Lampedusa in Hamburg – Wo steht die Bewegung?

Foto: http://www.flickr.com/photos/rasande/ CC BY-NC 2.0
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Eine Zwischenbilanz

von Torben Böhm, Hamburg

Wenn auf SPD-Plakaten, die im Europa-Wahlkampf überall in der Stadt zu finden waren, von einem „sozialen Europa“ die Rede ist und von mehr „Chancen“ statt Arbeitslosigkeit gesprochen wird, so ist dies doch ziemlich zynisch, wenn gleichzeitig Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) rassistische Polizeikontrollen durchführen lässt, Flüchtlinge nicht arbeiten dürfen und abgeschoben werden. Die Gruppe „Lampedusa in Hamburg“ hat veranschaulicht, was für Politik hier gemacht wird.

Mittlerweile ist es über ein Jahr her, dass etwa 300 libysche Kriegsflüchtlinge in Hamburg eintrafen. Sie waren 2011 vor den NATO-Interventionen in Libyen geflohen und sind übers Mittelmeer nach Italien gekommen. Dort wurden ihnen nach der staatlichen Anerkennung als Flüchtlinge 500 Euro in die Hand gedrückt und klar gemacht, dass sie in Italien keine Zukunft haben, aber in Deutschland die wirtschaftliche Situation besser sei.

Nachdem die Männer ohne Arbeitserlaubnis und Anspruch auf Sozialhilfe mehrere Monate in Hamburg auf der Straße gelebt hatten, organisierten sie sich mit der Unterstützung unter anderem der „Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen“ als Gruppe „Lampedusa in Hamburg“ mit der Forderung für ein Bleiberecht und eine Arbeitserlaubnis. Gemeinsam mit vielen UnterstützerInnen ist es ihnen gelungen, die Debatte um Fluchtursachen und den Umgang mit Flüchtlingen in breite Teile der Gesellschaft zu tragen. Durch Aktionen und Demonstrationen hat „Lampedusa in Hamburg“ auf sich aufmerksam machen können.

Großproteste gegen Rassismus der SPD-Regierung

Nach der Bundestagswahl veranlasste die SPD-Regierung in Hamburg massive Polizeikontrollen zur Überprüfung von Ausweispapieren. Dabei wurden ausschließlich dunkelhäutige Menschen kontrolliert. Gespräche mit der Gruppe lehnte der Senat ab, sie sollten sich zuerst registrieren – und so bei ihrer eigenen Abschiebung mithelfen.

Als Reaktion darauf gab es am 2. November 2013 eine Großdemonstration mit weit über 10.000 Menschen. Diese Willkommenskultur drückte sich auch in weiteren gut besuchten Protestzügen aus, wie zuletzt am 1. März.

Am 12. Dezember 2013 gab es einen Schulstreik mit rund 5.000 TeilnehmerInnen. Linksjugend [’solid] spielte hier eine wichtige Rolle. Davon inspiriert blieben bald auch in Berlin viele Klassen leer: Am 13. Februar 2014 gingen 2.500 SchülerInnen auf die Straße, um für ein Bleiberecht für alle zu demonstrieren.

In anderen Städten war es in den letzten Jahren zudem zu Protesten von Flüchtlingen selbst gekommen. Durch Protestcamps und Hungerstreiks beispielsweise haben sie sich bemerkbar gemacht.

Problematik der Forderungen

„Lampedusa in Hamburg“ fordert die Anwendung von § 23 AufenthG auf ihre Gruppe – der Paragraf sieht eine Gruppenlösung (keine Einzellfallprüfung) für alle Mitglieder der Gruppe aus humanitären Gründen vor. Damit dieser Paragraf zur Anwendung kommt, versuchen sie immer wieder klar zu machen, dass sie Kriegsflüchtlinge sind. Es ist legitim, sich auf bestehende Gesetze zu berufen, um für die eigenen Rechte zu kämpfen und eine Anwendung von Paragraf 23 ist dafür der konkreteste Ansatz. Aber wenn sich die Argumentation jedoch explizit auf die Anwendung diese Paragrafen bezieht, besteht folgende Gefahr: Menschen, die vor Bürgerkrieg fliehen, können als „bessere“ Flüchtlinge gegenüber denjenigen, die vor Hunger und Armut fliehen, angesehen werden. Es kann also zu einer Spaltung zwischen Flüchtlingsgruppen kommen. Und dies nützt nicht den einzelnen Gruppen oder Flüchtlingen und auch nicht den legal hier lebenden Menschen.

Wir müssen deshalb für das Recht auf Arbeit und ein besseres Leben für alle hier Lebenden kämpfen. Und das geht nur gemeinsam. 85 Menschen besitzen weltweit so viel wie die finanziell untere Hälfte der Weltbevölkerung – dort müssen wir uns unsere Sozialleistungen, unseren Lohn, unsere Rente und die Finanzierung unserer Gesundheit und Ausbildung holen! Umso wichtiger ist es, eine gemeinsame Bewegung aufzubauen, die unabhängig von Herkunft und Aufenthaltsstatus ganz konkrete Verbesserungen erkämpft, dabei gleichzeitig aber auch die Grundlagen der kapitalistischen Spaltung und Ausbeutung angreift.