Fracking und seine Risiken
Fracking macht Freude in der Vorweihnachtszeit: endlich wieder volltanken und durchstarten, denn mit Preisen unter 1,30 € ist der Liter Sprit billig wie lange nicht mehr. Und auch, wenn der Russe mit dem Finger am Gashahn droht, brauchen wir uns um die wohlige Wärme in der Wohnung nicht zu sorgen, denn die große Koalition hat nun doch grünes Licht für Schiefergasgewinnung in Deutschland gegeben.
von Conny Dahmen, Köln
Innerhalb weniger Monate hat sich der weltweite Ölpreis mit derzeit knapp 60 Dollar pro Barrell halbiert und sinkt möglicherweise weiter. Ökonomen gehen für 2015 von einem Überangebot von einer Million Barrel Öl am Tag aus. Einer der Hauptfaktoren dafür ist das Frackingverfahren, wodurch Unternehmen in den USA zusätzlich zur herkömmlichen Methoden der Gas- und Ölgewinnung derzeit fünf Millionen Barrell am Tag fördern und damit die Ölpreise und die OPEC unter Druck setzen.
Hydraulic Fracturing”, kurz “Fracking” bezeichnet eine Methode der Erdgasförderung mit unkonventionellen Methoden aus Schiefergestein, was tief unter der Erde lagert. Um dies aus den öl- und gashaltigen Gesteinsschichten freizusetzen, wird unter hohem Druck ein Gemisch aus Wasser, Sand und zum Teil hochgiftigen Chemikalien (darunter stark krebserregendes Benzol und Formaldehyd), dem Fracking Fluid, in die Erde gepumpt, ca. 1500 -6000 Meter tief, wodurch Mikrorisse entstehen, sodass das Gas entweichen und gefördert werden kann.
Dieser Prozess wird von UmweltschützerInnen abgelehnt, aus vielerlei Gründen: Da fast die Hälfte der eingepressten Flüssigkeit als “Flow Back” wieder an die Oberfläche gedrückt werden, können beim Fracking Giftstoffe an die Luft gelangen, zum Teil auch radioaktive Stoffe, die zuvor im Untergrund gebunden waren. Nachdem das Gas und Öl abgetrennt sind, wird das hochgiftiges Abwasser mit LKW oder über Rohrleitungen an anderer Stelle einfach wieder in die Erde gepumpt, was eine schwerwiegende Kontamination des Trinkwasser bewirken kann, wenn Chemikalien ins Grundwasser gelangen. Alles in allem verbraucht jede Frackbohrung ca. 15 Millionen Liter Wasser, Bohrlöcher können bis zu zehnmal genutzt werden. Nach BUND- Berechnungen könnte das für ein einziges Bohrloch verbrauchte Wasser fast 10.000 Europäer für ein Jahr versorgen.
Ein weiteres Problem ist die Freisetzung des gefährlichsten Treibhausgas Methan, Hauptbestandteil von Schiefergas, die beim Fracking mit 4-9% deutlich höher liegt ist als bei der konventionellen Erdgasförderung (nach Untersuchungen der NOAA, National Oceanic and Atmospheric Administration).
Erfahrungen aus den USA belegen außerdem, dass das Aufbrechen der Gesteinsschichten an der Oberfläche Erdbeben bis zur Stärke 3,5 auf der Richterskala auslösen kann. Seit 2008 ist die Zahl der Erdbeben ab Stärke drei in der Mitte der USA um mehr als das Vierfache gestiegen, was dem Ministerium für natürliche Ressourcen des Bundesstaates Ohio zufolge «fast mit Sicherheit» der Verwendung unterirdischer Bohrlöcher zur Entsorgung von Fracking-Abwasser zuzuschreiben ist.
Auch von der Klimabilanz her ist Schiefergas nicht die angebliche „Brücke“ zwischen fossilen und regenerativen Energien, als die es von den Konzernen präsentiert wird. Eine Klimastudie der Europäischen Kommission vom September 2012 bestätigt, dass die Gewinnung von Schiefergas unterm Strich CO2-intensiver ist als die Gewinnung konventioneller Gas- und Ölbrennstoffe. Zusammen mit dem Methan könnten solch große Mengen Treibhausgase in der Atmosphäre landen, dass Schiefergas genauso klimaschädlich sein könnte wie Kohle.
Das neue Frackinggesetz und TTIP
Vor dem Hintergrund massiven Widerstands weltweit gegen dieses Verfahren verlautbarte die Bundesregierung noch im Juli, Fracking bis 2021 zu verbieten. Aber, wie sollte es auch anders sein bei diesen Handlangern des Big Business, schreiben sich am Ende doch ein Aber ins Gesetz: Für Fracking oberhalb von 3000 Meter Tiefe soll es Ausnahmen geben, z.B. für „Erprobungsmaßnahmen” zur Untersuchung der Auswirkungen des Frackings. Und auch eine kommerzielle Förderung ist möglich, wenn eine „Expertenkommission” das Fracking in der “jeweiligen geologischen Formation mehrheitlich als grundsätzlich unbedenklich einstuft” und darin von der zuständigen Landesregierung und -behörden bestätigt wird. Selbstredend sind als „Experten“ auch viele Fracking- Fans im Gspräch. Nach den Berechnungen des Grünen-Energieexperte Oliver Krischer könnten mit diesem Gesetz auf 80 Prozent der Landesfläche Fracking erlaubt werden. So ist der BDI denn auch recht angetan, sieht er doch die vielen Möglichkeiten, diese Hintertürchen zu nutzen.
Um Hintertürchen und große Einfallstore für Großkonzerne, unter anderem bezüglich Fracking, geht es auch bei den Verhandlungen um das bilaterale Wirtschaftsabkommen TTIP zwischen der EU und den USA. Der Investitionsschutz als ein wichtiger Bestandteil von TTIP soll es Unternehmen ermöglichen, Staaten vor nicht öffentlichen Schiedsgerichten zu verklagen. Da weltweit bereits mehr als 2000 internationaler Investitionsschutzabkommen existieren, nutzen Firmen diese Möglichkeiten in vielen Teilen der Welt bereits, um Regierungen unter Druck setzen – prominents Beispiel hier ist die Klage von Vattenfall gegen die Bundesregierung wegen des Atom„ausstiegs“. Gas- und Ölunternehmen klagen bereits auf Schadensersatz oder gegen Frackingverbote, wie der kanadische Fracking-Konzern BNK Petroleum gegen die hessische Landesregierung, dessen Pläne in Nordhessen nach Schiefergasvorkommen zu suchen am Druck aus der Bevölkerung gescheitert war.
Fracken gegen Putin?
Auf Europas Konto gingen im letzten Jahr etwa 13 Prozent des weltweiten Primärenergieverbrauchs. Seit 2004 deckt die EU mehr als die Hälfte davon über Importe aus Nicht-EU-Staaten ab, vor allem aus Russland. Diese Staaten hoffen jetzt, durch Schiefergasnutzung weniger auf diese Energieimporte angewiesen zu sein. Selbst in den von Importen unabhängigen Ländern Norwegen, Dänemark und Großbritannien nehmen die Fördermengen an Öl und Gas ab, der viel gefürchtete „Peak Oil“ steht vor der Tür.
Um „Energiesicherheit“ wieder zum Thema und Fracking akzeptabler zu machen, wird der Krieg in der Ukraine und der Konflikt mit Russland gnadenlos ausgenutzt. Schließlich kamen 2012 34% der nationalen Gasimporte in der EU vom russischen Konzern Gazprom, wobei die Verteilungswege meist über die Ukraine führten. Beispielhaft dafür steht eine Aussage des polnischen Premierministers Donald Tusk, dessen Land 60% seines Gases von Gazprom bezieht, bei einem Treffen mit Angela Merkel im März: „Die Frage der Ukraine ist eine Frage der Zukunft der EU, der Sicherheit der EU, und eine Korrektur der Energiepolitik der EU. Wir werden nicht in der Lage sein, potentielle aggressive Schritte seitens Russlands in der Zukunft effektiv abzuwehren, wenn so viele europäische Länder von russischen Gaslieferungen abhängen oder in eine solche Abhängigkeit hinein rutschen.” Polen besitzt die größten Schiefergasreserven in Europa und bietet Fracking- Unternehmen 6 Jahre lang Steuererleichterungen an.
Milliarden in der Erde versenkt
Bei TTIP geht es für die EU auch um die Möglichkeit von Frackinggas- Importen aus den USA, um sich von Russland unabhängiger zu machen. Denn so weit her ist es nicht mit der energetischen Eigenständigkeit durch Schiefergas: einer Studie der Europäischen Kommission zufolge könne die Importabhängigkeit der EU bei Erdgas bestenfalls um 2% sinken. Zum einen musste die EU-Kommission ihre Schätzungen, was die europäischen Schiefergasreserven angeht, deutlich nach unten korrigieren, von zuletzt 15,8 Billionen Kubikmetern förderfähigem Gas auf nur noch 13,3 Billionen Kubikmeter ( davon 2.300 Milliarden Kubikmeter in Deutschland). Zum anderen sind diese Vorkommen wesentlich schwieriger und kostenintensiver auszubeuten als in den USA, unter anderem, weil sie unter höherem Druck und bei höheren Temperaturen tiefer ablagern und sich meist in besiedelten Gebieten befinden. Zudem könnten die Wasserpreise massiv ansteigen, da die Ressourcen kleiner sind. Diverse Wirtschaftsexperten von Bloomberg bis ZEW halten daher die Schiefergasförderung erst bei einem höheren Gaspreis für wirtschaftlich rentabel und öffentliche Subventionen für unumgänglich. Doch im Interesse von Konzernen wie ExxonMobil und der BASF-Tochter Wintershall, die den europäischen Markt erschließen wollen, wird der Mythos vom der im Überfluss vorhandenen und billige Energiequelle Schiefergas aufrecht erhalten.
Auch auf der anderen Seite der Nordhalbkugel wächst die Befürchtung, dass sich die vermeintlichen Goldgruben im Schiefergestein als Millionengräber erweisen. Zum einen konnte die US-Rohölproduktion mithilfe von Fracking zwischen 2010 bis April 2014 konnte mithilfe von Fracking von rund 5,5 Millionen auf 8,4 Millionen Barrel am Tag gesteigert werden ( Angaben der Energie Information Administration – EIA). Auf der anderen Seite können nach Schätzungen ein Drittel bis die Hälfte aller Schieferölproduzenten bei einem Weltmarktpreis von unter 80 Dollar nicht mehr kostendeckend arbeiten. ( Beratungs- und Analysefirma MercBlocWealth Management Solutions ). Die 61 führenden Fracking-Firmen haben seit 2010 Schulden von 164 Milliarden Dollar aufgehäuft (nach Bloomberg), einige Wirtschaftsforschungsinstitute behaupten gar, alles in allem überstiegen die Ausgaben der Förderunternehmen seit 2008 die Einnahmen. Hohe Kreditverluste für die Banken sind die Folge, die auch ohne Sicherheiten großzügige Kreditsummen gewährt hatten, auch auf der Grundlage überaus optimistischer Prognosen für die Schiefergasvorkommen in den USA. Trotzdem geht der Irrsinn weiter, neue Bohrlöcher werden gebuddelt, neue Hochrisikopapiere ausgegeben, in der Hoffnung auf neue Profitquellen.
Biogas statt Schiefergas, Sparen statt Fracken
Dass Kapitalismus und gesunder Menschenverstand sich immer schon widersprachen, zeigt auch ein Blick auf den Energiemarkt hier. Mehr Strom aus aus Schiefergas oder aus Atomkraft braucht hier auf jeden Fall keiner, denn Strom ist in Deutschland mitnichten Mangel-, sondern seit 2003 in zunehmenden Maße Exportware. Die letzten neun AKW, die alten Braunkohlekraftwerke und im steigenden Ausmaß der Sektor der regenerativen Energien produzieren zusammen ein immer größeres Strom-Überangebot. Nach Berechnungen des Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme wurden im ersten Halbjahr 2014 netto 18,3 Terawattstunden (TWh) ins Ausland verkauft, was ca. 7 Prozent der Nettostromerzeugung entspricht ( und damit auch ungefähr dem Anteil des Atomstroms!).
Erfreulicherweise wächst der Anteil der erneuerbaren Energieträger an der Stromproduktion mit rund 31 Prozent (81 TWh), während die Stromerzeugung aus fossilen Brennstoffen und Atomkraft zurückgeht – besonders bei Gaskraftwerken ( 2013 war er 1,5% niedriger als im Vorjahr mit 12,1%). Mit der Novelle des EEG (Erneuerbare-Energien-Gesetz) im August könnte sich dieser Trend allerdings bald umkehren, da damit neue Hürden für die Weiterentwicklung insbesondere von Biomethangewinnung und Einspeisung von Ökostrom in die Netze aufgebaut wurden.
Laut dem Wissenschaftsmagazin Climate Change Journal sind 90 Großunternehmen weltweit für 60% aller CO2- Emissionen seit 1751 verantwortlich. Auch hier verbrauchen Industrie und Handel rund zwei Drittel des Stroms, die Energiewirtschaft selbst war 2013 mit 70 Milliarden Twh (von 596 Milliarden TWh) dabei – den ca. 870 Milliarden KWh Strom/ Wärme, die jedes Jahr mit Erdgas erzeugt und in der BRD verbraucht werden, stehen jährlich 1000 Kwh gegenüber, die allein durch Abwärme der Kraftwerke verloren gehen! Kraft-Wärme-Kopplung, wo diese Abwärme als Energie genutzt wird, und energiesparende Produktionsmethoden bieten enorme Einsparmöglichkeiten. Und allein im Bereich Dämmung, Lüftungsanlagen und effizientere Heizungen bei Privathaushalten käme mit etwa 23.000 Milliarden Kilowattstunden in 30 Jahren dieselbe Menge Strom zusammen, die nach Schätzungen aus dem technisch gewinnbaren Fracking-Erdgas in Deutschland zu erzeugen wären.
Demokratische Planung statt Profitgier
Anstatt dem Druck der Gaskonzerne nachzugeben und unsinnige, hochgefährliche Frackingprojekte zu fördern, muss die Energiegewinnung durch Sonne, Wasser, Wind, Biomethan und Gezeiten noch viel mehr ausgebaut werden. Anstatt über die unabhängige nationale Energieerzeugung zu diskutieren, brauchen wir so schnell wie möglich Enegieerzeugung unabhängig von Öl, Gas und Kohle, Energieressourcen, deren Ende abzusehen ist, genauso wie die Klimaveränderungen und deren Konsequenzen, die heute schon Hunderttausende Menschen in die Flucht treiben.
Doch all die Möglichkeiten, die bereits heute bestehen, die natürlichen Ressourcen zum Wohle aller zu nutzen und den Klimawandel aufzuhalten/ zu begrenzen, können wir im kapitalistischen Wirtschaftssystem nicht nutzen. Konzerne wie BP, Gazprom, RWE werden sich ihre Profite nicht so einfach beschneiden lassen und nach immer neuen Wegen suchen, sie zu steigern – auf unsere Kosten und die aller nachfolgenden Generationen. Es ist höchste Zeit, diesem Schwachsinn ein Ende zu bereiten und die gesamte Energieproduktion und die Schlüsselindustrien in öffentliches Eigentum zu überführen und demokratisch zu kontrollieren. Nur so können die Produktion und Verteilung von Gütern im Interesse von Menschen und Natur organisiert werden.