Kriegserklärung gegen den Klimawandel

Foto: https://www.flickr.com/photos/oxfam/ CC BY-NC-ND 2.0
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Dieser Artikel erschien zuerst in englischer Sprache auf der englischsprachigen Webseite www.socialistparty.co.uk

Dass die globale Erwärmung immer schneller voranschreitet, wird mehr und mehr zur Bedrohung für die nationale Sicherheit der USA, so die Schlussfolgerung eines führenden, mit Bundesmitteln finanzierten militärischen Forschungszentrums

von Manny Thain; aus: Socialism Today, dem Monatsmagazin der „Socialist Party“ (Schwesterorganisation der SAV und Sektion des CWI in England & Wales)

Der Bericht mit dem Titel „National Security and the Accelerating Risks of Climate Change“ (dt.: „Nationale Sicherheit und die zunehmenden Risiken durch den Klimawandel“), der im Mai dieses Jahres vorgelegt wurde, ist von den 16 pensionierten Drei- und Vier-Sterne-Generälen und -Admirälen verfasst worden, die gemeinsam den „Militärischen Beirat“ beim „Zentrum für Analysen im Marinewesen“ stellen.

Dieser Beirat identifizierte, die auf den Klimawandel zurückzuführende Dürre im Nahen Osten und Afrika als Quelle für Konflikte um Nahrung und Wasser sowie als Basis für zunehmende regionale und ethnisch begründete Spannungen. Er warnt vor potentieller Instabilität durch Flüchtlingsbewegungen, die aufgrund des steigenden Meeresspiegels die Küstenregionen verlassen müssen. Als Beispiele genannt werden in diesem Zusammenhang Ost-Indien, Bangladesch und das Mekong-Delta in Vietnam. Außerdem wird auf Schäden hingewiesen, die wegen zunehmender extremer Wetterverhältnisse an Marinestützpunkten und Militärbasen auftreten können.

Bei diesem Bericht handelt es sich um die aktualisierte Fassung der Ausgabe von 2007, der ersten umfassenden Studie, in der der Klimawandel und das, was in der Politiker-Fachsprache als „nationale Sicherheit“ bezeichnet wird, in einen Zusammenhang gestellt wurde. Seitdem kann sich eigentlich niemand mehr gegen die wissenschaftlichen Belege für den Klimawandel wehren. 2007 beschrieb der Beirat den Klimawandel noch als einen „Bedrohungskatalysator“, der bestehende Ursachen für globale Spannungen noch zuspitzen könnte. Die aktuelle Ausgabe des Berichts macht noch eindringlicher auf bestehenden Handlungsbedarf aufmerksam, indem darin ergänzt worden ist, dass die Folgen des Klimawandels in anfälligen Regionen der Welt wie ein „Katalysator für Konflikte“ wirken werden (Coral Davenport, „New York Times“, 13. Mai).

Entgegen früher geäußerter Bedenken, was die „nationale Sicherheit“ angeht, steht im aktuellen Bericht, dass der Klimawandel zu multiplen, lang anhaltenden Krisen führen kann, die zeitgleich auftreten können. Die Welt muss sich auf „mehr Armut, zunehmende erzwungene Migrationsbewegungen, höhere Arbeitslosigkeit“ vorbereiten, und diese Bedingungen sind „statthaft“ für Extremisten (Renee Lewis, „Al Jazeera“, 14. Mai). Ein Beispiel, das angefügt wird, ist die Ausdehnung der Sahara-Wüste auf den Staat Mali. Dadurch wird Getreide vernichtet, was die Hunger-Situation verschlimmern wird. Der Bericht sagt auch aus, dass dieser Prozess in dem afrikanischen Land wahrscheinlich verstärkt zum Aufkommen von bewaffneten (rechtsgerichteten) Einheiten des politischen Islam im Jahr 2012 geführt hat.

Die Bedrohungssituation wird aber nicht nur auf internationaler Ebene gesehen. Bereits im Mai veröffentlichte das „Weiße Haus“ einen Klima-Auswertungsbericht, in dem steht, dass Norfolk (Bundesstaat Virginia) eine der Städte ist, die am meisten vom Anstieg des Meeresspiegels betroffen sind. Hier befindet sich die weltgrößte Marinebasis, zu der auch eine Werft für Atom-U-Boote gehört.

Der „Militärische Beirat“ bringt auch das Argument, dass extreme Wetterkapriolen durch den steigenden Meeresspiegel noch verschärft und daher vermehrt zu Hilfseinsätzen des Militärs führen werden. Dabei könnten die Überschwemmungen das Militär sogar daran hindern, wie sonst üblich eingreifen zu können. Admiral Donald L. Pilling, ehemaliger stellvertretender Chef für Marineoperationen, führt in dem Bericht aus, dass Schiffe eventuell weiter nach Norden verlegt werden müssten, um Schäden durch Hurrikane zu vermeiden. Dadurch könnten auch Wartungspläne durcheinandergebracht werden. Er fügte hinzu, dass der Hurrikan Katrina im Jahr 2005 auf dem Marinestützpunkt in Pascagoula (Bundesstaat Mississippi) Reparaturkosten in Höhe von mehreren Milliarden Dollar verursacht hat.

Der fünfte Bericht des „Weltklimarats der Vereinten Nationen“ (IPCC), der im Oktober 2013 veröffentlicht wurde, sagt aus, dass der Meeresspiegel als Folge der globalen Erwärmung, die auf den Ausstoß von Treibhausgasen zurückzuführen ist, bis zum Jahr 2100 um bis zu einem Meter steigen könnte. Diese Einschätzung ist vom Autor, dem IPCC, und im Wissenschaftsmagazin „Quaternary Science Reviews“ mittlerweile revidiert worden. Die Annahme der ExpertInnen zum Thema „Anstieg des Meeresspiegels“ für die Jahre bis 2100 bzw. 2300 lautet: bis zu zwei Mal höherer Anstieg bis Ende des Jahrhunderts. Ein Anstieg um „nur“ einen Meter würde zum Untergang weiter Teile Miamis, von Fort Myers und den Everglades sowie der Inselgruppe der Keys in Florida führen.

Bezugnehmend auf den Bericht des „Militärischen Beirats“ sagte John Conger, stellv. Staatssekretär für Aufbau und Umwelt im Pentagon: „Die Abteilung stimmt zweifelsohne darin überein, dass der Klimawandel auch Folgen für die nationale Sicherheit hat – entweder durch zunehmende globale Instabilität, das Aufbrechen des arktischen Eises oder aufgrund des steigenden Meeresspiegels und von Sturmfluten in Küstennähe“. Was er noch hinzufügte, klingt da schon unheilvoller: „Wir arbeiten intensiv daran, Überlegungen hinsichtlich des Klimawandels voll und ganz in unsere Handlungsplanungen einzubeziehen, um die Bereitschaft und Zuverlässigkeit unserer Kräfte sicherstellen“ (New York Times, 13. Mai).

Im März veröffentlichte das Pentagon seinen eigenen, alle vier Jahre aufgelegten, Verteidigungsbericht, der auch im Artikel von Coral Davenport zitiert wird: „Diese Folgen wirken auf die Bedrohungslage wie ein Katalysator, der die Stressfaktoren von außen weiter verstärken wird. Gemeint sind Problemlagen wie Armut, Umweltzerstörung, politische Instabilität und soziale Spannungen. Das sind Bedingungen, die die Aktivität von Terroristen und andere Formen von Gewalt befördern können“. Natürlich wird die Welt in diesen Berichten durch die verzerrte Brille der bewaffneten Kräfte betrachtet. Obwohl eine Verbindung zwischen der globalen Erderwärmung und dem Anstieg der Armut sowie politischen bzw. sozialen Unruhen hergestellt wird, läuft die daraus gezogene Schlussfolgerung lediglich auf ein militärisches Eingreifen hinaus.

Allem Anschein nach handelt es sich um eine konzertierte Aktion der obersten Ränge des Militärs – in Zusammenarbeit mit ihren Freunden aus der Waffenindustrie und von privaten Sicherheits- und Logistikunternehmen, die schon n den Startlöchern stehen. Es besteht kein Zweifel, dass die inhaltliche Verbindung von globaler Erderwärmung mit dem Thema „nationale Sicherheit“ auf höchster Ebene als „Verhandlungsargument“ (oder Pistole auf der Brust) eingesetzt wird, um immer höhere Militärausgaben einzufordern. Im Prinzip wird damit den Folgen der Klimakatastrophe der Krieg erklärt. Das ist natürlich blanker Wahnsinn und kann nur zu einer sich beschleunigenden Spirale aus Instabilität und Konflikten führen. Nur eine Welt, die auf internationaler Solidarität basiert und in der die Naturreserven demokratisch verteilt werden, kann uns vor einem solchen katastrophalen Szenario bewahren. Dazu bedarf es allerdings der sozialistischen Transformation der Gesellschaft – weltweit.

Auch wenn die bewaffneten Kräfte der USA von Zeit zu Zeit mobilisiert werden können, um bei Überflutungen Deiche und Dämme zu sichern oder im Falle von Umweltkatastrophen mit logistischer Unterstützung zu helfen, besteht ihr strategisches Ziel darin, für die „nationale Sicherheit“ einzutreten. Das bedeutet in der Praxis, die Interessen des US-Kapitalismus zu verteidigen. Sicher ist, dass die enormen Finanzmittel, die zum Aufbau und für den Unterhalt der von Conger beschriebenen „einsatzbereiten Kräfte“ nötig sind, nicht dazu dienen, die Erderwärmung aufzuhalten oder gar rückgängig zu machen. Auch die weitreichenden wirtschaftlichen und sozialen Folgen, die der Klimawandel mit sich bringen wird, werden dadurch in keinster Weise angegangen. Diese Mittel werden kurzfristig noch nicht einmal dazu benutzt, um Maßnahmen zu befördern, mit denen die schlimmsten und unmittelbarsten Folgen des globalen Klimawandels gelindert werden könnten.

Bei den Menschen, die in absehbarer Zeit das höchste Risiko haben, Opfer der Folgen des Klimawandels zu werden, handelt es sich heute um die ökonomisch gesehen ärmsten Menschen der Welt. Sie leben in den Regionen, die vom „Militärischen Beirat“ namentlich benannt werden. Demütigende Armut und Verzweiflung, Unterdrückung und Benachteiligung machen den Boden fruchtbar, auf dem terroristische Gruppierungen gedeihen können. Das ist aber nicht das einzige Thema, das dem Pentagon wichtig ist. Die vage Formulierung von den „anderen Formen von Gewalt“ kann auch bedeuten, dass eine neue Runde von Aufständen erwartet wird, wie wir sie in den Jahren 2010 und 2011 in Tunesien und Ägypten erleben durften. Es könnten auch Geschehnisse gemeint sein, die Folgen auch für US-amerikanische Konzerne haben, oder Proteste gegen proamerikanische Regime, von denen einige als extrem reaktionär zu bezeichnen sind. Im Prinzip kann also jedes dieser Beispiele unter der Überschrift „Bedrohung für die nationale Sicherheit“ eingeordnet werden.

Darüber hinaus sei die Frage gestattet, warum diese Logik nur für andere Länder gelten sollte. Als der Hurrikan Katrina wütete und die ärmsten, hauptsächlich von AfroamerikanerInnen bewohnten Landstriche verwüstet wurden, bestand die wesentliche Aufgabe der bewaffneten Kräfte darin, das Eigentum der Banken und Konzernen zu schützen. Sie standen „Gewehr bei Fuß“ für den Fall einer offenen Revolte gegen die schrecklichen Bedingungen, unter denen die Menschen zu leiden hatten. Ein solches Szenario könnte in der Zukunft durchaus Realität werden – vor allem dann, wenn sich die Kluft zwischen Arm und Reich weiter vergrößert und in Regionen, in denen die Arbeiterklasse, die verarmten Schichten und diskriminierte Bevölkerungsteile in zunehmendem Maße sozial ausgeschlossen und marginalisiert werden.

Die Militärberichte und -analysen sind zwar ein Ausdruck der Befürchtungen des US-amerikanischen Kapitalismus (und anderer imperialistischer Mächte). Sie widerspiegeln aber auch die Heuchelei ihrer Führungsebene. Die Regierungen der USA und Großbritanniens sind 2003 ohne Rechtsgrundlage gegen den Irak zu Felde gezogen und haben hunderttausende Irakerinnen und Iraker ums Leben gebracht. Das beförderte das Anwachsen bewaffneter, rechtsgerichteter und sektiererischer Kräfte im gesamten Nahen Osten und in Afrika. Unterdessen hat die extrem neoliberal ausgerichtete Wirtschafts- und Sozialpolitik, die der Welt von den dominierenden Mächten aufgezwungen wird, dazu geführt, dass die aussichtslose Armut und Verzweiflung sich auf Millionen von Menschen ausweitet. Vermengt sich in den neokolonialen Ländern diese Situation mit der endemischen Korruption der dortigen politischen Eliten (die allzu oft von den imperialistischen Mächten eingesetzt und gestützt werden), so steht am Ende ein äußerst instabiles Gemisch. Auf dieser Grundlage entstehen Bedingungen, die Menschen in die Arme reaktionärer Gruppen treiben.

Die Berichte des Pentagon und des „Militärischen Beirats“ folgen den Aussagen des IPCC und anderer Institutionen. Sie stellen eine energische Warnung für die Welt dar: Der Klimawandel findet statt, seine Folgen sind bereits spürbar und die größte Armee der Welt rüstet auf. Die kapitalistische Welt wird noch gefährlicher für Leib und Leben. Diese Aussage trifft nicht nur auf einer Ebene zu. In der Tat: Die Lage verschärft sich.