Hongkong: Was folgt auf die Demo vom 1. Juli?

HongkongDie Frontlinien verhärten sich, da die Massen Demokratie fordern. Regierung steigert unterdessen die repressiven Maßnahmen

Die diesjährige Demonstration in Hong Kong am 1. Juli, die sich gegen die Regierung richtete und auch unter der Formel „7.1“ bekannt ist, verzeichnete eine massive Beteiligung. Es handelte sich dabei um eine der größten Protestkundgebungen, die Ostasien in den letzten zehn Jahren gesehen hat. Die OrganisatorInnen sprechen von mehr als 500.000 TeilnehmerInnen, was der Beteiligung von 2003 entspricht.
von Vincent Kolo, chinaworker.info (Internetportal für China und Südostasien des „Committee for a Workers´ International“ CWI, dessen Sektion in Deutschland die SAV ist)

Damals war es zu einer Revolte gegen die repressive Gesetzgebung zur „nationalen Sicherheit“, den Artikel 23, gekommen. Es war die Geburtsstunde von „7.1“ als Tag der regierungskritischen Proteste. Viele TeilnehmerInnen gehen davon aus, dass sich in Wirklichkeit noch viel mehr Menschen in den Protestzug eingereiht haben. Manche sprechen von vielleicht 700.000 TeilnehmerInnen. Um 15.00 Uhr war es losgegangen, und der letzte Teil der Demo kam erst um 23.00h in der Nacht am Endpunkt der Kundgebung an.

Diese riesige Demonstration ist der jüngste Hinweis auf eine sich verschärfende politische Krise in Hong Kong. In den letzten Wochen war es zu einer regelrechten Welle an Massenprotesten gegen die Diktatur der chinesischen „kommunistischen“ Partei (KPC) gekommen und dagegen, dass diese es abgelehnt hat, in dem offiziell als „autonom“ geltenden Territorium demokratische Wahlen zuzulassen. Am 4. Juni waren 180.000 Menschen zusammengekommen, um den 25. Jahrestag des blutigen Massakers von 1989 auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking zu begehen.

Wenige Tage vor dem Protestzug „7.1“ beteiligten sich beinahe 790.000 Menschen an einem inoffiziellen „Bürger-Referendum“, das von der „Occupy Central“-Bewegung (dt.: „Besetzt das Zentrum!“) organisiert worden war. Es handelt sich dabei um eine übergreifende Kampagne, vor mehr als einem Jahr mit dem Ziel gegründet worden ist, im wichtigsten Finanzdistrikt von Hong Kong eine Besetzungsaktion mit Massenbeteiligung durchzuführen. Die führenden Köpfe dieser Bewegung waren selbst erstaunt, wie viele Wahlberechtigte sich an ihrer Initiative beteiligten. Sie waren zuvor davon ausgegangen, dass sich etwa ein Viertel der letztlich zustande gekommenen Anzahl beteiligen würde. Peking hat das Referendum hingegen als „illegale Farce“ abgetan.

Das KPC-Regime lehnt es ab, im Falle Hong Kongs politische Kontrolle abzugeben. Es fürchtet – nicht ohne Grund, dass ein Kontrollverlust über die Verwaltung Hong Kongs für ganz China von Bedeutung sein könnte und Motivation wäre für eine offene Revolte gegen die Ein-Parteien-Herrschaft. Einen Geschmack davon bekommen wir, wenn wir Berichte aus China und der Bewegung „Occupy Shenzhen“ und sogar „Occupy Tiananmen“ lesen (Shenzhen liegt am Pazifik und hat 10 Mio. EinwohnerInnen; Tiananmen ist der „Platz des himmlischen Friedens“ in Peking; Erg. d. Übers.). Zum jetzigen Zeitpunkt sind diese Berichte nur im Internet zu bekommen, das ein ganz wesentliches Forum für regierungskritische Meinungen in China geworden ist. Inspiriert wurden die „Besetzt den Platz des Himmlischen Friedens“- und die „Besetzt Shenzhen“-Bewegung von den Ereignissen in Hong Kong. In Online-Foren sind Kommentare zu finden, in denen gesagt wird, dass „Occupy Central“ aus Hong Kong ein Vorbild für „Occupy Tiananmen“ in der Zukunft ist. In Changsha, der sieben Mio. EinwohnerInnen großen Hauptstadt der chinesischen Provinz Hunan, entrollten Protestierende Spruchbänder in Solidarität mit dem inoffiziellen Referendum in Hong Kong. Darauf stand zu lesen: „Auch Hunan braucht ein Referendum“.

Wie die Gruppe „Socialist Action“ (Schwesterorganisation der SAV und Sektion des CWI in Hong Kong) prophezeit hatte, hat sich das Versprechen, dass der Chefadministrator von Hong Kong nach Jahren des Hinauszögerns 2017 in einer Wahl mit freiem und gleichem Wahlrecht (allgemeines Wahlrecht) bestimmt werden dürfe, nur als weiterer Trick der KPC herausgestellt. Peking besteht jetzt auf einem Nominierungsausschuss, der die Befugnis bekommen soll, KandidatInnen auszusuchen und somit den Ausgang der Wahl zu kontrollieren. Die derzeitige politische Krise folgt Jahrzehnten, die von gebrochenen Versprechungen gekennzeichnet sind: zuerst unter britischer Herrschaft und in den letzten 17 Jahren dann unter der chinesischen Diktatur. Letztere hat mit Lügen und Manövern gearbeitet sowie falsche Fährten ausgelegt, um die Forderungen nach freien Wahlen verstummen zu lassen.

Pekings Gesetzesvorlage

Jetzt, da der Kampf in die entscheidende Phase tritt und die Regierung von Hong Kong noch vor Jahresfrist ihr (bzw. Pekings) Modell für die 2017 stattfindenden Wahlen präsentieren wird, hat der Propagandakrieg der KPC gegen die Demokratiebewegung ein neues Ausmaß erreicht. Die „moderaten“ bürgerlichen Politiker der pro-demokratischen Parteien (die sogenannten Pandemokraten) und die „Occupy Central“-Bewegung, die in Wirklichkeit verzweifelt versucht, es nicht zu einem allgemeinen Kampf gegen sämtliche Missstände kommen zu lassen, werden von Peking als Agenten bzw. Handlanger „extremistischerer“ pro-demokratischer Gruppierungen und „anti-chinesischer Kräfte aus dem Ausland“ dargestellt.
In aktuellen Reden und Artikeln des Regierungssprechers wird vor den „gefährlichen Konsequenzen“ und einem harten Durchgreifen gewarnt. Pekings Vorgehen mit der Brechstange manifestiert sich auch in der Veröffentlichung einer beispiellosen Gesetzesvorlage hinsichtlich des Status von Hong Kong, die am 10. Juni veröffentlicht wurde und im Endeffekt auf eine Kriegserklärung gegen die Demokratiebewegung hinausläuft. In dieser Gesetzesvorlage werden die Grenzen der Autonomie Hong Kongs betont und erklärt, dass Peking den „Ausnahmezustand“ erklären (bzw. die direkte Herrschaft ausüben) kann. Selbst nach „7.1“ verkündeten die einflussreichsten unter den staatlichen Medien aus China, wie „unbeeindruckt“ sie von der massiven Beteiligung waren. Das von Peking abhängige Marionettenregime in Hong Kong verstärkte unterdessen die Repression und ließ DemonstrantInnen massenweise festnehmen. Die OrganisatorInnen der Demonstration wurden wegen kriminellen Verhaltens angeklagt.

In einem Kommentar des Chefredakteurs der Zeitung „Global Times“, einem Organ der KPC, zum Thema „7.1“ wurde davor gewarnt, dass Hong Kong „wie die Ukraine oder Thailand in einem Sumpf versinken könnte und alle möglichen Formen gefährlicher Phänomene wahr werden könnten“. Auch wenn die „Global Times“ für ihre kriegslüsternen Positionen bekannt ist, ist diese Bezugnahme auf Ereignisse wie den Bürgerkrieg oder einen Militärputsch nicht untypisch für den derzeit geführten Propagandakrieg.

Die in Hong Kong erscheinende Tageszeitung „Ta Kung Pao“, die der KPC nahesteht und vor kurzem einen Titelseitenartikel veröffentlicht hat, der als direkter Angriff gegen „Socialist Action“, das „Committee for a Workers´ International“ // „Komitee für eine Arbeiterinternationale“ (CWI; dessen Sektion in Deutschland die SAV ist) und den radikalen Abgeordneten der gesetzgebenden Kammer, „Long Hair“ Leung Kwok-hung, zu verstehen ist, fauchte gegen jene, die am oben erwähnten inoffiziellen Referendum teilgenommen haben: „Diese Wähler werden in Zukunft wahrscheinlich von ihrer eigenen Medizin kosten können und die ernsten Konsequenzen erfahren, wenn sie das Finanzzentrum verschmutzten und sozialen Unfrieden stiften. Die Polizei wird eine Menge zu tun bekommen und auch die Kräfte der Volksbefreiungsarmee in Hong Kong könnten hinzugezogen werden, um der Probleme Herr zu werden […]“.

Die Polizei von Hong Kong lässt diese Androhungen – auf Anweisung der Politik – wahr werden, wie sich an ihrem aggressiven Vorgehen an „7.1“ und den Folgetagen gezeigt hat.

Radikalisierung

In den vergangenen Wochen hat die harte Linie, für die die KPC sich entschieden hat, zu heftigen Gegenreaktionen geführt statt – wie intendiert – die nach Demokratie strebende Bevölkerung einzuschüchtern. Das liegt vor allen Dingen auch an dem politischen Debakel, das man mit einer Gesetzesvorlage erleben musste. Ein Ausdruck dessen ist die Teilnehmerzahl bei „7.1“; nicht nur, was die reine Anzahl der Beteiligten angeht sondern auch hinsichtlich der Atmosphäre. Die Menschen sind noch wütender und werden immer ungeduldiger. Gleichzeitig wächst – vor allem unter den jungen Leuten – die Kritik und der Widerstand gegenüber den pan-demokratischen Politikern, die vielen „zu behutsam“ sind und aus ihrer Sicht eine Eskalation des Kampfes verhindern oder auf einen unbestimmten Zeitpunkt in der Zukunft verschieben wollen. Wir von „Socialist Action“ haben am 1. Juli mit unseren Transparenten und Slogans ein hervorragendes Echo bekommen. Auf unseren Bannern stand zu lesen „Keine weiteren Verzögerungen!“, womit wir auf den sofortigen Beginn der Verhandlungen hinsichtlich des schon lange diskutierten Besatzungszustands drängen wollten. Außerdem hatten wir formuliert: „Für echte Demokratie – Nieder mit den Wirtschaftsmagnaten!“.

Auch die überaus positiven Ergebnisse der Spendenkampagne weisen eindeutig auf die wachsende Unzufriedenheit mit der Rolle der „moderaten“ Pan-Demokraten hin. Das ist ein wichtiger Aspekt bei einer jeden „7.1“-Demonstration und für einige der teilnehmenden Gruppen und Organisationen die wichtigste Quelle über das gesamte Jahr, um finanzielle Unterstützung zu bekommen. Die „moderaten“ pan-demokratischen Parteien verzeichneten allesamt niedrigere Spendeneinnahmen als noch im Jahr zuvor, obwohl dieses Jahr mehr Menschen auf die Straße gegangen waren. Die Ergebnisse im Einzelnen: „Civic Party“ (410.000 Hong Kong-Dollar), „Labour Party“ (180.000 HK-$) und die „Democratic Party“ (200.000 HK-$). In Gegensatz dazu kam die radikalere „Liga der Sozialdemokraten“ (LSD), deren Frontmann „Long Hair“ eine vierwöchige Gefängnisstrafe absitzt und deshalb nicht an der Demonstration teilnehmen konnte, auf 930.000 HK-$. Das ist fast das Doppelte von dem, was die Partei im vergangenen Jahr sammeln konnte. Getoppt wurde dieses Ergebnis nur noch von der Bewegung „Occupy Central with Love and Peace“ (OCLP). Sie kam auf beinahe 1,4 Millionen HK-$. Obwohl ihre führenden VertreterInnen enge Verbindungen zu den „moderaten“ Pandemokraten pflegen und auch zu deren versöhnlerische Position neigen, wird die OCLP-Bewegung in der bevorstehenden Phase des Kampfes als wichtigste Kraft angesehen.

Den Fehdehandschuh hinwerfen …

Nicht nur gegenüber Peking nimmt die Ungeduld und Frustration zu sondern auch, was die Herangehensweise der führenden Köpfe der OCLP-Bewegung angeht, die den Kampf bremsen. Dieser Druck kam auch in der Entscheidung studentischer Gruppierungen zum Ausdruck, nach Ende des „7.1“-Marsches eine symbolische „Probe“-Besetzung im Stadtzentrum zu initiieren. Ihre Initiative wurde von den führenden VertreterInnen der OCLP-Bewegung gerügt. Dr. Chan Kin-man sagte in diesem Zusammenhang, man hoffe, dass keine Gruppe mit „Probe“-Aktionen beginne. Die Position der OCLP-VertreterInnen ist es, dass die Bewegung abwarten muss, bis das Angebot der Regierung vorliegt, das im Laufe dieses Jahres erwartet wird. Dabei ist nicht nur klar, dass die Regierung auf der Vorrangstellung ihres Nominierungsausschusses bestehen und die Forderung nach einer „Nominierung durch die Öffentlichkeit“ (sprich: dem Recht einer/s jeden, einfach kandidieren zu dürfen) übergehen wird. Der Ansatz der OCLP-VertreterInnen spielt darüber hinaus mit der Gefahr, dass die günstige Gelegenheit, die zur Zeit für die Bewegung besteht, ungenutzt vorüberzieht. Vor allem gilt dies für die letzten Wochen, in denen der Regierung freie Hand gelassen wurde, um eine Kampagne aus übler Propaganda und zunehmender Repression zu führen.

Die Signale, die von der Regierungsseite ausgehen, sind klar: Bei der Besetzungsaktion der Studierenden hat die Polizei von Hong Kong 511 Personen verhaftet. Es ist das erste Mal seit der Übergabe an China im Jahr 1997, dass so viele TeilnehmerInnen einer Protestaktion in Gewahrsam genommen wurden. Unter den Verhafteten waren auch die Genossin Sally Tang Mei-ching und der Genosse Nathan Leung von „Socialist Action“. Die umfassende Polizeioperation und die auffallend aggressiven Methoden, die dabei zur Anwendung kamen, waren gedacht, um eine politische Botschaft auszusenden. Die Polizei hat den Gebrauch von „Druckluft-Waffen“ zugegeben, mit denen DemonstrantInnen punktuell betäubt werden können, die übrigens nur auf dem Boden gesessen und keinerlei Gewalt angewendet haben. Hernach wurden sie dann abgeführt. Über Lautsprecher hat die Polizei wiederholt die JournalistInnen ermahnt, den Ort zu verlassen. Das war nichts anderes als ein offensichtlicher Angriff auf die Pressefreiheit, was nach den jüngsten Versuchen der Regierung, die Medien zu knebeln, für sich genommen schon ein ganz wesentlicher Aspekt in Hong Kong ist. RechtsanwältInnen beschwerten sich außerdem darüber, dass ihnen der Zugang zu den Verhafteten verweigert wurde, was rechtswidrig ist.

Den meisten Festgenommenen wurde bei ihrer Entlassung eine Verwarnung ausgesprochen (wörtlich lautete der Vorwurf: „gesetzeswidrige Versammlung“ und „Sabotage“), was später nach Ermessen der Polizei weiter verfolgt werden kann. 25 der Verhafteten wurden auf Kaution auf freien Fuß gesetzt. Die Taktik der von der Regierung ausgesendeten Polizei ist jedoch erneut nach hinten losgegangen, weil die von den Studierenden angeführte „Probe“-Besetzungsaktion viel Zuspruch aus der Bevölkerung bekommen hat. Dadurch wurde somit auch der Druck auf die führenden VertreterInnen der OCLP-Bewegung erhöht, mit ihrer Politik der verdrehten Tatsachen Schluss zu machen.

An den Folgetagen sind dann  fünf der OrganisatorInnen der „7.1“-Demonstration verhaftet worden. Ihnen wurde „Nicht-Befolgung von Polizeianweisungen“ zur Last gelegt. Man hielt ihnen vor, den Protestzug „zu langsam“ angeführt zu haben! Das steht für eine beispiellose Attacke auf die jedes Jahr stattfindende „7.1“-Demonstration, die der Regierung von Hong Kong sowie der KPC-Diktatur ein Dorn im Auge geworden ist. Unter denen, die gegen das Vorgehen der Polizei protestiert haben, ist auch „Long Hair“, der gerade erst aus der Haft entlassen wurde: „Ich bin 26 Tage lang inhaftiert gewesen und ich sehe die draußen vor sich gehenden Veränderungen. Dadurch wird Hong Kong immer mehr zu einem großen Gefängnis“.

Diese Methoden gehören zur üblichen Praxis der Sicherheitskräfte in Festland-China, für Hong Kong bedeutet dies hingegen eine völlig neue Entwicklung, und es steht für eine kontinuierliche Eskalation der repressiven Methoden durch den Staat. Das Ziel dahinter ist es, die Öffentlichkeit und auch die unteren Ränge der Polizei an eine „neue Normalität“ zu gewöhnen, zu der die aggressive Kontrolle von regierungskritischen Protesten zählt. Von den Massen in Hong Kong wird dies hinlänglich als Tendenz zur „Chinaisierung der Polizei“ betrachtet.

Die Regierung von Hong Kong wie auch die kapitalistische Elite bereiten sich daher (von Pekings angestachelt) auf die Intensivierung des Kampfes für die Demokratie vor, indem sie den Fehdehandschuh in den Ring werfen und die eiserne Faust auspackt. Die Strategie des Regimes besteht darin, den Druck auf die „moderaten“ pan-demokratischen Vertreter und die führenden Figuren der OCLP-Bewegung zu erhören. Dies geschieht dadurch, dass sie beschuldigt werden, zu „Gewalt“ anzustacheln und „Chaos“ zu verursachen, um auf diese Weise eine Spaltung der Bewegung in die Wege zu leiten. Dabei hofft man die Bewegung zu verwirren und sie ihrer Dynamik zu berauben, indem man einen Teil ihrer Führungsriege dazu bekommt, eine Vereinbarung mit der Regierung einzugehen, was natürlich nur unter den Bedingungen Pekings geschehen soll.

SozialistInnen und der Kampf für Demokratie

„Socialist Action“ hat sich seit ihrer Gründung vor fast anderthalb Jahren aktiv in die „Occupy Central“-Bewegung eingebracht. Dasselbe gilt auch für den breiter aufgestellten Kampf um Demokratie. Wir kämpfen zwar um jeden Schritt hin zur Demokratie und treten selbst für kleine Reformen ein. Dennoch kritisiert „Socialist Action“ die begrenzte und auf Kompromisse ausgerichtete Strategie und das Programm der pan-demokratischen Führung. Wenn er am Ende erfolgreich sein soll, dann muss der Kampf für die Demokratie mit dem Ansatz geführt werden, von der gesellschaftlichen Klasse aus zu denken. Die Forderungen nach Demokratie müssen verbunden werden mit dem Hinweis darauf, dass der Kapitalismus und dessen desaströse Folgen für die Gesellschaft abgeschafft werden muss. Hong Kongs Kampf um Demokratie kann außerdem nur dann erfolgreich sein, wenn er mit dem Kampf der Massen in China verbunden wird. Das gilt in erster Linie für den langsam erwachenden Riesen, die Arbeiterschaft Chinas. So kam es dort im April dieses Jahres zum größten Streik von FabrikarbeiterInnen seit 30 Jahren.

„Socialist Action“ betont auch, dass Besetzungsaktionen an sich noch nicht ausreichen, um die Diktatur Chinas bezwingen zu können. Sie können aber natürlich eine gute Grundlage sein, um davon ausgehend den massenhaften Kampf zu beginnen und eine Bewegung aufzubauen. Es ist eine Strategie nötig, um den Kampf auszuweiten und zu effektiveren Mitteln zu kommen. Dazu zählen auch Studierendenstreiks wie beim „Sonnenblumen-Protest“ in Taiwan. Das kann ein Ansporn für die ArbeiterInnen sein, dass diese sich ebenfalls organisieren und zu Streikaktionen mobilisieren. Dies ist vor allem deswegen wichtig, weil die Möglichkeit besteht, dass staatliche Repression  eingesetzt wird, um eine Besetzung beenden zu versuchen. Dabei wird man anfangs wahrscheinlich auf Gruppierungen zurückgreifen, die Peking wie fanatisch als Freiwillige Folge leisten.

Die Entscheidung der führenden Köpfe der „Occupy Central“-Bewegung (die ohne eine wirklich demokratische Debatte zustande kam), die Kampagne in „… mit Liebe und Frieden“ umzubenennen, zeigt leider, dass man dazu übergegangen ist, den Kopf in den Sand zu stecken anstatt sich den für den Kampf wichtigen Fragen zu widmen. Es ist vielmehr das Signal aus „Hass und Krieg“, das aus Peking und von Seiten der Regierung in Hong Kong kommt, mit dem gezeigt werden soll, dass man durchaus bereit ist, den repressiven Weg zu gehen. Dazu zählt auch der mögliche Einsatz der chinesischen Armee („Volksbefreiungsarmee“) – das ist es, was gesagt werden muss!

In Kürze wird auf der Webseite www.chinaworker.info ein Artikel erscheinen, der sich mit der Frage beschäftigt, wie der Kampf für die Demokratie vorangebracht werden kann, der das Programm der wichtigsten pan-demokratischen Kräfte unter die Lupe nimmt und sich der Gefahr eines möglichen harten Durchgreifens sowie des Potentials für soziale und politische Unruhen in China widmet.