Sozialistin siegt bei den Vorwahlen für den Stadtrat von Seattle
Bericht von „Socialist Alternative“, Schwesterorganisation der SAV und UnterstützerInnen des CWI in den USA
Eine vollauf begeisterte Menge von mehr als 200 AnhängerInnen der „Socialist Alternative“-Stadträtin Kshama Sawant ist heute Abend in den Melrose Market Studios im Viertel Capitol Hill (Seattle) zusammengekommen, um gemeinsam auf das Ergebnis der Vorwahlen für die parteilosen KandidatInnen anlässlich der Stadtratswahl von Seattle City zu warten. Darüber hinaus warteten viele tausend weitere Menschen in Seattle und dem ganzen Land erwartungsvoll darauf, was die erste Etappe im für die gesamte Linke der USA wahrscheinlich wichtigsten Wahlkampf in diesem Jahr wohl bringen würde. Schließlich geht es darum, ob Kshama ihren vor zwei Jahren gewonnenen Sitz im neunköpfigen Stadtrat von Seattle verteidigen kann. 2013 war es ihr gelungen, offen als Sozialistin kandidierend den ersten Stadtratssitz in einer US-amerikanischen Großstadt seit Jahrzehnten zu gewinnen.
Um 20.15 Uhr wurde es dann laut, als die Nachricht eintraf, dass Kshama auf 49,9 Prozent der abgegebenen Stimmen gekommen und damit ganze 15 Prozentpunkte vor ihrer ärgsten Konkurrentin, Pamela Banks, gelandet ist. Insgesamt gab es fünf KandidatInnen.
Dieses Ergebnis ist eine Bestätigung der Unterstützung von den „einfachen“ Leuten in Seattle für die Stadtratsarbeit von Kshama in den letzten 19 Monaten. Am bedeutsamsten war, dass sie eine ganz wesentliche Rolle dabei gespielt hat, den Mindestlohn in einer US-amerikanischen Großstadt auf 15 Dollar anzuheben. Sie nutzte ihre Position im Stadtrat, um mit der Hilfe von Gewerkschaften eine Basis-Bewegung namens „15 Now!“ aufbauen zu helfen, die sich nun über etliche Städte in den ganzen USA ausbreitet.
Kshama hat auch die Initiative zu einer Reihe weiterer Kämpfe ergriffen und ist aktuell der Kopf einer Kampagne für die Einführung einer Mietobergrenze und den Bau qualitativ hochwertiger Wohnungen, um der umfassenden Wohnungskrise der Stadt entgegenzutreten. Vor kurzem sorgten 1.000 TeilnehmerInnen an einer von Kshama mitveranstalteten Diskussionsrunde für ein brechend volles Foyer im Rathaus von Seattle, um sich die Argumente von ihr und Stadtrat Licata in einer Debatte mit einem Bau-Lobbyisten und einem Politiker der „Republikaner“ anzuhören. Allein die Tatsache, dass es zu einer solchen Veranstaltung überhaupt kommen konnte, ist ein Indiz für den politischen Wandel, der dadurch befördert wurde, dass Kshama den Kämpfen der arbeitenden Menschen seit nicht einmal zwei Jahren im Stadtrat eine Stimme verleiht. Oder, wie Kshama es in ihrer Rede heute Abend ausdrückte: „Wenn wir kämpfen, können wir gewinnen!“.
Unglaubliches Wahlergebnis
Das exzellente Abschneiden von Kshama war trotz einer Atmosphäre möglich, die sich durch bestimmte Herausforderungen auszeichnete. So war der Anteil an älteren und wohlhabenderen WählerInnen größer als dies im eigentlichen Wahlkampf, der noch bevorsteht, der Fall sein wird. Die Großkonzerne haben zunehmend mehr Geld in den Wahlkampf von Kshamas GegenkandidatInnen gesteckt. Dies gilt vor allem für Pamela Banks. Sie wollen, dass das Experiment von Seattle ein Ende findet, das aus ihrer Sicht zum „Negativbeispiel“ auch für andere Städte werden könnte.
Die Medien, die nach der Musik der Konzerne tanzen, haben hart daran gearbeitet, Kshama als „spaltende Person“ darzustellen. In Wirklichkeit hat sie den Kampagnen der Arbeiterklasse die Tür zu ihrem Büro weit aufgestoßen. Dasselbe gilt für Personen aus der LGBTQ-Community, die gegen zunehmende Angriffe auf sie kämpfen, für EinwanderInnen und andere, die gegen die Drohkulisse einer Mietsteigerung um 400 Prozent in Wohnungen kämpfen, die eigentlich für Menschen mit Niedriglöhnen bestimmt sind. Auch die AktivistInnen der „Black Lives Matter“-Bewegung, die gegen Polizeigewalt kämpfen, finden bei ihr immer ein offenes Ohr. Kshama drückte es heute Abend wie folgt aus: „Was wirklich spaltend wirkt, ist die Ungerechtigkeit!“. Es sieht so aus, als würden viele Menschen aus dem Wahlbezirk drei dieselbe Ansicht vertreten wie sie.
Wahrscheinlich wird der Stimmanteil von Kshama in den nächsten Tagen noch etwas ansteigen, da die letzten Wahlzettel noch ausgezählt werden müssen (in Seattle wird per Post gewählt). Das Ergebnis spiegelt einen heftigen Wahlkampf wider, an dem sich 600 Freiwillige beteiligten, die 30.000 Hausbesuche durchgeführt und unglaubliche 265.000 Dollar an Spenden gesammelt haben. Kein einziger Penny kam dabei von Seiten der Konzerne.
Dieses Ergebnis liefert Sawant ganz eindeutig eine hervorragende Ausgangslage, um in den eigentlichen Wahlkampf einsteigen zu können. Für Selbstzufriedenheit ist allerdings keine Zeit. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Großkonzerne ihre Angriffe noch ausweiten und enorme Summen in diesen Wahlkampf investieren werden – allein schon für negative Wahlwerbung gegen Kshama.
Es mag unvorstellbar erscheinen, dass die Konzerne so viel Geld in den Wahlkampf um einen einzigen Sitz in einem Stadtrat stecken. Aber sie wissen einfach, was auf dem Spiel steht. Sie sehen die große Begeisterung, die die Wahlkampagne von Bernie Sanders um das Amt des US-amerikanischen Präsidenten auslöst, der die Forderung nach einem landesweiten Mindestlohn von 15 Dollar aufgegriffen hat und zu einer „politischen Revolution“ gegen die gesellschaftliche Klasse der Milliardäre aufruft. In den USA findet derzeit ein Prozess der politischen Radikalisierung statt. Kshamas Kampf um die Wiederwahl ist der Kampf aller progressiven Kräfte im ganzen Land. Spendet heute noch für ihren Wahlkampf http://kshamasawant.org/donate/ und werdet aktiv bei „Socialist Alternative“ http://www.socialistalternative.org/!