Am 24.1. kommt die „Trade Unionist and Socialist Coalition“ in London zusammen
Am Samstag, den 24.1.15 kommen TUSC-AktivistInnen aus ganz England und Wales in London zusammen. Dort wollen sie die Arbeit für 2015 planen – vor allem ihre Kandidaturen zu den Kommunal- und Parlamentswahlen im Mai. – Bei den jährlich stattfindenden „SozialismusTagen“, die vergangenen November von der „Socialist Party“ ausgerichtet worden sind, gab es ein Forum mit dem Titel: „In Defence of the Trade Unionist and Socialist Coalition (TUSC)“ (dt.: „Zur Verteidigung der TUSC“). Angesichts der Tatsache, dass die TUSC kurz vor ihrer umfangreichsten Wahlkampagne überhaupt steht, veröffentlichen wir im Folgenden das Einleitungsreferat, das Cleve Heemskerk vom nationalen Vorstand der „Socialist Party“ und Landeswahlkoordinator der TUSC bei diesem Forum gehalten hat. Er saß dort mit auf dem Podium.
von Clive Heemskerk, aus der „Socialism Today“, dem Monatsmagazin der „Socialist Party“ (Schwesterorganisation der SAV und Sektion des CWI in England & Wales)
Weshalb trägt ein Arbeitskreis, der im Rahmen der „SozialismusTage 2014“ stattfindet, den Titel: „Zur Verteidigung der Trade Unionist and Socialist Coalition“? Wenn wir uns zunächst vom subjektiven Standpunkt aus ansehen, was in den viereinhalb Jahren, seit die TUSC existiert, erreicht wurde, so müssen wir feststellen, dass dies nicht gerade wenig ist. Vom objektiven Standpunkt aus muss man allerdings sagen: Es ist eine Tatsache, dass das Vakuum, welches durch die Verwandlung der sozialdemokratischen „Labour Party“ in eine weitere kapitalistische Partei entstanden ist, von der Arbeiterbewegung immer noch nicht ausgefüllt werden konnte. Von daher ist es korrekt zu fragen, was die TUSC darüber hinaus noch hätte tun können, um dieses Vakuum ausfüllen zu helfen.
Als die TUSC im Jahre 2010 gegründet wurde, hat sie nicht für sich in Anspruch genommen, „die neue Arbeiterpartei“ sein zu wollen. Die Kräfte, die sich an der TUSC beteiligt haben – darunter die „Socialist Party“, der mittlerweile leider verstorbene Vorsitzende der Transportarbeitergewerkschaft RMT, Bob Crow, und die anderen führenden Gewerkschaftsfunktionäre, die mitgemacht haben – haben die TUSC als Vorläufer auf dem Weg zu einer neuen Partei verstanden. Sie wollten ein Bündnis schmieden, das vor allem im Hinblick auf die Organisationsstrukturen der Arbeiterklasse wie eine Art Katalysator wirken kann, um diese Organisationen dazu anzutreiben, ein neues Vehikel für die Massen zu schaffen, das unabhängig ist und die Arbeiterklasse auf politischer Ebene vertritt. Vor allem war dies auf die Gewerkschaften bezogen, aber auch auf andere gesellschaftliche Kräfte, die – davon gingen wir damals aus – im „Zeitalter der Austerität“ entstehen würden (analog zur Bewegung gegen die Wasser-Abgabe, die gerade in Irland von sich reden macht).
Die TUSC ist allerdings im klaren und nüchternen Bewusstsein gegründet worden, dass – trotz der Tatsache, dass bedeutende Kräfte der Arbeiterklasse wieder verschwunden sind – andere Kräfte (wie die extreme Rechte oder Rechtspopulisten) das Vakuum ebenfalls – zumindest teilweise – ausfüllen können würden. Bei der zweiten Sitzung des Koordinierungskreises der TUSC, die im Januar 2010 stattfand, hatte Bob Crow die Frage aufgeworfen, ob er im Wahlkreis Barking für die TUSC und gegen den Chef der rechtsextremen „British National Party“, Nick Griffin, bei den damals anstehenden Parlamentswahlen antreten solle. Es hatte zwar niemand erwartet, dass die BNP oder die TUSC das Rennen machen und einen Parlamentssitz erringen würde. Aber den Kopf der BNP im Kampf um einen Teil der Stimmen der Arbeiterklasse zu stellen, wäre „Labour“ gar nicht erst in den Sinn gekommen.
Nach ihrem Höhepunkt im Jahr 2009 brach die BNP stimmentechnisch in sich zusammen. Das war allerdings in erster Linie auf den Aufstieg der „United Kingdom Independence Party“ (UKIP) zurückzuführen, die genau aus diesem Grund von Teilen der herrschenden Klasse unterstützt wurde. Dies gilt vor allem hinsichtlich der Europawahlen von 2009. Für sie war und ist UKIP in Relation zur BNP die „bessere“ Alternative. UKIP war und ist immer noch die „Anti-Establishment-Partei“ des Establishments. Der Punkt hierbei ist, dass der Rechtspopulismus in der Lage war zu gedeihen, weil die Krise der politischen VertreterInnen der Arbeiterklasse von den „schweren Bataillon“ der Gewerkschaftsbewegung nicht wettgemacht worden ist.
Das eindrücklichste Beispiel hierfür liefert ein Vergleich der Lage im Frühjahr 2011 mit der Situation, wie wir sie heute vorfinden. Die Demonstration des Gewerkschaftsbunds TUC gegen die Austerität, die am 26. März 2011 stattgefunden hat und an der 750.000 Menschen teilgenommen haben, war die größte organisierte Demonstration der Arbeiterklasse in der Geschichte Großbritanniens. Sechs Wochen danach, im Mai, organisierte UKIP eine Demonstration für die Austerität! Diese „Kundgebung für Kürzungen“, auf der der UKIP-Vorsitzende Nigel Farage und verschiedene rechtsgerichtete Vertreter der konservativen „Tories“ sprachen, zog nur wenige hundert Personen an. Das war das wahre Verhältnis der Kräfte im ersten Jahr der Regierungskoalition von Con-Dem („to condemn“ = dt.: „verachten“; Ein Wortspiel, mit dem die Haltung gegenüber der konservativ/liberal-demokratischen Regierungskoalition zum Ausdruck gebracht wird; Anm. d. Übers.). Doch die Führungen der großen Gewerkschaften ließen dies ungenutzt – sowohl auf betrieblicher Ebene (als sie nach den Streiks für bessere Renten, zu denen es in dem Jahr gekommen war, keine weiteren Aktionen folgen ließen) als auch was die politische Ebene angeht (sie lehnten es ab, über irgendeine Art von Alternative zu „Labour“ zu diskutieren, weil sie sich dem Konsens, die Austerität sei unumgänglich, anschlossen).
Diese objektive Entwicklung zeigt allerdings, dass wir einen Sinn für die Kräfteverhältnisse haben müssen, auch wenn wir dabei nicht unterschätzen dürfen, was durch die Gründung und Weiterentwicklung der TUSC erreicht worden ist. Die Kräfte, die seit 2010 in der TUSC zusammengekommen sind, können alleine nicht die Rolle spielen, die die „schweren Geschütze“ der Gewerkschaftsbewegung darstellen. Mick Cash, der Nachfolger von Bob Crow als Generalsekretär der RMT, drückte dies in der Tageszeitung „The Independent“ so aus: „Wenn eine oder zwei große Gewerkschaften anfangen zu sagen, dass wir eine Alternative brauchen, dann haben sie die Organisationsstrukturen und finanziellen Möglichkeiten, um eine politische Partei entwickeln zu können, die ihre Wurzel in der Arbeiterklasse haben kann.“ (5. Oktober 2014).
Natürlich sind derartige objektive Faktoren frustrierend und es ist legitim zu fragen, was die „Socialist Party“ und ihre Partnerorganisationen in der TUSC noch hätten unternehmen können, um der Geschichte auf die Sprünge zu helfen. Wahr ist aber auch, dass es einige Kräfte gibt, die sich den Widerspruch zwischen dem, was die TUSC bislang zu erreichen in der Lage war, und dem weiterhin unerfüllt gebliebenen objektiven Bedürfnis der Arbeiterklasse nach einer politischen Vertretung zu Nutze machen, nur um die TUSC zu attackieren. Diese Kräfte haben für die TUSC nur ein höhnisches Lächeln übrig und haben sie bereits als „gescheitert“ abgeschrieben. Das ist der Grund, weshalb es dieses Forum gibt: um die „Trade Unionist and Socialist Coalition“ zu verteidigen.
Was hätte getan werden können? – Eine Wahlstrategie
Ein Kritikpunkt gegenüber der Wahlstrategie der TUSC besteht darin zu sagen, dass das Aufstellen von KandidatInnen in der Fläche die Weiterentwicklung zu einer neuen Arbeiterpartei behindert hat.
Das landesweite Koordinierungskomitee der TUSC hat nur in ganz seltenen Fällen eine Bewerbung abgelehnt, mit der man sich als KandidatIn für die TUSC vorstellen konnte. Verglichen mit den 1.221 KandidatInnen, die 2010 aufgestellt worden sind, waren es lediglich drei. Das ist ein Zeichen dafür, wie integrierend das Bündnis arbeitet. Indem man aber in der Fläche antritt, so lautet der Einwand, riskiert die TUSC schlechte Wahlergebnisse einzufahren und damit die großen Gewerkschaften davon abzubringen, sich unabhängigen politischen Aktionen anzuschließen. Das ist eine ernstzunehmende Diskussion. Wir wissen, dass ein Wahlkampf, der an den Haustüren geführt wird, die Wahrscheinlichkeit gewählt zu werden verdoppelt; ganz anders, als wenn man auf der Straße lediglich Flugblätter in die Hand gedrückt bekommt. Der Wahlkampf an den Haustüren, das Klinkenputzen, fällt aber umso schwerer, wenn man mehr in die Fläche geht. Und wir wissen, dass die schlechtesten Resultate der TUSC immer genutzt werden, um zu sagen: „Seht ihr, wenn man alternative KandidatInnen aufstellt, dann bringt das gar nichts.“.
So gab es beim Gewerkschaftstag von „Unite“ (öffentl. Dienst) in diesem Jahr zum Beispiel eine Debatte über den Antrag, der forderte, dass die Gewerkschaft eine Konferenz einberufen solle, die sich mit der Frage der politischen Vertretung der Arbeiterklasse befasst. Zwar wurde das Kürzel TUSC in diesem Antrag gar nicht erwähnt, das hielt die RednerInnen, die gegen diesen Antrag waren, aber nicht davon ab, ihrerseits auf die TUSC Bezug zu nehmen. Sie nutzten die Wahlergebnisse der Nachwahlen von Eastleigh, die im Februar 2013 (18 Monate zuvor) stattgefunden hatten, um zu sagen, dass „Unite“ keine andere Wahl habe, als weiterhin die Sozialdemokraten von „Labour“ zu finanzieren. Lasst uns aber bei der Wahrheit bleiben: Wie hätte das Wahlergebnis denn ausfallen müssen, damit diese KollegInnen gesagt hätten: „Stimmt, >Unite< muss ein Vehikel zur Verfügung stellen, damit die Arbeiterklasse eine unabhängige politische Vertretung bekommt!“?
Überzeugen sie denn vielleicht die Ergebnisse der „Grünen“? Tatsächlich gibt es einige GewerkschaftsführerInnen, die die „Grünen“ unterstützen, weil man damit vermeidet, einen politischen Standpunkt gegenüber jemand anderem einzunehmen. Auf diese Weise braucht man sich nicht selbst in Stellung bringen und die Verantwortung für die Organisierung einer neuen Partei der Arbeiterklasse übernehmen. Sie sagen deshalb nichts über die mageren Wahlergebnisse der „Grünen“, kritisieren aber das Abschneiden der TUSC. – Vielleicht kann ja jemand, der Kritik an der TUSC üben will, gleich in der Debatte sagen, wie die „Grünen“ in Eastleigh abgeschnitten haben. Immerhin liegt dieser Wahlkreis im südöstlichen Wahlbezirk, wo sie seit 1999 zu einem Abgeordneten für das Europaparlament gekommen sind? [Hierbei handelte es sich um eine Fangfrage, die von keiner/m KritikerIn der TUSC unter den TeilnehmerInnen an diesem Forum beantwortet werden konnte. Fakt ist, dass die „Grünen“ keineN KandidatIn finden konnten, um bei den Nachwahlen von Eastleigh überhaupt antreten zu können.]
Wie steht es aber ganz allgemein um die Wahlergebnisse der „Grünen“, wenn man sie mit denen der TUSC vergleicht? Werfen wir dazu einen Blick auf die Nachwahlen auf kommunaler Ebene, bei denen die „Grünen“ in diesem Jahr in 65 Wahlkreisen angetreten und im Schnitt auf 7,4 Prozent der Stimmen gekommen sind. Die TUSC ist dieses Jahr bislang bei 21 Nachwahlen mit ins Rennen gegangen und dabei auf durchschnittlich 4,7 Prozent gekommen (was in der Tat unter den Ergebnissen der Nachwahlen von 2013 liegt und den Effekt widerspiegelt, dass UKIP in der Lage war, sich als beste Möglichkeit für eine „Protestwahl“ darzustellen). Im Übrigen sind die „Liberaldemokraten“ (die in der Regierung sitzen; Anm. d. Übers.) auf 6,7 Prozent gekommen.
Alle diese Ergebnisse sind Ergebnisse, die in der Zweiten Liga eingefahren wurden – nicht in der „Premier League“. Auch wenn Bob Crow, der bekanntermaßen Fan des Zweitligisten FC Millwall war, dann immer gesagt hat, dass auch eine Zweitliga-Mannschaft ein Spiel gewinnen kann …
Wir haben bescheidene Ergebnisse eingefahren. Seit 2010 haben 187.000 Wahlberechtigte der TUSC ihre Stimme gegeben. Es ist aber niemand gestorben, nur weil einige TUSC-KandidatInnen bei lediglich einem Prozent gelandet sind. Wir müssen die Wahlergebnisse ins Verhältnis setzen mit den sehr bedeutsamen Effekten, die unsere Kandidaturen hatten. Dadurch sind Kolleginnen und Kollegen ermutigt worden, unter einem gemeinsamen Banner bei Wahlen anzutreten. Das hat natürlich zur Stärkung ihres Selbstvertrauens geführt und das ist es, was die TUSC ausmacht: GewerkschafterInnen und AktivistInnen vor Ort aus den Arbeitervierteln in die Lage zu versetzen, sich mit einem klaren Anti-Austeritätprogramm und einer arbeitnehmerfreundlichen, sozialistischen Plattform identifizieren zu können. Außerdem bekam man auf diese Weise ein Gefühl dafür, dass „Politik“ nicht ein Geschäft für „die da oben“ ist sondern auch uns selbst angeht. Darüber können wir erzählen oder zigfach in unseren Artikeln schreiben wie wir wollen – aber ein „Gramm an praktischer Erfahrung ist mehr Wert als eine Tonne Theorie“.
Aus diesem Grund freut sich die „Socialist Party“ sehr darüber, dass das landesweite Koordinierungskomitee der TUSC zugestimmt hat, mit 1.000 KandidatInnen auf kommunaler Ebene und 100 weiteren bei den Parlamentswahlen 2015 anzutreten. Mit dieser Anzahl an KandidatInnen schafft die TUSC dann auch die Marke, die der Fernseh- und Radiosender BBC für „faire Medienberichterstattung“ gesetzt hat. Wichtiger noch ist jedoch, dass damit vor allem auf kommunaler Ebene KämpferInnen aus der Arbeiterklasse motiviert und in die Lage versetzt werden können, bei diesen Wahlen an den Start zu gehen.
Die föderale Struktur der TUSC
Ein anderer Kritikpunkt, mit dem sich die TUSC auseinandersetzen muss, besteht darin, dass die föderale Struktur dieses Bündnisses die Einbeziehung neuer Kräfte nicht zulassen würde. Tatsächlich ist das genaue Gegenteil der Fall. Die Bündnisstruktur, nach der die politischen Kernthesen für alle gelten, verschiedene Organisationen und Einzelpersonen aber ihre politische Unabhängigkeit behalten, hat einige dazu veranlasst, mit der TUSC zusammenzuarbeiten oder gar einzutreten. Als Beispiele seien die Stadträte aus Southampton und Leicester genannt, die als „Rebellen“ gelten, weil sie gegen ihre eigene Partei, „Labour“, und gegen Kürzungen gestimmt haben und deswegen ausgeschlossen worden sind. Aber auch die „Roten Labour“-Stadträte aus Hull gehören dazu sowie einige ehemalige Stadträte in Harrow und ihre AnhängerInnen. Sie alle brauchen nicht zu befürchten, dass der Austritt aus der „Labour Party“ dazu führt, nun überstimmt oder von anderen Kräften bevormundet zu werden.
Das hat dazu geführt, dass Gruppen wie die sozialistische, kurdisch-türkische Organisation „Day-Mer“ sich an der TUSC beteiligt und dabei weiterhin ihre eigene politische Position vertreten kann. Das bedeutet auch, dass die KollegInnen aus dem Geschäftsführenden Vorstand der Lehrergewerkschaft NUT, die die TUSC unterstützen, sich als Gruppe und mit VertreterInnen im landesweiten Koordinierungsausschuss der TUSC organisieren können. Es bedeutet, dass leitende BeamtInnen und Vorstandsmitglieder der Beamengewerkschaft PCS oder der „Prison Officers Association“ (POA; Vereinigung der Justizbediensteten) als Einzelpersonen mitmachen können, ohne Angst haben zu müssen, dass sie dazu „genötigt“ werden, für irgendetwas einzustehen, was sie nicht selbst verantworten könnten. Und vor allem anderen bedeutet es, dass die RMT nun schon im Rahmen von drei aufeinanderfolgenden Gewerkschaftstagen einstimmig dafür gestimmt hat, ganz offiziell VertreterInnen ihrer Gewerkschaft in den landesweiten Koordinierungsausschuss der TUSC zu delegieren. Die Basis für diese Beschlüsse ist, dass es sich bei der TUSC ganz einfach um ein föderales Bündnis handelt. Die Resolution, die im Rahmen des diesjährigen Gewerkschaftstags ohne Gegenstimme angenommen wurde, bezog sich explizit auf diesen Umstand: „[…] stellt sicher, dass in der TUSC keine Entscheidung getroffen wird ohne die Zustimmung der RMT-VertreterInnen“. Die Idee, „getrennt zu organisieren aber gemeinsam zu kämpfen“ ist übrigens nicht neu in der Arbeiterbewegung.
Es gibt aber auch andere Argumente, dass sich schließlich auch die „Labour Party“ von einer Organisation, in der das Prinzip der repräsentativen Demokratie herrschte, gewandelt hat. So gab es einmal lokale Parteistrukturen, die mit Delegierten aus den Gewerkschaften besetzt waren, oder Bezirksgliederungen, die Frauen-Arbeitskreise, die JungsozialistInnen in der „Labour Party“, die Genossenschaften etc. Heute haben wir es bei „Labour“ mit einer Organisation zu tun, in der eine „plebiszitäre Demokratie“ herrscht. Das ist auf die OMOV-Reform zurückzuführen, die getreu dem Motto „One Member One Vote“ (OMOV; dt.: „Ein Mitglied, eine Stimme“) abgelaufen ist. Nach diesem Prinzip wurden 1994 die KandidatInnen für die Parlamentswahlen durchgeboxt. Der vorläufgie Höhepunkt der Entdemokratisierung bestand in den diesjährig durchgeführten „Collins-Reformen“. Mit ihnen wurden die letzten Reste einer gemeinsamen gewerkschaftlichen Stimme innerhalb der „Labour Party“ beseitigt.
Bislang erzählen uns die KritikerInnen der TUSC, dass das OMOV-Prinzip die einzige Möglichkeit darstellt sich zu organisieren und dass eine repräsentative Demokatie an sich und von Natur aus undemokratisch ist. Die „Socialist Party“ stimmt mit dieser Haltung nicht überein. Wir lehnen diese Art von Politikverständnis ab, in der Einzelpersonen zu Hause rumsitzen, mit den kapitalistischen Medien in Ohr und Augen, und bei der Entscheidungen nicht gemeinsam getroffen werden.
Es gibt einige historische Argumente, die uns beipflichten. Seit ihrer Gründung hat es sich auch bei der „Labour Party“ um eine föderale Struktur gehandelt. Am Anfang, von 1900 bis 1918 stand da das „Labour Representation Committee“ (LRC) und selbst zu jener Zeit beinhaltete diese Struktur ein wesentliches föderales Element. Fakt ist, dass einer der ersten beiden Abgeordneten der „Kommunistischen Partei“ (KP) Shapurji Saklatvala („Genosse Saklatvala“) war, der 1922 als gemeinsamer Kandidat der KP, der „Labour Party“ und des Arbeiterausschusses von Battersea aufgestellt worden war.
Man sollte aus der Frage, welche Struktur die beste ist, allerdings auch keinen „Fetisch“ machen. Es gibt Aspekte (zum Beispiel was die Frage der Rechenschaftspflicht öffentlicher AmtsträgerInnen angeht), die diskutiert werden sollten. Auch der „Leitfaden“ von Keir Hardie (einer der Gründer der „Labour Party“; Erg. d. Übers.) aus dem Jahr 1900, wonach Organisationen, die dem LRC angehören, ihre eigenen KandidatInnen unterstützen sollen, damit diese „dann im Parlament eine >Labour<-Fraktion bilden“, stellt keinen eindeutigen Mechanismus das, der für Rechenschaftspflicht sorgt. Abgesehen davon haben wir derzeit keine Gruppe von Abgeordneten, die wir disziplinieren bzw. kontrollieren müssten.
In ihrer weiteren Entwicklung mird die TUSC diese Punkte weiter diskutieren müssen. So stellt sich die Frage, ob die TUSC dazu übergehen sollte, ihren Mitgliedsorganisationen ein von deren Mitgliederzahl abhängiges Stimmrecht zu verleihen, sollte beispielsweise eine weitere Gewerkschaft wie die RMT mit offiziellen Delegierten im landesweiten Koordinierungsausschuss der TUSC vertreten sein. Die TUSC befindet sich zwar weiterhin im Aufbau. All jene, die sich bisher an diesem Bündnis beteiligt haben, können aber stolz darauf sein, dass ihre Strukturen und Methoden der kooperativen Zusammenarbeit sie in die Lage versetzt haben, zu dem zu werden, was sie heute schon ist.
Zur Politik der TUSC
Die Diskussion über die Struktur der TUSC steht im Zusammenhang mit ihrem Programm. Dazu zählt auch, dass die TUSC für das demokratisch verwaltete öffentliche Eigentum an Großkonzernen und Banken eintritt. Es geht dabei um eine neue Version des vierten Punktes der Satzung, wobei es sich nicht um ein voll entwickeltes sozialistisches Programm handelt. Daraus wird jedoch folgende Betrachtungsweise abgeleitet: „Du sagst, die >Labour Party< hat eine föderale Struktur? – Aber guck dir an, wie schon die Sozialdemokraten die Arbeiterklasse verraten haben“. „Welche Garantie gibt es“, so wird argumentiert, „dass die TUSC nicht dieselbe Entwicklung wie >Labour< nimmt, wenn sie erst einmal zu einer neuen Arbeiterpartei geworden ist?“. Oder, noch realistischer: Wenn eine neue Arbeiterpartei analog zur TUSC entsteht und mit ihre zusammen Teil dieses Prozesses wird.
Tatsächlich gibt es keine absoluten Garantien und ganz sicher keine Sicherheit, dass die eine oder andere Struktur, die einzig wahre ist, mit der es am Ende wirklich zu einer Arbeiterorganisation kommen wird. Es gibt Gewerkschaften, die als Kampf-Organisationen der Arbeiterklasse gegründet wurden und bei denen es sich heute nur noch dem Namen nach und aufgrund ihres Auftretens um „Gewerkschaften“ handelt. Das kann natürlich auch umgekehrt gelten. Denkt nur an das vollkommen veränderte Auftreten der Mitglieder des „Royal College of Midwives“ bei der TUC-Demonstration im Oktober. Das war die erste Streikaktion in der 130-jährigen Geschichte ihrer Organisation! (Beim „Royal College of Midwives“ handelt es sich um eine Vereinigung der Hebammen; Anm. d. Übers.)
Der Punkt ist, dass es Arbeiterorganisationen – Gewerkschaften, Parteien und selbst Streikkomitees oder Arbeiterausschüsse oder Räte – geben kann, die degenerieren und mit den Interessen der Arbeiterklasse in Konflikt geraten. Für MarxistInnen ist es stets wichtig, innerhalb solcher Strukturen zu arbeiten und für ein klares sozialistisches Programm einzutreten. Es stimmt aber auch, dass die Arbeiterklasse nur von einer „Klasse an sich“ zur „Klasse für sich“ werden kann, wenn sich die ArbeiterInnen unabhängig organisieren. Sie müssen sich über ihre eigenen Interessen als Klasse im Klaren und in der Lage sein, auf der Grundlage eines solchen Bewusstseins zu handeln. Ohne uns in Gewerkschaften und in einer Arbeiterpartei zu organisieren, würden wir vereinzelt bleiben – am Arbeitsplatz aber auch politisch. Damit würden wir gegenüber den Kapitalisten wehrlos bleiben.
In der kommenden Zeitspanne werden alle Organisationen einen Testlauf durchmachen müssen, und die Parlamentswahlen werden die Krise der sogenannten etablierten und kapitalistischen Parteien noch verschärfen. Doch die objektive Notwendigkeit einer unabhängigen politischen Organisation der Arbeiterklasse wird im Zeitalter der Austerität bestehen bleiben, und die TUSC ist bereit, eine wesentliche Rolle im Prozess auf dem Weg zu einer neuen Arbeiterpartei zu übernehmen, die dieser Notwendigkeit entspricht.