Gewerkschafter debattieren über Weg zu personellen Mindeststandards in Krankenhäusern
Beim grundlegenden Ziel sind sie sich einig: In den Krankenhäusern müssen flächendeckend personelle Mindeststandards eingeführt werden – verbindlich festgeschrieben per Gesetz, so die rund 150 Teilnehmer des von der Linksfraktion im Bundestag organisieren Ratschlags “Pflege am Boden?” Ende vergangener Woche in Kassel. Darüber, wie dies am besten zu erreichen ist, gehen die Meinungen allerdings auseinander.
von Daniel Behruzi
Anlass der Debatte ist der kürzlich erzielte Tarifkompromiss an der Charité. In dem Berliner Uniklinikum ist es ver.di erstmals gelungen, dem Personalabbau per Tarifvertrag einen Riegel vorzuschieben und die Einstellung von zusätzlichen 80 Vollkräften in der Pflege durchzusetzen. Die Vereinbarung gilt nur bis Jahresende und beinhaltet die Möglichkeit, Anfang kommenden Jahres weitere Verbesserungen zu erreichen.
In ihrem Grußwort an die Teilnehmer des Linke-Ratschlags beglückwünschte Sylvia Bühler vom ver.di-Bundesvorstand die Aktivisten der Charité “für ihren großartigen Kampf”. Dieser habe “geholfen, die öffentliche Aufmerksamkeit auf das Problem des Personalmangels in den Kliniken zu lenken”. Allerdings sei es in vielen Häusern schwierig, derartige Tarifbewegungen aufzubauen. »Ziel müssen einheitliche Personalstandards in allen Kliniken sein, daher braucht es eine gesetzliche Regelung«, betonte die Leiterin des ver.di-Bundesfachbereichs Gesundheit.
“Wir dürfen die Politik nicht aus der Verantwortung lassen”, erklärte Bühler. Um dem Ziel eines Gesetzes zur Personalbemessung näherzukommen, sei “Druck aus den Betrieben und von der Straße” nötig, aber auch “Lobbyarbeit von oben und unten”. Letzteres habe immerhin dazu geführt, dass der Koalitionsvertrag von Union und SPD unter anderem die Formulierung enthält, das ärztliche und pflegerische Personal dürfe “nicht über Gebühr belastet” werden. “Das ist für uns ein Ansatzpunkt”, sagte Bühler.
Thomas Böhm vom ver.di-Landesbezirksvorstand Baden-Württemberg war mit den Planungen von Union und SPD in seinem Vortrag zuvor hingegen heftig ins Gericht gegangen. Zum Thema Personalbemessung enthalte der Koalitionsvertrag nichts Konkretes, obwohl sich die SPD im Wahlkampf öffentlich dafür ausgesprochen hatte. Das Versprechen, Pflegeleistungen in den Fallpauschalen (DRG) besser abzubilden, sei keine Verbesserung. Wenn nicht zusätzliches Geld aufgewendet werde, ändere sich dadurch höchstens die relative Verteilung zwischen den DRG.
Nadja Rakowitz vom Verein demokratischer Ärztinnen und Ärzte (vdää) betonte, die Ziele der tariflichen und gesetzlichen Personalbemessung dürften nicht gegeneinander ausgespielt werden. Sie plädierte dafür, dass andere Krankenhausbelegschaften dem Beispiel der Charité folgen und ebenfalls Tarifkonflikte beginnen – auch um den Druck auf den Gesetzgeber zu erhöhen. Ebenso argumentierte Carsten Becker, Sprecher der ver.di-Betriebsgruppe am Berliner Uniklinikum. “Wir brauchen eine gesetzliche Regelung, um Verbesserungen für alle Beschäftigten in allen Kliniken zu erreichen”, sagte er. “Aber wie kommen wir da hin? Mit gutem Zureden ist da nicht viel zu haben.”
Carsten Becker forderte, möglichst viele betriebliche “Brandherde” zu legen. “Wir sollten die tarifliche Personalbemessung da durchsetzen, wo wir es können – und damit auch den Druck auf politischer Ebene steigern.” Seine Kollegin Ulla Hedemann ergänzte: “Je mehr Krankenhäuser mitmachen, umso größer ist der Druck auf die Politik.” Beide Forderungen stünden daher keineswegs im Widerspruch zueinander.
Das machte auch der gesundheitspolitische Sprecher der Linksfraktion, Harald Weinberg, mit einem Vergleich zum Mindestlohn deutlich: Dieser sei vor Jahren nur von ver.di, NGG und Linkspartei gefordert und zunächst in einzelnen Branchentarifverträgen durchgesetzt worden. Inzwischen habe sich der Druck so verstärkt, dass ein Mindestlohngesetz im Bundestag zur Abstimmung steht.