Syriza’s Wähler wollen keine weiteren “Kompromisse”

Foto: https://www.flickr.com/photos/90552021@N02/ CC BY 2.0
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Schluss mit der Austerität – Ein sozialistisches Programm muss her!

Leitartikel der Homepage von Xekinima (Schwesterorganisation der SAV und Sektion des CWI in Griechenland) vom 3. Juni 2015

Die griechische herrschende Klasse, die in ihrem Sinne handelnden Massenmedien, Menschen wie Stavros Theodorakis (Vorsitzender der liberalen Partei „Potami“), Jean-Claude Juncker, Martin Schulz und der Rest der „herzallerliebsten“ EU-Vertreter wollen dem griechischen Volk pausenlos „erklären“, dass Premierminister Alexis Tsipras von der Partei SYRIZA „wie der Premierminister des Landes handeln sollte und nicht wie der Vorsitzende seiner Partei“.

Sie fordern Tsipras sogar öffentlich dazu auf, zu einer Vereinbarung mit den Gläubigern des Landes zu kommen, um diese dann ins griechische Parlament zu bringen – ohne SYRIZA oder den eigenen Parteivorstand mit einzubeziehen. Gesetzt dem Fall, der linke Flügel von SYRIZA würde gegen diese Übereinkunft stimmen, so setzen sie noch eins drauf und schlagen Tsipras vor, weiterzugehen. Er solle sich „keine Sorgen machen“, weil andere Kräfte bestimmt mitstimmen würden. Mit Sicherheit würde dies zum Beispiel für „Potami“ gelten. Aber auch die Sozialdemokraten von der PASOK und die konservative „Nea Dimokratia“ würden mit dabei sein – wenn nicht offiziell und in ihrer Gesamtheit, so doch zumindestens mit genügend Abgeordneten beider Parteien.

Das ist ein öffentlicher und provokanter Aufruf an die Führung von SYRIZA, eine offene Allianz mit der herrschenden Klasse und der „Troika“ (die sich jetzt „die Institutionen“ nennt) einzugehen und SYRIZA zu spalten.

Wie reagiert SYRIZA?

Wir haben kein Signal und keine Erklärung von der Führung von SYRIZA bekommen, durch die die Position der Parteiführung ge- und erklärt worden wäre und mit der all die aufgezählten reaktionären Kräfte und ihre Forderungen gegenüber SYRIZA zurechtgewiesen worden wären.

Im Gegenteil müssen wir erleben, wie das Leitungsteam von SYRIZA weiterhin die Vertreter der herrschenden Klasse in Empfang nimmt und gleichzeitig keinen Hehl aus der Tatsache macht, dass es sich auf eine mögliche Auseinandersetzung mit der Parteilinken vorbereitet.

Die aktuellsten und schlagkräftigsten Belege dafür liefern ein Herr Tagmatarhis, der von der SYRIZA-Führung neu berufene Vorstandschef des öffentlichen Senders ERT, der diesen Posten schon in der Vergangenheit inne hatte, weil die Austeritätspartei PASOK ihn ebenfalls mit diesem Amt betraute, und eine gewisse Frau Panariti, die von der SYRIZA-Regierung zur Vertreterin Griechenlands beim IWF benannt worden ist. Als sie noch für die Weltbank gearbeitet hat, pflegte Panariti als Beraterin für die neoliberale und ultra-repressive Regierung Fujimori in Peru aktiv zu sein. Am Ende musste Panariti ihren Posten beim IWF wieder abgeben, weil es innerhalb der Partei SYRIZA zu massivem Widerspruch gegen ihre Ernennung gekommen ist. Fakt ist und bleibt jedoch, dass die Entscheidung Panariti zu ernennen, vom Büro des Premierministers gefällt worden ist (und nicht nur durch das alleinige Handeln von Finanzmininster Varoufakis zustande kam, wie anfangs gerüchteweise behauptet. Panariti trat als Mitarbeiterin von Varoufakis in Erscheinung.).

Nikos Pappas mahnt zur „Parteidisziplin“

Gleichzeitig erklärt Innenminister Nikos Pappas, bei dem es sich zudem um einen engen Mitarbeiter von Tsipras handelt, dass die anstehende Abstimmung im Parlament die Frage der „Parteidisziplin“ mit sich bringt. Dimitrios Papadimulis (Mitglied des Europaparlaments und führende Figur des rechten Flügels von SYRIZA) sagte, dass Neuwahlen ausgerufen werden sollten, wenn einzelne Abgeordnete von SYRIZA oder dem Koalitionspartner „Unabhängige Griechen“ nicht im Sinne der Vorschläge abstimmen wollen, die der Premierminister hinsichtlich einer Vereinbarung mit Brüssel einbringen wird. Der parlamentarische Geschäftsführer Nikos Filis hat bereits dasselbe erklärt.

Diese Drohungen sind nicht allgemein und vage gehalten. Sie richten sich vor allem gegen den linken SYRIZA-Flügel. Im wesentlichen droht die Führung um Alexis Tsipras der Linken mit Ausschlüssen und Neuwahlen, durch die sie ihre Sitze im Parlament verlieren würde (das griechische Wahlgesetz sieht vor, dass die Liste der Abgeordneten im Parlament vom Vorsitzenden der jeweiligen Partei festgelegt wird, wenn die Neuwahlen innerhalb von 18 Monaten nach dem letzten Urnengang stattfinden sollten).

Aus welchem Grund greift der Führungszirkel von SYRIZA auf derartige Drohungen zurück? Sie tun dies, weil sie Sorge haben, dass eine hinter verschlossenen Türen zustande gekommene Vereinbarung mit den „Institutionen“ zu heftigen Reaktionen innerhalb der Partei SYRIZA führen wird.

Tsipras, SYRIZA und die Gesellschaft

Einige bekannte Kader von SYRIZA meinen (und sagen dies auch ganz unverhohlen), dass SYRIZA bei den Wahlen von 2012 auf 27 Prozent gekommen und dann bis vergangenen Januar auf 36 Prozent angewachsen ist, weil sich in der Führung der Partei „begabte Menschen wie Tsipras“ befinden. Solche Ansichten liegen fern ab jeder Realität.

Der Aufstieg von SYRIZA hat mit den objektiven Bedingungen zu tun, die in der griechischen Gesellschaft vorzufinden sind, und damit, dass es in den vergangenen Jahren zu großen sozialen Kämpfen gekommen ist. Dies ging mit der Tatsache einher, dass SYRIZA das Ziel verfolgte, die Macht zu erlangen, und den Rest der Linken zu gemeinsamen Aktionen eingeladen hat. In allen Ländern, die von der Wirtschaftskrise betroffen sind, ist es zu einem ganz ähnlichen politischen Phänomen gekommen: Es sind entweder linke oder rechte Kräfte oder Parteien beider politischer Lager entstanden, die die politischen Abläufe antreiben, welche zuvor jahrzehntelang von den traditionellen Parteien der herrschenden Klasse beherrscht worden sind. Beispiele für neue linke Phänomene, die den politischen Betrieb in den letzten Jahren destabilisiert haben, sind nicht nur in Griechenland sondern auch in Spanien oder Irland festzustellen.

In Richtung der herrschenden Klasse und der Führung von SYRIZA sagen wir, dass Tsipras und sein Zirkel nicht das Recht haben, eigenständig einen Deal mit der „Troika“ abzuschließen. Die griechische Verfassung und das hiesige Rechtssystem, das von der herrschenden Klasse geschaffen worden ist, statten den Premierminister mit bonapartistischer Macht aus, wodurch er „über“ seine Partei und über die Gesellschaft gestellt wird. Wenn Tsipras aber den Ideen und Traditionen der Linken treu bleiben will, dann hat er kein Recht, von solchen bonapartistischen Machtbefugnissen Gebrauch zu machen! Stattdessen muss die SYRIZA-Regierung diese Gesetze abschaffen!

Fehler einräumen

SYRIZAs Führungszirkel sollte sich zuallererst einer ganz anderen Verantwortung stellen und zugeben, dass man mit der selbst gewählten Herangehensweise an die „Troika“ und der dazugehörigen Taktik bei den Verhandlungen mit der herrschenden Klasse falsch gelegen hat. Man unterlag der Illusion, dass es zu einer „beiderseits vorteilhaften Verhandlung mit den Partnern“ kommen würde, wie man anfangs meinte. Man musste aber schnell erkennen, dass diese „Partner“ entschlossen waren, SYRIZA eine harte Lektion beizubringen. Varoufakis sollte sich daran erinnern, dass er vor den Wahlen gesagt hat, die EU sei bereit, der nächsten griechischen regierung ein „Geschenk“ anzubieten. Fakt ist hingegen, dass man für die ArbeiterInnen und die verarmten Schichten in Griechenland den Galgenstrick hergerichtet hat!

Nachdem man nun in der Sackgasse gelandet ist, hat sich der führende Kreis von SYRIZA dazu entschieden, die Idee einer „Interimsvereinbarung“ bzw. „Überbrückung“ auf Eis zu legen und lieber zu einer „allgemeinen Übereinkunft“ zu kommen. Jetzt erkennen sie, dass dies – was die „Troika“ angeht – überhaupt nicht zur Diskussion steht! Deshalb greifen sie auf Drohgebärden zurück, sprechen von „Parteidisziplin“ und „Fraktionszwang“ bzw. von Neuwahlen, sollte es innerhalb der SYRIZA-Fraktion zu Unstimmigkeiten kommen!

Dem Elend der Austerität ein Ende setzen

Um es noch einmal zusammenzufassen und zu wiederholen: Die Bevölkerung Griechenlands hat bei den letzten Wahlen für SYRIZA gestimmt und nicht für den Führungszirkel um Tsipras. Man hat auch nicht SYRIZA gewählt, „um sicherzustellen, dass wir im Euro bleiben“, wie alle Papageien der herrschenden Klasse in den Massenmedien nicht müde werden zu behaupten. Man hat SYRIZA die Stimme gegeben, weil man damit die Austerität beenden wollte.

Und genau dies ist die Aufgabe, die jetzt von SYRIZA angegangen werden muss. Das erwartet und verlangt die griechische Arbeiterklasse von SYRIZA. Das ist es, was Alexis Tsipras zu tun hat, wenn er nicht als weitere linke Führungsfigur in die Geschichte eingehen will, die wie schon so viele vor ihm, Kompromisse eingegangen sind und sich damit an die herrschende Klasse verkauft haben.

Xekinima (Schwesterorganisation der SAV und Sektion des CWI in Griechenland) ruft SYRIZA dazu auf standhaft zu bleiben und ihre Wahlversprechen einzuhalten. Vor der Wahl wurde zugesagt, dass man sich gegen die Kürzungen einsetzen wird. Jetzt muss mit der Austerität der Eurozone gebrochen und es muss ein sozialistisches Programm angenommen werden. Dieses sozialistische Programm muss Folgendes beinhalten:

  • Ablehnung der Schuldenzahlung
  • Kontrolle über die Kapitalflüsse und ein staatliches Monopol auf den Außenhandel, um die Volkswirtschaft vor Angriffen des „Marktes“ zu schützen
  • Verstaatlichung der Banken und der Schlüsselsektoren der Wirtschaft unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung der Beschäftigten. Die Wirtschaft muss den Bedürfnissen der Menschen entsprechend geplant werden und nicht im Sinne der Profite der Kapitalisten.
  • Alle Kürzungen der Austerität müssen rückgängig gemacht werden und alle müssen Arbeit zum Mindestlohn bekommen. Freier Zugang für alle zu kostenloser und qualitativ hochwertiger Gesundheitsversorgung, Bildung und sozialer Hilfe
  • Einberufung von Massenversammlungen und Gründung von Aktionskomitees, um die Basis in den Betrieben und Wohnvierteln für eine aktive Teilnahme der Arbeiterklasse und der jungen Leute im Kampf gegen die „Troika“ und für eine sozialistische Alternative zu organisieren.
  • Aufruf an die ArbeiterInnen und jungen Menschen in Spanien, Portugal, Irland und ganz Europa, sich dem Kampf gegen die Austerität anzuschließen und sich für ein sozialistisches Europa einzusetzen.