Gegen Stigmatisierung, Ausgrenzung und Sündenbockpolitik
In Bremen treten zu den Bürgerschaftswahlen gleich zwei rechtspopulistische Parteien an: Neben der AfD auch die „Bürger in Wut“. Beide machen Stimmung gegen Flüchtlingsunterkünfte und minderjährige unbegleitete Flüchtlinge. Beiden schlägt aber auch ein scharfer Gegenwind von antirassistischen Aktivitäten entgegen. Die SAV spielt hier eine wichtige Rolle.
von Sebastian Rave, Bremen
Bremen ist SPD Hochburg, daran wird sich auch nach der Wahl nichts ändern. Dabei gibt es allen Grund, die SPD abzustrafen: Bremen ist das Land mit der höchsten Armutsquote, besonders Kinder sind von Armut bedroht (33,7 Prozent). Unzählige Kürzungen im Bildungsbereich sorgen für eine mehr als lückenhafte Unterrichtsversorgung. Und auch bei der Arbeitslosenquote ist Bremen Spitzenreiter: 11,1 Prozent aller BremerInnen haben keinen Job. Dagegen gibt es immer wieder Proteste, die sich auch zu einem verbesserten Wahlergebnis der LINKEN ausdrücken werden. Prognosen sehen DIE LINKE bei über 8 Prozent (2011: 5,6 Prozent).
Aber auch von Rechts gibt es Stimmungsmache. Besonders aus den abstiegsbedrohten Mittelschichten z.B. in Bremen Nord gibt es Proteste gegen Flüchtlingsunterkünfte, wie z.B. in der Rekumer Straße in Farge, dem äußersten Ende von Bremen Nord. Hier werden unbegleitete minderjährige Flüchtlinge untergebracht und betreut. Eine Bürgerinitiative nutzte die Straffälligkeit von einzelnen, um gegen die Unterbringung von Flüchtlingen in ihrer Nachbarschaft generell zu hetzen. Wortführer der Bürgerinitiative: Fritjof Balz, der Kontakte zu Nazis und Hells Angels nicht leugnet, und jetzt für die „Bürger in Wut“ (BiW) Spitzenkandidat ist. Die Bürger in Wut sind eine rechtspopulistische Splitterpartei, die aus der Schill-Partei hervorgegangen sind. Auf Wahlplakaten der BiW ist die Flüchtlingsunterkunft in der Rekumer Straße abgebildet, darunter steht der ekelhafte Slogan: „Vollzug statt schöner Wohnen“. Das Programm der BiW besteht vor allem darin, Angst vor steigender Kriminalität zu schüren, und als Antwort darauf „Bürgerwehren“ zu fordern. Einen Vorgeschmack dieser Bürgerwehren mussten linke AktivistInnen des Infoladens „Katzensprung“ in Bremen Nord erleben: Wiederholt wurden sie von patrouillierenden „Bürgern in Wut“ eingeschüchtert und sogar bis nach Hause verfolgt – angeblich, weil sie Plakate der Rechtspopulisten beschädigt hätten.
Lautstarker Protest gegen Rassisten in Wut
Letzten Samstag hatten die Wutbürger zu einem „Spaziergang“ unter dem Motto „Wer antanzt, kann abtanzen“ vor dem Hauptbahnhof eingeladen. Ihr „Protest“ richtete sich vordergründig gegen Taschendiebe – natürlich ging es ihnen aber mal wieder darum, rassistische Vorurteile gegen minderjährige Flüchtlinge zu verbreiten. In nur zwei Tagen wurde eine antirassistische Gegenkundgebung unter dem Motto „Wutbürger wegtanzen“ von dem „Bündnis gegen Rassismus und Rechtspopulismus“ auf die Beine gestellt, initiiert von der SAV. Über 150 Menschen folgten diesem kurzfristigen Aufruf, während auf der Gegenseite fünf (!) Wutbürger eine armselige Kundgebung abhielten. Deren Hetze wurde durch Reden, Trillerpfeifen und Musik übertönt. Der Autor dieser Zeilen fragte die Rechtspopulisten in seinem Redebeitrag: „Wann fangt ihr an, etwas gegen die Parteien zu machen, die mit Hartz IV und Sozialabbau Millionen von Menschen bestohlen und in die Armut getrieben haben? Wann fangt ihr an, etwas gegen Rüstungskonzerne zu machen? Das sind die wirklichen Verbrecher, die Waffen in Krisengebiete liefern! Wann fangt ihr an, etwas gegen die Verbrecher in der Europäischen Kommission zu machen? Die Politiker, die Europa abschotten und die Flüchtlinge im Mittelmeer ersaufen lassen. Die Mörder regieren uns, und ihr empört euch über Taschendiebe!“. Nach etwa einer halben Stunde zogen die Wutbürger schließlich frustriert ab.
Bündnis gegen Rassismus und Rechtspopulismus gegen die AfD
Das Bündnis gegen Rassismus und Rechtspopulismus hatte am 31. Januar eine Großdemo mit knapp 10.000 TeilnehmerInnen gegen den AfD-Parteitag und den Rassismus von Pegida&Co organisiert. Neben der Kritik an Rassismus und Rechtspopulismus stand dabei auch immer die gemeinsame Gegenwehr gegen Sozialabbau im Vordergrund, der für die Rechten als Anlass genutzt wird, gegen MigrantInnen zu hetzen. Das Bündnis ist seitdem aktiv geblieben: Für die Wahlen wurde ein Faltblatt mit „fünf Argumenten gegen Rechtspopulismus“ erstellt, das in einer hohen Auflage verteilt und in Briefkästen gesteckt wurde. Bei Infoständen der AfD standen SAV-Mitglieder bereit, um die Gegenargumente an Interessierte zu liefern – sehr zum Unmut der Rechtspopulisten. Diese erlebten 3 Tage vor der Wahl nochmal einen schwarzen Tag: Aufgrund des Lokführerstreiks steckte Bernd Lucke im Stau und erschien nur mit großer Verspätung zu den Wahlkampfterminen in Bremerhaven und später in Bremen. Hier wurde er mit einer vom Bündnis kurzfristig organisierten Kundgebung von 100 Menschen gegen Rechtspopulismus konfrontiert. Lucke wählte den Seiteneingang, um zu den ca. 50 ZuhörerInnen zu gelangen, nach einer Stunde muss er seinen Vortrag abbrechen, weil das Parkhaus schloss. Am gleichen Abend wurde zu ihrem Pech noch bekannt, dass in die Geschäftsstelle der AfD eingebrochen worden war und sämtliche Computer mitgenommen wurden. Es bleibt abzuwarten, ob die AfD einen weiteren schwarzen Tag auch am Wahlabend erleben wird. Umfragen sehen sie bei (wahrscheinlich aufgerundeten) 5 Prozent. Falls den Rechtspopulisten der Einzug in die Bürgerschaft nicht gelingt, würde das die Krise innerhalb der AfD verschärfen. Für das Bündnis und seine MitstreiterInnen gäbe es jedenfalls einen Grund zu feiern, es wäre schließlich auch der Verdienst von viel harter Arbeit in den letzten Wochen und Monaten.