Gegen sexuelle Diskriminierung
von Oisin Kelly, „Socialist Party“ (Schwesterorganisation der SAV und Sektion des CWI in Irland)
Beim Referendum vom 22. Mai haben in Irland 62 Prozent für die gleichgeschlechtliche Ehe gestimmt. Junge Menschen, Angehörige der LGBTQ-Community (=Homo-, Bi-, Transsexuelle und Queer), Frauen und die Arbeiterbezirke stimmten mit überwältigenden Mehrheiten dafür, LGBTQ-Paaren, die dies wünschen, das Recht zu heiraten zuzugestehen. Am 17. Juni stimmte nun der Dáil (das irische Parlament) mehrheitlich für eine Gesetzesvorlage, die von der „Socialist Party“ und der „Anti-Austerity Alliance“ (dt.: „Bündnis gegen die Austerität“) eingebracht worden ist. Es geht um die Gleichbehandlung von Angehörigen der LGBTQ-Community am Arbeitsplatz.
Unsere Gesetzesvorlage zielt darauf ab, das Recht kirchlicher Schulen, Krankenhäuser und anderer Betriebe aufzuheben, die mit dem Verweis auf die bei ihnen herrschenden „religiösen Anschauungen“ Beschäftigte oder angehende Beschäftigte immer noch diskriminieren können. In der Republik Irland befinden sich 96 Prozent der Grundschulen und 52 Prozent der weiterführenden Schulen in der Trägerschaft der christlichen Kirchen und anderer religiöser Organisationen.
Der Stellenwert der religiösen Anschauung in den Schulen führt dazu, dass LehrerInnen, die der LGBTQ-Community angehören, eingeschüchtert werden und sorgt für einen „abschreckenden Effekt“, wenn es in der Schule zu Fragen kommt, die das Thema LGBTQ betreffen. Wenn sie offen erklären zur LGBTQ-Community zu gehören oder offensiv gegen homophobes Verhalten einschreiten, dann riskieren LehrerInnen entlassen zu werden oder künftig schlechtere Aufstiegschancen zu haben.
Jetzt kommt es plötzlich zu einer äußerst merkwürdigen Situation: LehrerInnen können aufgrund des Referendums nun auch ihreN gleichgeschlechtlicheN PartnerIn heiraten, müssen aber weiterhin Angst haben dies den ArbeitskollegInnen zu erzählen, weil das negative Folgen haben könnte. LGBTQ-Gruppen haben jahrelange Kampagnenarbeit in den Lehrergewerkschaften geleistet und dabei etliche Beispiele von LehrerInnen angeführt, die an einem Montagmorgen nach einem Wochenende, an dem sie mit ihrer/m PartnerIn oder in bestimmten Lokalen gesehen worden waren, „zu einem Gespräch“ mit der Schulleitung gebeten worden sind. Danach mussten sie oft erleben, wie es ist plötzlich gemieden zu werden.
In Irland hat das Gesetz zwar nicht dazu geführt, dass LehrerInnen, die zur LGBTQ-Community gehören oder AtheistInnen sind, entlassen wurden. Es gibt aber zahllose Beispiele von schwulen Lehrern, die bei der Verteilung von Verantwortlichkeiten in den Betrieben oder bei Beförderungen übergangen worden sind. 1982 gab es den Fall der Lehrerin Eileen Flynn, die ihren Job verlor, weil sie eine Beziehung zu einem getrennt lebenden Mann eingegangen war (damals konnte man sich in Irland noch nicht scheiden lassen). Dann wurde sie schwanger. Auch im Berufungsverfahren wurde ihre Kündigung für rechtens erklärt, und das Gesetz blieb in Kraft.
Die Regierung hat unseren Gesetzentwurf nicht deswegen gebilligt, weil sie den Antrag der „Socialist Party“ und der „Anti-Austerity Alliance“ unterstützt. Immerhin haben sie vor drei Jahren im Senat noch gegen eine wesentlich schwächer formulierte Gesetzesvorlage zu diesem Thema gestimmt. Der Unterschied zu damals besteht darin, dass es nun eine Bewegung gibt, die volle Rechte für alle fordert und in der Bevölkerung verankert ist. Man traut sich nicht gegen einen Gesetzentwurf zu stimmen, der von der übergroßen Mehrheit der Menschen aus der Arbeiterklasse befürwortet wird. Seit dem Referendum gibt die Regierungskoalition, die aus sozialdemokratischer „Labour Party“ und konservativer „Fine Gael“ besteht, in Fragen der Transgender-Rechte mehr und mehr nach. Sie wird den Transsexuellen erlauben, selbst über ihr Geschlecht bestimmen zu können. Vor einigen Wochen noch wollten sie dazu die Meinung von MedizinerInnen einholen lassen und meinten, dass Transsexuelle sich scheiden lassen, wenn sie zuvor verheiratet waren.
Auch wenn die „Gesetzesvorlage zur sexuellen Gleichstellung am Arbeitsplatz“ vom Dáil angenommen worden ist, so bedeutet dies nicht, dass sie am Ende auch Gesetzeskraft erlangt. Die Regierung wird die Vorlage nun in den entsprechenden Ausschüssen verzögern. Stattdessen werden sie ihre eigenen Gesetzesinitiativen einbringen, die – wo nötig – Diskriminierung auf religiöser Grundlage weiterhin ermöglichen werden. Andere Formen der Diskriminierung werden hingegen weiter eingeschränkt. Die Parlamentsabgeordneten der AAA und LGBTQ-AktivistInnen werden sich daran machen, den größtmöglichen Druck aufzubauen um sicherzustellen, dass ein minimalistischer Ansatz verhindert wird und dass die Gesetze, die die Diskriminierung von Angehörigen der LGBTQ-Community, AtheistInnen und Angehörige von kleineren Religionsgruppen ermöglichen, aufgehoben werden.
Da der Lebenswandel in Irland heute wesentlich facettenreicher und säkularer ist als in der Vergangenheit und das Ansehen der Kirche stark nachgelassen hat, hat die Aufgabe, Staat und Kirche voneinander zu trennen, eine viel größere Priorität. Es ist wichtig, dass diejenigen, die für die gleichgeschlechtliche Ehe gekämpft haben, jetzt fordern, dass das „Gesetz zur sexuellen Gleichbehandlung am Arbeitsplatz“ ohne zeitliche Verzögerung kommt und nicht schwächer ausfallen wird als unsere Gesetzesvorlage. Außerdem müssen sie sich mit dafür einsetzen, dass Kirche und Staat vollkommen voneinander getrennt werden und es zu einem ausreichend finanzierten und öffentlich organisierten Bildungs- sowie Gesundheitssystem kommt.