Zu den Beratungen im Bundestag
Der Druck von Gewerkschaften, Linkspartei und sozialen Bewegungen zeigte Wirkung. Doch der vorliegende schwarz-rote Gesetzesentwurf zum Mindestlohn setzt unsere Forderungen nicht voll um. Deshalb gilt es weiter Widerstand zu leisten, gegen die Ausnahmen und für einen höheren Mindestlohn – sofort und nicht erst 2017.
Die Höhe des Mindestlohns soll 8,50 Euro betragen. Für mehrere Millionen würde das eine Verbesserung bedeuten. Was aber nur zeigt, wie dramatisch sich die Niedriglohnpolitik entwickelt hat. Denn bei einer 38,5-Stunden-Woche auf Basis von 8,50 Euro kommt man gerade mal brutto auf 1.400 Euro. Angesichts steigender Lebenshaltungskosten viel zu wenig. Die Hans-Böckler-Stiftung hat errechnet, dass man selbst bei einem Mindestlohn von 9,47 Euro nur eine Rente von 672 Euro erarbeiten würde. Darum ist der „Initiative 12 Euro jetzt“ zuzustimmen, die sagt: „Als Antwort auf die wachsende Armut trotz Arbeit fordern wir deshalb die Einführung eines gesetzlichen Mindeststundenlohns von zwölf Euro brutto.“ Die DGB-Bundesjugendkonferenz hatte im November 2013 ebenfalls einen Antrag beschlossen, der sogar einen Mindestlohn von 12,40 Euro fordert.
Ausnahmen verhindern!
Laut Gesetzesentwurf der Bundesregierung sollen Langzeitarbeitslose, Auszubildende und unter 18-Jährige außen vor bleiben. Überhaupt soll das bundesweite gesetzliche Mindestlohnniveau erst ab 1. Januar 2017 uneingeschränkt gelten.
Wenn es nach den Unternehmern geht, sollen weitere Ausnahmen beschlossen werden. Gerade in Dienstleistungsbereichen. Die Aussetzung der Mindestlöhne für Praktika von sechs Wochen soll auf sechs Monate verlängert werden. Dabei muss mit Generation (unbezahltes) Praktikum endlich Schluss sein.
Mindestlohn-Proteste auch in den USA
Laut der Financial Times liegt es an der Krisenerholung, dass Gewerkschaften und Beschäftigte derzeit in vielen Ländern für die Einführung von Mindestlöhnen oder deren Erhöhung kämpfen.
Es kann auch mit den Sorgen vieler Menschen zusammenhängen, die wissen, dass die nächste Krise zwar noch nicht vor der Tür steht, sich aber eventuell „schon mal einen Parkplatz sucht“ (Jochen Busse, „Die Anstalt“).
Am 21. Mai haben über 2.000 Menschen nahe der McDonalds-Zentrale bei Chicago demonstriert. Die Vorsitzende der Öffentlichen-Dienst-Gewerkschaft SEIU, Mary Kay Henry, wurde gemeinsam mit mehr als hundert Beschäftigten festgenommen. Die dortigen KollegInnen fordern 15 Dollar die Stunde.
In Seattle gibt es die von Gewerkschaften, sozialen Initiativen und linken Gruppen getragene Kampagne „15 Now“. Hier spielt die kürzlich in Seattle zur ersten sozialistischen Stadträtin gewählte Kshama Sawant von der SAV-Schwesterorganisation Socialist Alternative eine zentrale Rolle. Dank des Drucks, den diese Kampagne erzeugte, musste der Bürgermeister der Demokraten inzwischen nachgeben. Seattle wird die erste Großstadt in den USA, in der ein regionales Lohnminimum von 15 Dollar eingeführt wird – allerdings verbunden mit einer je nach Konzerngröße gestaffelten „Anpassungsphase“.
Abstimmung im Bundestag
Seattle gibt eine Vorstellung davon, wie Abgeordnetenpositionen von Linken genutzt werden können. Es wäre wichtig, dass die Bundestagsfraktion der LINKEN jetzt Änderungsanträge an den Gesetzesentwurf zum Mindestlohn stellt: für eine Erhöhung auf zwölf Euro, für die Abschaffung aller Ausnahmen, für die sofortige Einführung in allen Bereichen und eine regelmäßige Anpassung an die Inflation.
Die Werbekampagne des DGB gegen die Ausnahmen ist ein Anfang. Die Gewerkschaften können und müssen ihre Möglichkeiten aber in einem ganz anderen Maße nutzen, um nicht nur vor Ausnahmen zu warnen, sondern – zusammen mit den sozialen Bewegungen und der Linkspartei – einen deutlich höheren Mindestlohn zu erkämpfen.
Der Mindestlohn vereint. Je mehr Menschen aus der Situation „arm trotz Arbeit“ herausgelangen, desto besser ist unsere gemeinsame Ausgangssituation als GewerkschafterInnen und linke AktivistInnen.