Nötig ist ein Aktionsplan für einen Generalstreik
Bericht von „Alternatywa Socjalistyczna“ (Schwesterorganisation der SAV und Sektion des CWI in Polen)
Am 18. April fand in Warschau eine Großdemonstration statt, zu der der Gewerkschaftsbund OPZZ aufgerufen hatte. Beschäftigte aus allen Branchen versammelten sich gegen die neoliberale Politik der Regierung und forderten die Umsetzung einer arbeitnehmerfreundlichen Politik, angemessene Arbeitsverträge, Löhne und Renten, Steuern etc.
Beim OPZZ (dt.: „Gesamtpolnischer Gewerkschaftsverband“) handelt es sich um den zweitgrößten Dachverband im Land, der rund eine halbe Million Mitglieder vertritt. Der Vorstand des OPZZ tendiert traditionell in Richtung der Sozialdemokratie. Diese Demonstration war die erste landesweite und unabhängig durchgeführte Mobilisierung, die der OPZZ seit Jahren durchgeführt hat. Geht man davon aus, dass der Vorstand dieses Gewerkschaftsbundes 50.000 TeilnehmerInnen als Ziel avisiert hatte, so wirkt die tatsächliche Zahl von geschätzten 65.000 KollegInnen wie ein echter Erfolg für den OPZZ-Vorsitzenden Jan Guz und ein Zeichen der Stärke für die Mitglieder dieser Gewerkschaft.
Stundenlang blieb die Hauptstadt durch die Anwesenheit der ArbeiterInnen blockiert. Von unterschiedlichen Startpunkten aus, die in der Stadt verteilt lagen, setzten sich insgesamt vier Demozüge gleichzeitig in Bewegung, um am Ende vor dem Amtssitz des Premierministers aufeinanderzustoßen. Offensichtlich mit am stärksten war die Beteiligung der Gewerkschaft der LehrerInnen. Aus dem ganzen Land, auch aus kleineren Orten und abgelegenen Regionen, waren mehr als 20.000 PädagogInnen nach Warschau gekommen. Es waren aber auch eine Vielzahl von Bergleuten, Beschäftigten aus der Energiebranche, Feuerwehrleute, Stahl- und MetallarbeiterInnen sowie eine ganze Reihe anderer KollegInnen vertreten.
Die allgemeinen Forderungen fokussierten sich auf eine Anhebung des Mindestlohns (und die Einführung eines Mindest-Stunden-Lohns), Kampf gegen prekäre Arbeitsverträge, Steuersenkungen für Arme, Senkung des Renteneintrittsalters. Hinzu kamen Forderungen von Beschäftigten, die mit branchenspezifischen Problemen, insgesamt aber meist mit der Verschlechterung von Arbeitsbedingungen zu tun hatten. So protestierten die BahnerInnen zum Beispiel gegen die Privatisierung der Bahn. LehrerInnen, Feuerwehrleute und andere Beschäftigte des öffentlichen Diensts forderten ein Ende der eingefrorenen Löhne die KollegInnen aus dem öffentlichen Dienst betonten ihren Widerstand gegen Kürzungen, Privatisierungen und Outsourcing. Der Fokus vieler Beschäftigten sowohl aus der Privatwirtschaft wie auch des öffentlichen Dienstes lag – vor allem unter den jüngeren KollegInnen – auf dem enormen Ausmaß an prekärer Beschäftigung und Zeitarbeitsverträgen (den sog. „Schrott-Verträgen”).
Bei dieser Kundgebung hat es sich allerdings nicht um die größte Demonstration von ArbeiterInnen gehandelt, zu der es in den letzten Jahren gekommen ist. 2013 brachten die drei großen Gewerkschaftsbünde „Solidarność“, OPZZ und „Forum“) 200.000 ArbeiterInnen auf die Straße, um gegen die Regierungspolitik zu protestieren. Leider kam es damals zu keinerlei Folgeveranstaltung. Es wurde bisher nie eine Strategie aufgestellt, mit der man in Richtung eines Generalstreiks gekommen wäre (ein Aufruf in dieser Richtung hätte damals die massive Unterstützung der in den Gewerkschaften organisierten ArbeiterInnen bekommen). Das ist der Grund, weshalb die brutalen Angriffe auf die Arbeiterklasse kein Ende fanden und die Arbeiterbewegung ins Abseits geriet – bis zu den spontanen Arbeitsniederlegungen der Kohlebergleute Anfang 2015.
Wie geht es weiter?
Bedauerlicher Weise scheint es nach der Demonstration vom 18. April genauso weiterzugehen. Von der landesweiten Führung der Gewerkschaften gibt es keinen Plan für weitere Aktionen. Und das, obwohl sie in ihren Reden im April zu einigen radikalen Phrasen in der Lage waren (so wurde z.B. erklärt, dass ein Dialog mit der Regierung „reine Illusion“ sei). In einigen Branchen bringen u.a. die unerträglichen Arbeits- und Einkommensbedingungen gewerkschaftliche Untergliederungen dazu, konkretere Erklärungen herauszubringen. So haben beispielsweise die LehrerInnen, das Krankenhauspersonal, Postbeschäftigte und EisenbahnerInnen ihre Absicht erklärt, in den entsprechenden Branchen Streiks vorbereiten zu wollen, wenn ihre Forderungen bis September nicht erfüllt werden. Nur zwei Tage vor der oben beschriebenen Massendemonstration haben die StahlarbeiterInnen bei „ArcelorMittal“ in Kraków eine Massenkundgebung gegen die mögliche Schließung der letzten Hochöfen abgehalten und in ihren Reden verzweifelt dazu aufgerufen, dass es doch zu radikaleren Kampf-Formen kommen müsse.
In nahezu allen Branchen haben die abhängig Beschäftigten die Nase voll, weil sich die Bedingungen immer weiter verschärfen. Unter den ArbeiterInnen nimmt der Grad an Radikalisierung stetig zu. Von daher ist es an der Zeit, sie jetzt in koordinierten Aktionen zusammenzubringen. Wir brauchen eine Strategie, mit der in allen Branchen und Regionen Streiks und Demonstrationen organisiert werden können, die dann in einen landesweiten Generalstreik münden müssen. Solche Kämpfe müssen von den Mitgliedern der Gewerkschaften organisiert werden. Trotz der Tendenz zu größerer Einheit unter den traditionell getrennt agierenden Gewerkschaftsbünden, die in den letzten Jahren zu verzeichnen war (so gab es z.B. gemeinsame Programme), gibt es wieder Anzeichen dafür, dass es zu erneuter innergewerkschaftlicher Rivalität kommt („Solidarność“ hat es auf sektiererische Weise beispielsweise abgelehnt, gemeinsam mit der OPZZ und ihrer Lehrergewerkschaft in den Konflikt mit der Arbeitgeberseite zu gehen). Die Einheit der ArbeiterInnen muss sich in der Einheit im Kampf ausdrücken – nicht nur im gemeinsamen Unterzeichnen von Manifesten.
Mitglieder von „Alternatywa Socjalistyczna“, der Schwesterorganisation der SAV und Sektion des CWI in Polen, haben an der Demonstration vom April teilgenommen und dabei Parolen in den Vordergrund gestellt, mit denen eine Strategie eingefordert wurde, die auf einen Generalstreik hinauslaufen. Wir sagen, dass die ArbeiterInnen die Idee des Generalstreiks in die Gewerkschaften tragen und ihre vorstände auffordern müssen etwas zu unternehmen. Oder dass sie – sollten man damit scheitern – ihre eigenen Aktionen organisieren müssen, um Arbeitsplätze zu verteidigen und zurück zu den Renten und Arbeitnehmerrechten zu kommen, die in den letzten Jahren verloren gegangen sind. Wir sagen auch, dass unmittelbar gewerkschaftliche Forderungen (und mögen sie unter den Massen noch so populär sein) verknüpft werden müssen mit einem breit angelegten Programm für Verstaatlichungen, bei der die Kontrolle und die Geschäftsführung über die Betriebe in die Hände der Beschäftigten gelegt wird. Außerdem sagen wir, dass die Wirtschaft einer sozialistischen und demokratischen Planung unterliegen muss.