Neues von Kshama Sawant und Jess Spear
In ihrem Wahlbezirk wird Kshama Sawant von 61 Prozent der Befragten unterstützt. Das unterstreicht erneut, dass die Menschen, bei denen es sich in erster Linie um abhängig Beschäftigte handelt, nach neuen RepräsentantInnen für sich Ausschau halten. Unterdessen beginnt der Wahlkampf von Jess Spear an Fahrt zu gewinnen, die gegen einen der einflussreichsten Politiker im Bundesstaat Washington antritt.
von Stephan Kimmerle, CWI („Committee for a Workers´ International“)
Wir haben mehrfach darüber berichtet, wie sozialistische Ideen in den USA immer offener aufgenommen werden. Zudem sind immer mehr Menschen auf der Suche nach einer echten Vertretung im Sinne der arbeitenden Menschen und gegen die Politik der rechtslastigen „Republikaner“ wie auch der „Demokraten“, die ebenfalls einen konzernfreundlichen Ansatz verfolgen. Eine ausführliche Darstellung der Erfolge, die Kshama Sawant zu verzeichnen hat, findet sich im Original auf der Seite http://socialistworld.net/goto/us und in der deutschen Übersetzung u.a. hier https://sozialismus.info/2013/11/historischer-erfolg-die-sozialistin-kshama-sawant-gewinnt-die-wahlen-in-seattle/ . Zuerst wurde sie – nach einem offen sozialistisch geführten Wahlkampf (was es seit 100 Jahren nicht mehr gegeben hatte!) – in den Rat der Stadt Seattle gewählt, um ihre neue Position dann gleich dazu zu nutzen, eine Basisbewegung aufzubauen und einen Mindestlohn von 15 Dollar durchzusetzen.
„Die Umfragen zeigen, dass Sawant polarisiert, allerdings mit beeindruckend guten Werten“, so die Überschrift eines Artikels, in dem die Politik von Kshama Sawant und ihrer Organisation „Socialist Alternative“ beschrieben wird. Darin wird erklärt, dass die EinwohnerInnen von Seattle ihren Bürgermeister kennen und dass die ArbeiterInnen und die jungen Leute in der Stadt – nach weniger als einem Jahr im Amt – wissen, dass es nun einen Gegenpol zur üblichen Politik des Bürgermeisters gibt, der seit jeher konzernfreundlich ausgerichtet ist. Dieser Gegenpol heißt Kshama Sawant. Die Umfrageergebnisse im Detail finden sich hier.
Daran zeigt sich, dass Kshama Sawant, die Stadträtin in Seattle, die Mitglied von „Socialist Alternative“ ist, in der Lage war, den viel zitierten „99 Prozent der Bevölkerung“ eine Stimme zu geben. Geschafft hat sie dies, indem sie den stadtweiten Mindestlohn von 15 Dollar durchbrachte und sich überall in der Stadt für die Belange der Arbeiterklasse einsetzt. Und genau das ist es, was sie in ihrem Wahlkampf vor einem Jahr auch versprochen hat zu tun.
Im Vergleich zu den anderen Ratsmitgliedern, deren Wahlkreis-BewohnerInnen ebenfalls befragt wurden, kommt Kshama in ihrem Wahlkreis auf die besten Umfragewerte und liegt bei einer Zustimmung von 61Prozent. Es liegt jedoch auf der Hand, dass man sich mit dem unermüdlichen Einsatz für die Belange der ArbeiterInnen und verarmten Schichten nicht nur Freunde macht. So deuten die Umfrageergebnisse darauf hin, dass Kshamas Arbeit zu einem gewissen Maße auch einen polarisierenden Effekt hat. Dennoch sind die Werte eine Ermutigung dafür, mit den Bemühungen fortzufahren und die konzernfreundliche Agenda der „Democratic Party“ weiter herauszufordern, die schon viel zu lange den Ton in der Stadt angibt.
Der letzte Erfolg dieser Bemühungen auf Stadtratsebene, die über den eng gesteckten Rahmen der parlamentarischen Arbeit hinausgehen und Mobilisierungen umfassen sowie zur Schaffung von Bündnissen beitragen, ist die Umbenennung des Feiertages „Columbus Day“, der in Seattle nun wieder „Tag der indigenen Bevölkerung“ („Indigenous People`s Day“) genannt wird. Damit kam Kshama erneut US-weit in die Schlagzeilen und wurde u.a. auch auf der Webseite „Democracy Now!“ erwähnt. Die Internetseite erklärt in diesem Zusammenhang, dass es dabei „um mehr [geht] als nur eine Namensänderung. Es geht darum, dass wir uns selbst und unseren Kindern klarmachen, was geschehen ist. Es geht darum, Position zu beziehen gegen Rassismus und Diskriminierung“.
In Seattle selbst schien die mediale Berichterstattung kein Ende zu finden, als Kshama die Wellness-Tage zum Thema machte, zu denen der Stadtrat regelmäßig vom Arbeitgeberverband eingeladen wird. Jedes Mal, wenn der Haushalt neu verhandelt wird, werden diese Verhandlungen für die Mehrheit des Stadtrats dadurch unterbrochen, dass sie auf Kosten des Arbeitgeberverbands in ein Luxus-Resort eingeladen werden. „Was für eine dreiste Zurschaustellung dafür, dass die Konzerninteressen bevorzugt werden“, so Kshama Sawant auf einer Pressekonferenz. Und weiter: „Es ist kein Wunder, dass der Haushalt Jahr für Jahr ohne jeden Bezug zu den wirtschaftlichen Problemen aufgestellt wird, mit denen die einfachen arbeitenden Menschen zu kämpfen haben“.
Ein Bericht der bürgerlichen Medien dazu findet sich hier.
Jess Spear fordert einen weiteren Konzern-Vasallen heraus
Parallel dazu sieht sich im Wahlbezirk 43 einer der einflussreichsten Politiker genötigt, um die Gunst der Wählerschaft Seattles kämpfen zu müssen. Entschieden wird die Wahl dort am 4. November. Jess und „Socialist Alternative“ treten dabei gegen die Maschinerie der „Democratic Party“ und ihre konzernfreundliche Agenda an.
Mit Hilfe von Spenden der Konzerne und dem Establishment der „Democratic Party“ im Rücken, war Frank Chopp, um den es dabei geht, in der Lage, das Budget von Jess Spear um das Dreifache zu übertreffen. Chopp, der seit 20 Jahren das Amt inne hat, hat zwar versucht, die Fernseh-Duelle in ihrer Anzahl und Dauer zu begrenzen, dennoch schaffte es Jess, ihn als den „Vasallen der Konzerne“ zu entlarven, der er ist. Sie ging als „bei weitem leidenschaftlichste Rednerin des Tages“ aus diesem Duell hervor, „antwortete zwar auf die Fragen des Moderators, ging aber wesentlich weiter als alle anderen Kandidaten, forderte unverblümt höhere Steuern für die Reichen und für Boeing“, so der Bericht des lokalen Medienportals „Crosscut“.
Die Fernsehdebatte findet sich hier.
Mitten im Wahlkampf verurteilte das Oberste Gericht des Bundesstaates Washington den Gesetzgeber wegen Untätigkeit angesichts des in kriminellem Maße unterfinanzierten Bildungssektors. Mit Blick auf die 8,7 Milliarden Dollar, die die Vorstände von „Boeing“ bekommen haben, obwohl der Konzern Tausende von Arbeitsplätzen aus dem Bundesstaat Washington verlegt hat, wurde Jess Spear in der „Seattle Times“, der größten Zeitung von Seattle, zitiert: „Es war bemerkenswert, dass die Legislative im Bundesstaat erklärt hat, es sei einfacher gewesen, ein Steuergeschenk zu verteilen als die Bildung zu finanzieren“.
Dieses Zitat wurde später auf wundersame Weise aus der Online-Version des Artikels getilgt, was wohl nichts anderes als ein weiteres Beispiel dafür ist, wie Chopp seine starken Verbindungen spielen lässt und versucht, sich auf diesem Wege gegen seine sozialistische Herausforderin zu wehren. „Dies zeigt wirklich, wie wichtig es ist, unabhängige Medien zu haben – Medien, die von den arbeitenden Menschen kontrolliert werden und für die arbeitenden Menschen da sind. Momentan sind wir abhängig von Medien, die den Konzernen gehören und von diesen kontrolliert werden. Sie können Stimmen zum Schweigen bringen, die für die Diskussion wichtig wären“, so der Kommentar von Jess zu diesem Vorfall in der Zeitung „Socialist Alternative“.
Über 300 Freiwillige
Gegen diese Mauer aus Geld und Medienmacht hilft nur das individuelle Gespräch an der Haustür und direkte Kommunikation. Über 300 Freiwillige helfen dabei mit, mit den Menschen in ihrer Nachbarschaft in Seattle ins Gespräch zu kommen. Sie hängen Plakate auf und verteilen Flugblätter.
Im Laufe ihres Wahlkampfes brachte Jess, die selbst Klimaforscherin ist, ein Bündnis aus Umweltgruppen und Arbeiterorganisationen zusammen, mit dem am 21. September der „People´s Climate March“ in Seattle koordiniert wurde. Am selben Tag fand in New York der historische Marsch gegen den Klimawandel statt. Bei diesem Protest wurden Arbeitsplätze und Umweltschutz eingefordert – und er endete in einem Akt des zivilen Ungehorsams mit einer zweistündigen Blockade von Schienen, über die sonst Öl- und Gas-Züge rollen.
Auf den Plakaten, die die Leute in ihren Vorgärten aufstellen, um damit zur Wahl von Jess aufzurufen, steht: „Steuern für die Reichen – Bildung muss bezahlt werden!“ und „Wir brauchen eine Mietobergrenze!“. Nachdem wir es in Seattle geschafft haben, den Mindestlohn von 15 Dollar durchzusetzen (wobei Jess als Cheforganisatorin der Kampagne „15 Now“ fungiert hat), handelt es sich bei der Frage des bezahlbaren Wohnraums um das drängendste Problem in der „Smaragdstadt“, wie Seattle auch genannt wird.
Durch die erfolgreiche Mobilisierung von 2.000 Menschen zum Klima-Marsch, tausende von Haustür-Gesprächen zum Thema Mietobergrenze und die massenhafte Verteilung von Flugblättern mit der Forderung nach einer Reichen-Steuern hat „Socialist Alternative“ sich im Nordwesten weiter verwurzeln können und wird in Seattle aber auch landesweit immer größer. Bei zukünftigen Kampagnen bzw. Wahlkämpfen werden wir an den Erfahrungen und Erfolgen einer fantastischen Arbeit ansetzen können, mit der gerade der Demokrat Chopp zerlegt wird.
Für ausführliche Berichte über den Wahlkampf und eine detaillierte Bewertung des Wahlergebnisses am 4. November empfehlen wir die Seiten VoteSpear.org und SocialistAlternative.org