Thüringen vor der Landtagswahl
Am 14. September finden in Thüringen und Brandenburg Landtagswahlen statt. In Brandenburg will DIE LINKE als Juniorpartnerin der SPD weiterhin regieren, auch wenn sie dort soziale Verschlechterungen mitgetragen und Federn gelassen hat. In Thüringen sieht Bodo Ramelow die Chance, an der Spitze eines rot-roten oder rot-rot-grünen Bündnisses der erste LINKE-Ministerpräsident der Bundesrepublik zu werden.
von Heino Berg, Göttingen
Den jüngsten INSA-Umfragen vom 8. August zufolge kommt DIE LINKE in Thüringen auf 26, die SPD auf 19, Grüne auf sechs und die CDU auf 34 Prozent. Die „Alternative für Deutschland“ (AfD) liegt bei fünf Prozent. Damit wären eine rot-rote beziehungsweise rot-rot-grüne Landesregierung unter der Führung von Bodo Ramelow arithmetisch möglich.
„Nicht alles anders, aber vieles besser machen“
In ihrem Landtagswahlprogramm stellt DIE LINKE Thüringen Forderungen nach mehr Bildungsgerechtigkeit, einem Mindestlohn und besserer Finanzausstattung der Kommunen ins Zentrum. Sie vermeidet offene Konflikte mit der SPD zum Beispiel in der Haltung zur Schuldenbremse, wendet sich aber eindeutig gegen die Bankenrettungspolitik von EU und Bundesregierung.
Der Hauptslogan von Ramelow lautet jedoch: „Es muss nicht alles anders werden, aber wir können vieles besser machen.“ Das ist kein klares Oppositionsprogramm gegen die Regierenden, sondern die Ankündigung, etwas grundsätzlich Richtiges noch ein bisschen besser machen zu wollen.
Geschwächte Regierung
Die amtlich festgestellte Zusammenarbeit des Verfassungsschutzes mit dem rechtsradikalen Terrornetzwerk NSU hat die Landesregierung geschwächt. DIE LINKE bleibt die einzige Partei in den Parlamenten, deren Spitzenkandidat Ramelow von diesem Verfassungsschutz bespitzelt wurde und die dessen Auflösung verlangt.
Es gibt viele gute Gründe, die Linkspartei gegen die bürgerlichen Kriegs- und Kürzungsparteien zu wählen. Es gibt jedoch genauso viele gute Gründe für DIE LINKE, in Opposition zu CDU und SPD zu bleiben. Nicht weil DIE LINKE nicht regieren will, sondern weil ihr Bündnispartner im Parlament fehlen, mit denen sie auf Grundlage von außerparlamentarischen Mobilisierungen eine grundlegend andere Politik durchsetzen kann.
Leider deutet Bodo Ramelow bereits jetzt eine sehr hohe Kompromissbereitschaft mit SPD und Grünen an und stellt noch nicht mal mehr Bedingungen an eine solche Koalition. Die „Thüringische Landeszeitung“ zitierte ihn jüngst mit den Worten: „Wir sind uns schon zu 80 Prozent einig mit SPD und Grünen.“ Ramelow zu Folge gäbe es für Koalitionsverhandlungen kein K.O.-Kriterium. So wolle man den Verfassungsschutz ja abschaffen, aber es sei auch denkbar, nur die V-Leute abzuschaffen.
Nein zu Rot-Rot
Selbstverständlich wäre ein Erfolg der LINKEN bei der Landtagswahl und ein Anteil von fast 30 Prozent der Stimmen eine Niederlage für die Regierung von Christine Lieberknecht (CDU). Aber auch eine von LINKEN geführte Landesregierung mit der SPD bliebe nicht nur von den Kürzungsvorgaben der Bundesregierung und dem Druck des Kapitals, sondern auch von der Zustimmung der SPD-Minister und Abgeordneten in Thüringen abhängig. In einer Koalition mit ihnen müsste DIE LINKE die kapitalistische Sachzwanglogik akzeptieren und Mitverantwortung für die Umsetzung der Sparpolitik und die Schuldenbremse übernehmen anstatt auf Landesebene Maßnahmen dagegen einzuleiten. Und wenn sie in einer solchen Koalition den Ministerpräsidenten stellt, würde sie für die sozialen Verschlechterungen in Haftung genommen.
Genau aus diesen Gründen hat der Bundes-SPD-Vize Ralf Stegner eine rot-rote Landesregierung in Thüringen mit dem Argument unterstützt, dass diese Konstellation die „Gemäßigten in der Linken stärken“ würde („Thüringer Allgemeine“ vom 23. August).
Für Einzelfallentscheidung
DIE LINKE kann und darf nach den Landtagswahlen keine Regierungskoalition mit Parteien bilden, die trotz ihrer Wahlversprechen für Sozialabbau und Kriegspolitik zur Verfügung steht. Sie kann mit ihren Abgeordneten nur eine konsequente Oppositionspolitik versprechen und anbieten, fortschrittlichen Anträgen und Einzelmaßnahmen im Landtag Mehrheiten zu verschaffen. Dabei kann nicht auf das Wohlwollen der SPD und ihre Wahlversprechen vertraut werden, sondern muss sich auf die Unterstützung des außerparlamentarischen Widerstands gegen die Bundes- und Landesregierung konzentriert werden.