Warum die Antikriegsbewegung nicht politisch neutral sein kann
In der Friedensbewegung gibt es aktuell eine Debatte, welche Bündnisse mit welchen Kräften zulässig sind. Wie links kann, darf oder muss die Friedensbewegung sein?
Von Georg Kümmel, Köln
Wir leben in einer Klassen-Gesellschaft. Im wesentlichen ist da die Klasse der Kapitalisten auf der einen Seite und die Klasse der Arbeitenden (abhängig Beschäftigte, Erwerbslose) auf der anderen Seite. Rechts ist, was den Kapitalisten nutzt, links ist was im Interesse der Arbeitenden und Armen ist.
„Millionäre besteuern“ ist linke Politik, „Unternehmenssteuern senken“ ist rechte Politik.
So weit, so einfach. Was ist mit Friedenspolitik? In jedem kapitalistischen Krieg werden die Arbeitenden und Armen verschiedener Länder aufeinander gehetzt. Ihre Schwäche liegt in der Spaltung und ihrer Unwissenheit um die Zusammenhänge. Spaltung in Nationalitäten, Hautfarben, Religionen. Alles, was diese Spaltung aufrecht erhält und vertieft ist rechts.
Vernebeln ist rechts
„Kapitalismus bedeutet Krieg“ – haben Lenin und Luxemburg vor hundert Jahren geschrieben. Das Grundprinzip kapitalistischer Konkurrenz, nämlich das jeweils eigene Kapital endlos zu vermehren, muss in einer Welt mit begrenzten Ressourcen zu Konflikten führen.
Eine dauerhafte Lösung, also die Ausrottung von Kriegen und Kriegsgefahren, kann demnach nur in der Überwindung des Kapitalismus liegen.
Wenn das die Lösung für das Problem „Krieg“ ist, dann besteht die Aufgabe von Linken darin, auch in der Friedensbewegung sozialistische Ideen zu verbreiten. Das stärkt diese gleichzeitig, weil sie für diejenigen, die Kriege verantworten, gefährlicher wird, je stärker in ihr die bestehenden Gesellschaftsverhältnisse in Frage gestellt werden.
Die Kapitalisten und ihre Regierung haben natürlich ein Interesse daran, die wahre Ursache des Problems „Krieg“ zu verschleiern. Jeder, der ihnen dabei hilft, etwa mit Verschwörungstheorien, betreibt rechte Politik. Ob er beziehungsweise sie dies bewusst oder unbewusst tut, ob dahinter gute oder schlechte Absichten stecken, spielt für das Ergebnis keine Rolle.
Welche Bündnisse sind sinnvoll, welche sollten abgelehnt werden, wo ist die Grenze?
Größe allein reicht nicht. Historisch gesehen wurde immer und immer wieder massenhaft gegen Militarismus, Aufrüstung und Krieg demonstriert – ohne nachhaltigen Erfolg. Andererseits, eine Friedensbewegung, die nur aus denjenigen Menschen bestehen würde, die bereits davon überzeugt sind, dass Kapitalismus Krieg bedeutet und die Lösung eine sozialistische Demokratie ist, wäre heute wohl ziemlich klein.
Das bedeutet, dass Linke die explizite Position den Kapitalismus abschaffen zu wollen, nicht zur Bedingung für Antikriegsdemonstrationen machen sollten. Gleichzeitig sollten sie dafür eintreten, dass Aufrufe der Friedensbewegung die ökonomischen und machtpolitischen Interessen hinter den Kriegen benennen und Forderungen aufstellen sollten, die sich dagegen richten.
Die Grenze ist aber dann erreicht, wenn rechte Ideen propagiert werden.
Gemeinschaftspraxis mit Quacksalbern?
Ein Arzt der eine lebensbedrohliche Krankheit erkennt, um die Ursachen weiß und entsprechend behandelt, ist gut. Ein Arzt, der einem Patienten nicht helfen kann, weil er nicht weiß, was die Ursache der Erkrankung ist, dies aber offen sagt, richtet zumindest keinen Schaden an.
Ein Quacksalber, der in derselben lebensbedrohlichen Situation einen Aderlass empfiehlt, wird hingegen tödlich sein. Dabei ist es für das Ergebnis egal, ob er dies aus Unwissenheit tut oder sogar wider besseres Wissen, weil er etwa mit dem Handel des Blutes noch ein Geschäft machen will.
Es kann Sinn machen, vor der Praxis des Quacksalbers Flugblätter zu verteilen, um vor den falschen Rezepten zu warnen.
Auf keinen Fall aber darf man mit dem Quacksalber eine Gemeinschaftspraxis eröffnen. Im Gegenteil, eine klare öffentliche Abgrenzung von dessen gefährlichen, entweder unwissenschaftlichen oder gar von gegensätzlichen Interessen geleiteten Methoden, ist unabdingbar.