiterinternationale“, dessen Sektion in Deutschland die SAV ist) die derzeitigen Proteste. Anstelle des Nationalismus treten wir für eine internationalistische Herangehensweise ein und verteidigen den Klassen-Standpunkt, um kapitalistische Handelsabkommen zu verhindern.

Taiwans Regierung unter Ma versucht verzweifelt, mit China zu Verhandlungen über einen Handelsvertrag zu kommen, der den Warenaustausch regelt. Die Intensität und Hast, mit der die Regierung bei diesen Versuchen vorgeht, wirft ein Licht auf die vielen arbeitnehmerfeindlichen Handelsabkommen, zu denen in unserer Region derzeit Gespräche im Gange sind.

Das Wirtschaftsministerium hat indes angekündigt, dass es danach strebt, die Verhandlungen über das Handelsabkommen zum Warenaustausch bis Mitte kommenden Jahres zum Abschluss bringen zu wollen. Die Rolle des Elefanten im Porzellanladen spielt in diesem Zusammenhang allerdings das Abkommen über die Dienstleistungen, das wegen des Drucks, der vonseiten der Öffentlichkeit kommt, immer noch nicht vom Exekutiv-Yuan (juristischer Rat) ratifiziert worden ist.

Umfragen sprechen davon, dass fast die Hälfte der EinwohnerInnen Taiwans Bedenken gegen das bevorstehende Handelsabkommen über die Dienstleistungen hegen. Und diese Bedenken, wonach das Abkommen zu einer Verschlechterung ihrer Lebensbedingungen führen wird, sind vollkommen berechtigt. Weil sie ihre Chance zu wittern meint, hat die Oppositionspartei „Democratic Progressive Party“ (DPP), die hofft, die regierende „Kuomintang“ (KMT) 2016 ablösen zu können, versucht, aus der gegen dieses Abkommen gerichteten Stimmung für sich Kaptal schlagen zu können.

Gegen Ende des letzten Jahres kündigte die Regierung außerdem an, sie werde den Freihandelszonen in Su’ao, Keelung, Taipeh, Taichung und dem Hafen Kaohsiung sowie dem Flughafen Taoyuan, die bisher Pilotcharakter hatten, nun per Gesetz diesen Status verbriefen. Dadurch ist es in diesen Zonen zu massivem Wachstum gekommen. Argumentiert wird, dass die Zukunft für Taiwan einzig und allein in der Ausweituung neoliberaler Maßnahmen besteht.

Vizepräsident Wu Den-yih verlangte von der taiwanesischen Bevölkerung, sie solle „aufgeschlossen“ sein und die neue Realität der Freihandelszonen sowie Abkommen wie den Dienstleistungsvertrag zu akzeptieren. Angesichts des wachsenden Siderstands gegen diese neoliberalen Maßnahmen forderte er die Menschen zur Zusammenarbeit auf, um die Deregulierungsmaßnahmen durchführen zu können, die nötig seien.

Premier Jiang Yi-Huah teilte diese Ansichten und meinte, die Zukunft Taiwans liege darin, protektionistische Maßnahmen zu beenden und mehr Bereiche für den internationalen Wettbewerb zu öffnen. Taiwans wirtschaftliche Nöte, so behauptete er, kämen nicht von Ungefähr sondern seien eine direkte Folge davon, dass Taiwan versagt habe, wie seine Nachbarn die Liberalisierungg des Marktes zu akzeptieren.

In Wirklichkeit verspüren die „einfachen“ Menschen keinen Vorteil durch das Wachstum, dessen man sich im vergangenen Jahr rühmte und es auf die Freihandelszonen zurückführte. Wovon dabei gar nicht gesprochen wird, ist die Tatsache, dass den Beschäftigten in diesen Zonen eine wüst deregulierte Zukunft bevorsteht. Wie selbstverständlich werden dort die Löhne und Arbeitsbedingungen heruntergefahren.

Wenn die Befassung mit dem Dienstleistungsabkommen im Exekutiv-Yuan zwar gewollt aber zeitweilig ausgesetzt ist, so deutet das darauf hin, dass darüber hinaus noch viel mehr möglich wäre. Wenn eine Verzögerung des Prozesses schon durch ein paar kleine Proteste und einige juristische Tricks erreicht werden kann, dann stelle man sich nur vor, was möglich ist, wenn eine Massenbewegung gegen die Art von arbeitnehmerfeindlichen Abkommen aufgebaut würde, die im asiatisch-pazifische Raum derzeit zur Norm zu werden drohen.

Warnung vor der TPP

Die Bevölkerung Taiwans ist nicht die einzige in der Region, die es mit einer düsteren neoliberalen Zukunft zu tun hat. Sämtliche Regierungen und die in den jeweiligen Ländern herrschenden Klassen haben sich dem Wettlauf um die schnellste Deregulierung angeschlossen.

Das Abkommen mit der Bezeichnung „Trans-Pacific Partnership“ (TPP), über das derzeit verhandelt wird, ist ein weiteres Beispiel dafür, was noch bevorsteht, wenn keine Massenbewegung aufgebaut wird, die sich für eine veränderte Vorgehensweise einsetzt. Dieses Abkommen, dem sich mindestens neun Länder – darunter die USA, Neuseeland, Singapur, Brunei, Vietnam, Malaysia, Australien und Japan – anschließen wollen, geht weit über die Abschaffung von Zollschranken hinaus. Es zielt vielmehr darauf ab, den öffentlichen Dienst der jeweiligen Länder zu öffnen und es privaten Unternehmen zu erlauben, ihre Profit-Interessen geltend zu machen. Diese sollen stärkere Einflussmöglichkeiten auf die Entscheidungen der Regierungen bekommen, was den Finanzspekulanten neue Märkte im Wert von mehreren Milliarden Dollar beschert. Damit werden gleichzeitig die Möglichkeiten der betreffenden Regierungen eingeschränkt, schwächeren Branchen in ihren Volkswirtschaften, etwaige Subventionen zukommen zu lassen, was von neoliberalen Ökonomen als „Wettbewerbsverzerrung“ gebrandmarkt wird. Kurzgesagt geht es um mehr Markt und weniger Kontrolle durch die Regierngen über ihre öffentlichen Dienste.

In der bisherigen Fassung der TPP wird u.a. vorgeschlagen, dass eine Gerichtsstelle eingerichtet wird, die bei Konflikten zwischen Unternehmen und Staaten schlichten soll. Wenn die Gesetze eines Landes die Profite eines Unternehmens beschneiden, so besteht die Möglichkeit, dass gegen diese Gesetze dann gerichtlich vorgegangen werden kann. Jedes arbeitnehmerfreundliche Gesetz gerät damit ins Visier und wird gerichtlich angefechtet werden. Damit wird der Neoliberalismus zum festen Bestandteil gerichtlich durchsetzbaren internationalen Rechts.

Genau wie im Falle des wenig beliebten Abkommens über die Dienstleistungen zwischen Taiwan und China, hegen die „einfachen“ ArbeiterInnen in der übrigen Region auch gegenüber der TPP schwere Bedenken. In Neuseeland sind 64 Prozent der Bevölkerung gegen die vorgesehene Vereinbarung. In Australien meinen beeindruckende 90 Prozent der Menschen, sie sollten bei der Entscheidung darüber, inwieweit das Land bei der TPP mit einbezogen wird, beteiligt werden. Klar ist, dass dieses Abkommen nicht nur die Löhne und Arbeitsbedingungen unterminiert, sondern auf der anderen Seite auch den Kapitalisten, Finanzjongleuren und nationalen Regierungen die Möglichkeit verschaffen wird, zukünftig eine weitere Waffe in ihrem Kampf gegen die ArbeiterInnen und verarmten Bäuerinnen und Bauern einzusetzen.

TPP als politischer Block

Noch sind die Verhandlungen über die TPP allerdings nicht abgeschlossen. Dabei spielt die allzeit präsente Rivalität zwischen den USA und China eine ganz wesentliche Rolle. Und ganz wie im Falle der festgefahrenen Verhandlungen über das Dienstleistungsabkommen, haben die betreffenden Regierungen, die mit der TPP zu tun haben, Bedenken, die auf interne Schwierigkeiten zurückzuführen sind. Die Obama-Administration wirbt für die TPP, weil es sich bei dieser eindeutig um ein politisches Bündnis handeln würde, in das man China aufnehmen oder exkludieren kann. Wobei dies offiziell natürlich geflissentlich verschwiegen wird.

Bei der TPP handelt es sich um das wirtschaftspolitische Gegenstück zur „Achse nach Asien“, dem militärstrategischen Bündnis, das 2011 von den USA aufgelegt wurde, um seine Machtsphäre mit Hilfe alter und neuer Bündnisse in dieser Region neu zu gliedern. Dazu zählen Länder wie Japan, die Philippinen, Singapur und Australien. Alle diese Länder haben enge Handels- und Investitionsbeziehungen zu China, wollen aber auch ein Gegengewicht zum chinesischen Regime, das Asien mehr und mehr dominiert. Die Sorge wächst, dass China in der Lage sein wird, auch die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen zu bestimmen.

Massenhafter Widerstand kann diesen arbeitnehmerfeindlichen Handelsabkommen in unserer Region ein Ende bereiten. Dazu bedarf es der Verbindung dieses Widerstands mit dem Widerstand gegen das Wettrüsten und den zunehmenden Nationalismus, der genutzt wird, um die Massen gegeneinander aufzuhetzen. Gleichzeitig „vereinen“ sich die Kapitalisten, um noch größere Profite zu erzielen. Jede einzelne Regierung in der Region spielt im Endeffekt dasselbe Spiel: Man ruft zur Verteidigung der jeweiligen „nationalen Interessen“ auf, wöhrend man es zur selben Zeit zulässt, dass die öffentlichen Ressourcen von den kapitalisten Spekulanten im In- und Ausland ausgeplündert werden. Eine Mehrheit der Menschen mag die billigen Manöver der Kapitalisten, die aus allen möglichen Ländern stammen, misstrauisch beäuigen. Dieses Misstrauen hat allerdings noch nicht dazu geführt, dass eine Bewegung entstanden wäre, die angesichts der bevorstehenden Szenarien so dringend nötig wäre.

Trotz der Tatsache, dass das Dienstleistungsabkommen und die TPP die Arbeitnehmerrechte so grundlegend aushöhlen werden, haben sich die Gewerkschaften zu diesen Themen entweder in Schweigen gehüllt oder nur mit Worten ihren Widerstand zum Ausdruck gebracht. Wir werden ZeugInnen des umfassendsten, juristisch durchsetzbaren „Wettlaufs nach unten“, was die Arbeitnehmerrechte angeht. Das hat es auf der Welt noch nie zuvor in diesem Ausmaß und in dieser Qualität gegeben. Und dennoch: Die sogenannten Arbeiter-„Führer“ stehen nur daneben, sehen zu und lassen es geschehen.

Es liegt auf der Hand, dass wir dringend daran gehen müssen, eine politische Alternative zu den Parteien aufzubauen, die nur im Interesse der Banken und Konzerne agieren. Dazu gehört übrigens auch die DPP, die ebenfalls hinter diesen Abkommen steht. Es ist an den Gewerkschaften und Basis-Strukturen, sich zusammenzutun und diese Alternative gemeinsam aufzubauen. Dieser Kampf muss jedoch länderübergreifend und international geführt werden. Die herrschenden Klassen der jeweiligen Länder in der Region arbeiten ausgezeichnet zusammen, wenn es darum geht, die Lebensbedingungen der Beschäftigten auszuhöhlen. Es ist ein Ding der Notwendigkeit, dass die arbeitenden Menschen der gesamten Region zusammenarbeiten, um dem Dienstleistungsabkommen und der TPP dauerhaft ein Ende zu bereiten und dafür zu kämpfen, dass das System ein Ende findet, das die Konzernprofite per Gesetz absichert, die „einfachen“ Leute hingegen zwingt, um die Brosamen zu kämpfen.

Das „Committee for a Workers’ International“ (CWI) in Ostasien, darunter auch das CWI in Taiwan, wird versuchen, eine aktive Rolle in den Bewegungen gegen neoliberale Handelsabkommen und die TPP zu spielen. Wir stehen für eine internationale sozialistische Alternative, damit die Wirtschaftsabläufe und der Handel so geplant werden können, dass sie den Bedürfnissen der Gesellschaft entsprechen und nicht einzig und allein dem Profit.