Erklärung von Xekinima zur Eskalation des Konflikts zwischen der EU und der SYRIZA-geführten Regierung vom 8. Februar 2015
Vorbemerkung: Xekinima ist die Schwesterorganisation der SAV in Griechenland. Sie hat zur Wahl Syrizas aufgerufen und trat für eine Linksregierung von Syriza und Kommunistischer Partei auf Basis eines sozialistischen Programms ein. Xekinima beteiligt sich an sozialistischen Einheitsprojekten, wie der „Initiative der Eintausend“, die revolutionäre Linke aus den verschiedenen Linksparteien SYRIZA, ANTARSYA und KKE zusammen bringen.
Die ersten Tage, die SYRIZA nun an der Regierung ist, haben Millionen von ArbeiterInnen in Griechenland wieder zum Lächeln gebracht, ihnen Hoffnung und Optimismus, aber auch das Gefühl von Stolz gegeben. Bei den öffentlichen Zusagen der neuen Regierung und den ersten Schritten, die unternommen worden sind, handelt es sich nicht um Kleinigkeiten: Wiedereinführung des Mindestlohns von 750 Euro, Abschaffung arbeitnehmerfeindlicher Gesetze, Wiederherstellung von Tarifverhandlungen, Wiedereinführung des Weihnachtsgeldes für BezieherInnen niedriger Renten, ein Ende der Zwangsvollstreckungen, Wiedereinsetzung der Beschäftigten des öffentlichen Fernsehsenders ERT (der von der Vorgängerregierung geschlossen worden war), das Ende der Privatisierungen, Wiedereinstellung der verfassungswidrig und ohne rechtliche Grundlage entlassenen Beschäftigten im öffentlichen Dienst, Abschaffung der sogenannten „Evaluation“ der Beschäftigten im öffentlichen Dienst (wodurch 15 Prozent von ihnen als „ineffizient“ und folglich als freizusetzen deklariert worden sind), Abschaffung der Krankenhausgebühren (5 Euro pro Aufenthalt in allen Hospitälern), Wiedereinführung des Sonntags als freier Arbeitstag (d.h. Geschäfte müssen am Sonntag geschlossen bleiben) etc. Für eine Gesellschaft, die das zerstörerische Unwetter durchlebt hat, das ihr die Troika-hörigen bisherigen Regierungen beschert haben, bedeuten diese angekündigten Reformen eine große Veränderung. Sie sind der Anfang einer „Gegenoffensive“ der abhängig Beschäftigten, um zurückzuholen, was uns in den vergangenen Jahren geraubt worden ist.
Es gibt jedoch einige, die das Lächeln zerstören wollen …
Einige Instanzen scheinen aber entschlossen zu sein, das Lächeln der griechischen ArbeiterInnen ausmerzen zu wollen. Die Entscheidungen der „Europäischen Zentralbank“ (EZB) vom 4. Februar und die Haltung der deutschen Regierung, die beim Treffen zwischen Schäuble und dem griechischen Finanzminister Varoufakis am 5. Februar klargemacht worden ist, sprechen eine sehr klare Sprache: Man ist nicht gewillt, der griechischen Regierung irgendwelche ernsthaften Zugeständnisse zu machen, die bemüht ist, die grundlegendsten Rechte der griechischen Arbeiterklasse und der verarmten Schichten sicherzustellen.
Gemessen an ihren ersten Ankündigungen aber auch aus ökonomischer Sicht ist das, was die griechische Regierung von den sogenannten „europäischen Partnern“ verlangt, in Wirklichkeit nicht besonders viel. Die Bemühungen der Regierung richten sich in erster Linie darauf sicherzustellen, dass der jährliche Primärüberschuss nicht bei vier Prozent oder mehr, sondern bei einem bis 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) liegt. Gelingen soll dies durch eine Streckung der Schuldenzahlungen und niedrigere Zinsen auf griechische Schulden. Da es bei den „Verhandlungen“ um ein bis 1,5 Prozent geht, könnte man sich in einer Übereinkunft bei rund zwei bis 2,5 Prozent statt besagter vier Prozent oder mehr treffen. Auf diese Weise würden die Gläubiger – statt der rund vier Prozent des BIP – jährlich eine kleinere Summe an Schuldentilgungen erhalten.
Am Ende kommen auf´s Jahr gesehen nur ein paar Milliarden Euro dabei heraus (ca. drei bis vier Milliarden). Fakt ist, dass das eine vergleichsweise niedrige Summe ist. Es würde die Regierung aber – ein klein wenig – von einer Bürde entlasten, die Millionen von ArbeiterInnen, Erwerbslosen und verarmten Menschen in Griechenland in Form von Armut und Verzweiflung aufoktroyiert worden ist. Doch selbst zu diesem kleinen Zugeständnis hat das Brüsseler Direktorium „Nein“ gesagt.
SYRIZA macht weitreichende Zugeständnisse
Schon jetzt hat die Regierung unter Führung von SYRIZA in ihren Bemühungen, mit den sogenannten „Partnern“ in der EU zu einer Übereinkunft zu kommen, ihrerseits zu viele Zugeständnisse gemacht. Die Frage der Schulden-Reduzierung („Schuldenschnitt“ oder „Abschreibung des größten Teils“) wurde genauso ausgeklammert wie die Idee einer „europaweiten Schulden-Konferenz“. Auch wurde kein Bezug mehr genommen auf den historischen Präzedenzfall einer Reduzierung der deutschen Schulden nach dem Zweiten Weltkrieg. Den Punkt der Rückverstaatlichung bereits privatisierter ehemals öffentlicher Unternehmen hat SYRIZA aufgegeben. Yanis Varoufakis ging sogar so weit zu behaupten, dass jede Form von Investition willkommen sei. So zum Beispiel im Falle von „Cosco“, einem chinesischen Konzern, der den Hafen von Piräus kaufen will. Laut Varoufakis würde damit die „Wirtschaft modernisiert“ und „die Wettbewerbsfähigkeit befördert“. Varoufakis machte auch deutlich, dass sämtliche Schulden Griechenlands „natürlich inklusive der Zinsen“ zurückgezahlt werden. Die Minister Dragasakis und Sakellaridis haben klargemacht, dass die Regierung die Verwaltungen der großen Finanzkonzerne nicht antasten wird (obwohl die Banken mehrheitlich dem Staat gehören, die Verwaltungen bzw. Geschäftsführungen jedoch in den Händen der alten privaten Besitzer liegen).
Trotz all dieser Zugeständnisse, die SYRIZA gemacht hat, haben die EZB und die herrschende Klasse in Deutschland „Nein“ gesagt. Und nicht nur sie! Sogar die angeblichen „Verbündeten“ Griechenlands – namentlich der französische Präsident Hollande und der italienische Premierminister Renzi – haben sich hinter die EZB und Schäuble gestellt. Sie taten dies mit derselben Leichtigkeit, mit der sie einen Tag vorher noch Tsipras umarmt hatten und erklärten, sie hätten „Verständnis“ und „Solidarität“ mit den Forderungen aus Griechenland! Wer solche „Freunde“ hat, braucht keine Feinde mehr!
Dies sind keine „Verhandlungen“, es ist ein „Krieg“
Die griechische Regierung sagt, dass jetzt „Verhandlungen“ begonnen hätten. Was aber direkt am ersten Tag nach dem Wahlsieg von SYRIZA begonnen hat, ist ein regelrechter „Krieg“!
Wie von Xekinima (der Schwesterorganisation der SAV und Sektion des CWI in Griechenland, A.d.Ü.) in vielen Artikeln und Erklärungen schon prophezeit, wird Brüssel den Versuch, die Austerität in Griechenland auf den Müllhaufen der Geschichte zu werfen, nicht tolerieren. Vor allem deshalb nicht, weil für die Bevölkerungen im Rest Europas und vornehmlich in den südlichen Ländern damit ein Exempel statuiert wäre.
Das Direktorium in Brüssel und die herrschende Klasse Europas sind nicht gewillt hinzunehmen, dass sich die abhängig Beschäftigten in Griechenland nicht unterordnen und verneigen wollen. Brüssel verlangt von uns, in den nächsten Jahrzehnten munter weiter zu bezahlen für Schulden, die wir nicht angehäuft und die wir nicht zu verantworten haben. Auf diese Weise würden die, die tatsächlich dafür verantwortlich sind, weiterhin ihre Profite machen und auf unsere Kosten noch reicher werden.
Ihre „Waffe“ ist die Drohung mit dem Ausstieg aus der Eurozone
Die „Waffe“ der Troika besteht wieder einmal darin, mit einem Ausschluss Griechenlands aus der Eurozone zu drohen, indem man die Finanzierung des Haushaltsdefizits beendet und nicht mehr über die EZB für die Liquidität des griechischen Bankensystems sorgt.
Das bedeutet nicht, dass sie den Ausstieg Griechenlands aus der Eurozone an sich wollen. Sie wissen sehr genau, dass dies Kosten verursachen würde und dass damit ernsthafte (und sehr zeitnahe) Gefahren für die Stabilität der Eurozone und die Konjunktur in Europa einhergehen. Aus ihrer Sicht würde es allerdings wesentlich teurer werden, wenn es einem kleinen Land wie Griechenland gelänge, die komplette Austeritätspolitik abzustreifen, die sie der gesamten EU auferlegt haben. Von daher wollen sie die Eurozone aufrechterhalten und Griechenland in der Eurozone halten – allerdings unter der Bedingung, dass die Bevölkerung Griechenlands sich ihren Forderungen unterordnet!
Mit anderen Worten: Sie wollen uns in der Eurozone halten, wir sollen dabei aber in die Knie gehen! Das bedeutet, dass sie – um einem neuen Abkommen zuzustimmen – die SYRIZA-Regierung dermaßen unter Druck setzen, dass letztere eine neue Übereinkunft akzeptiert und dafür im Gegenzug nichts als „Peanuts“ erhält!
Wie muss unsere Antwort aussehen?
Die Arbeiterklasse Griechenlands, die Masse der Bevölkerung und die sozialen Bewegungen müssen von der neuen griechischen Regierung einfordern, keinen einzigen Schritt zurück zu weichen!
Die griechische Regierung ist bemüht, den Hurrikan, der die griechische Gesellschaft zerstört, zu beenden. Wenn die Antwort Brüssels darin besteht, jegliche Finanzierung einzustellen und den finanziellen Erstickungstod auszulösen, dann darf unsere Antwort darauf nur wie folgt lauten: Der Euro ist nicht das „goldene Kalb“, das Brüssel aus ihm macht.
Wie Yanis Varoufakis vor kurzem noch gesagt hat und wie jedeR in Griechenland weiß, fließen mehr als neunzig Prozent der Summen, die die Troika Griechenland zur Verfügung stellt, zurück an die Gläubiger. Die Antwort ist also einfach: „Wenn ihr uns nicht die Euros gebt, die nötig sind um die Schulden zurückzahlen zu können, dann werdet ihr auch keine Rückzahlung dieser Schulden sehen.“
Wir müssen uns erheben und energisch ausrufen: Wir werden ihre Schulden nicht zahlen und wir werden dazu übergehen, das Bankensystem zu verstaatlichen. Das heißt, es in die Hände der Gesellschaft und der Beschäftigten zu legen. Wir werden die Schaltzentralen der Wirtschaft verstaatlichen. Wir werden die Kontrolle und Geschäftsführung in die Hände der Beschäftigten und der Gesellschaft legen. Das heißt Demokratie! Und wir werden die Korruption und den Diebstahl beenden. Wir werden das Spiel der Spekulation beenden, indem wir den Devisen- und Außenhandel unter staatliche Kontrolle stellen. Wir werden die Wirtschaft unter Planung stellen, um den Bedürfnissen der ArbeiterInnen und der Masse der Bevölkerung zu entsprechen. Wir werden demokratische Strukturen in der Gesellschaft aufbauen, indem wir in den Betrieben und Kommunen Versammlungen einberufen und Basiskomitees gründen. Auf diese Weise können wir die Entscheidungen kontrollieren, die unser Leben bestimmen.
Dies ist die Antwort auf die Drohungen von Draghi und Schäuble. Gleichzeitig sollten wir uns echte Verbündete suchen! Diese werden wir nicht auf Regierungsebene finden (weder in Südeuropa oder sonstwo auf diesem Kontinent) sondern unter den arbeitenden Massen und den erstarkenden Kräften der Linken, wie wir sie bereits in einer Reihe von europäischen Ländern erleben können – im Süden, im Norden aber auch weltweit.
Die Führung von SYRIZA glaubt, dass er die Europäische Union, die EU der Bosse und die multinationalen Konzerne „reformieren“ kann, dass man diese durch „Verhandlungen“ demokratisieren und menschlich machen kann. Wir müssen der SYRIZA-Führung sagen, dass sie damit falsch liegt!
Bei der EU und der Eurozone der Bosse, die wir nur allzu gut kennen, handelt es sich um eine durch und durch reaktionäre, undemokratische und überkommene Struktur, die zu nichts anderem in der Lage ist, als eine brutale, arbeitnehmerfeindliche und barbarische Politik umzusetzen. Diese Strukturen müssen auf den Müllhaufen der Geschichte geworfen werden. Das ist die Aufgabe der Arbeiterklasse. Und durch den gemeinsamen Kampf der Arbeiterklasse in ganz Europa können wir das schaffen. Ziel muss es sein, zu einem Europa zu kommen, das nicht von den Arbeitgebern und den multinationalen Konzernen kontrolliert wird, sondern von den Beschäftigten selbst: ein Europa, das auf freiwilliger und demokratischer Basis gleichberechtigt vereint ist – ein sozialistisches Europa.