Nicht Informationen für, sondern von den UserInnen zählen
„Wir haben Angst vor Google“, schrieb Axel-Springer-Chef Mathias Döpfner
in der FAZ. Justizminister Heiko Maas (SPD) denkt laut über Maßnahmen gegen Google nach.
von Jan Hagel, Parchim
90 Prozent aller Suchanfragen im Internet laufen in Deutschland (und Europa) über Google, ein Großteil der UserInnen gibt quasi nie eine Internetadresse direkt im Browser ein, sondern erreicht jede Seite über einen „Zwischenstopp“ bei Google. Weitere Google-Dienste – vor allem YouTube, aber auch Gmail oder Blogger beziehungsweise Blogspot – gehören in ihren jeweiligen Sparten zu den Marktführern. Insgesamt hat kein anderes Unternehmen im Internet eine ähnliche Marktmacht wie Google.
Werbe- oder IT-Unternehmen?
Obwohl dessen Dienste für die UserInnen in aller Regel kostenlos sind, hat der Konzern im Jahr 2013 einen Umsatz von 43 Milliarden Euro erwirtschaftet. Davon wurden circa 62 Prozentnach eigenen Angaben durch die Einblendung von Werbung in Googles eigenen Internet-Diensten erzielt, circa 21 Prozent durch den Verkauf von Werbeflächen auf anderen Webseiten. Google gehört also eigentlich eher zur Werbe- als zur IT-Branche.
Auf einem Großteil aller Web-Seiten wird Werbung eingeblendet, die von Google verwaltet wird. Der Konzern verkauft die Werbeflächen und steuert, welchem User welche Anzeigen, Banner oder Popups eingeblendet werden. Neben der schieren Anzahl der erreichten UserInnen ist diese Auswahl das wichtigste Verkaufsargument von Google für seine Werbekunden.
Datenkrake
Google verspricht den werbenden Unternehmen, für jeden User genau die zu dessen Konsuminteressen passende Werbung einzublenden. Daraus ergibt sich, dass Google die Interessen der UserInnen kennen möchte. Diese versucht der Konzern aus dem jeweiligen individuellen Internet- und Handy-Nutzungsverhalten zu ermitteln. Zu diesem Zweck werden gigantische Datenmengen gesammelt. Alle Suchanfragen werden ebenso protokolliert wie die auf YouTube gesehenen Videos, mit Gmail versandte Mails werden ausgewertet und vor einigen Jahren wurden die Benutzer-Accounts für alle Google-Dienste vereinigt, so dass Google jetzt zu jedem Account sofort auf die mit jedem seiner Dienste gesammelten Daten zugreifen kann.
Ganz neue Töne aus Regierungskreisen
Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel und Justizminister Heiko Maas (beide SPD) sprachen im Mai und Juni von staatlichen Maßnahmen gegen die Vormachtstellung des Konzerns, Gabriel sprach sogar von „Zerschlagung“ – ungewohnte Töne aus einer bürgerlichen Regierung, der das Privateigentum von Konzernen normalerweise heilig ist.
Ein wesentlicher Hintergrund dazu findet sich in den Argumenten des Springer-Chefs Döpfner gegen Google: Der gesamte Werbemarkt im Internet sei von Google abhängig und vor allem bezahle Google den Verlagen keine Nutzungsgebühren für die Ausschnitte aus Artikeln auf deren Seiten, die in den Suchergebnissen angezeigt werden. Der Springer-Verlag, der angesichts sinkender Verkaufszahlen seiner Zeitungen versucht, mit seinen Websites mehr Geld zu verdienen, betrachtet Google dabei als Hindernis und Konkurrenten. Das gilt ebenso für diverse Unternehmen der Verlags-, IT- und Werbebranche.
Um in der Bevölkerung Unterstützung zu finden, greift die Konkurrenz Vorbehalte gegen die Datensammlung durch Google und die Zensurmöglichkeiten, die das Beinahe-Monopol auf Suchmaschinen bietet, auf. Letztlich geht es ihnen aber um die Maximierung des eigenen Profits. Und da es sich um eine Auseinandersetzung zwischen deutschen Konzernen und einem US-amerikanischen Konzern handelt, springen deutsche Minister „ihren“ Kapitalisten gerne bei – zumindest verbal.
In der Praxis erscheint eine Zerschlagung oder „Entflechtung“ schon deshalb extrem unwahrscheinlich, weil die deutsche Regierung einen von den USA aus operierenden Konzern kaum zerschlagen kann. Es dürfte allenfalls zu „Regulierungsmaßnahmen“ der EU-Kommission reichen, die verhindern sollen, dass Google-eigene Angebote in den Suchergebnissen allzu weit vor denen der europäischen Konkurrenz auftauchen – ein Unterschied, der die übergroße Mehrheit der UserInnen kaum interessieren dürfte.
It’s the system, stupid
Aus Sicht der UserInnen gehören Gewinnstreben und Datensammelwut zu den Hauptproblemen mit Google. Die gigantische Ermittlung persönlicher Daten wird maßgeblich dadurch ermöglicht, dass sich die gesamte Infrastruktur des Internets im Besitz von intransparenten Privatunternehmen befindet.
Nötig ist hingegen eine Internet-Infrastruktur, die im Interesse der UserInnen und nicht der Profite betrieben wird. Dazu gehören Suchmaschinen, soziale Netzwerke, Videoportale, die in öffentlicher Hand sind und demokratisch kontrolliert und verwaltet werden. User-Daten sollten nur zur Bereitstellung und Verbesserung der angebotenen Leistungen und nur bei expliziter Zustimmung gesammelt werden dürfen. Sie müssen für den User jederzeit einseh- und löschbar sein. Bei Suchergebnissen und bei der Anzeige in sozialen Netzwerken darf es keine Bevorzugung von Seiten und Artikeln bestimmter finanzkräftiger Werbepartner geben.