Der Notstand heißt Kapitalismus!
von Tilman M. Ruster, Wien
Flüchtlinge haben Angst vor Ungarn. Wer dort den Boden der EU betritt und um Asyl ansucht (wozu das Abkommen von Dublin III zwingt), muss mit Schrecklichem rechnen: Flüchtlinge werden in Käfigen gehalten, fernab von ausreichender medizinischer Versorgung, Rechtsbeistand oder auch nur hinreichender Verpflegung. Flüchtlinge berichten von Prügelorgien gegen sie und oft werden ihre letzten Reserven an Geld oder ihre Handys von den „Sicherheitskräften“ gestohlen. Das ist schon seit Jahren so. Und doch wird seit Jahren im Rahmen von Dublin III nach Ungarn abgeschoben. Auch die Lage in den Flüchtlingslagern in Süditalien, Spanien oder Griechenland ist schon lange katastrophal, Ungarn ist also keine Ausnahme, sondern die Folge des EU-Flüchtlingsregimes.
Was derzeit passiert, ist dennoch eine Steigerung dieser Grausamkeiten: Entlang der serbisch-ungarischen Grenze (also einer EU-Außengrenze) werden Flüchtlinge interniert. Auf dem freien Feld, ohne Dach über dem Kopf, ohne selbst einfachste sanitäre Anlagen oder irgendeine Verpflegung werden Flüchtlinge festgehalten. Alles, was der ungarische Staat zur Verfügung stellt, sind Polizisten mit Kampfhunden, die mittels massiver Gewalt versuchen, einen Weiterzug der Flüchtlinge zu verhindern. Was es an Nahrung, Medizin, Zelten und anderem Allernötigsten gibt, kommt von freiwilligen HelferInnen und NGOs, denen die Arbeit zum Teil noch durch die Sicherheitskräfte erschwert wird. Das Elend der Auffanglager, die bis zum arabischen Frühling für die EU von Diktatoren entlang der nordafrikanischen Küste unterhalten wurden, findet jetzt innerhalb der Grenzen der EU statt. Wer aus der Hölle des syrisch-irakischen Bürgerkriegs, vor den Taliban und dem Militär in Afghanistan oder Pakistan oder dem Elend und den Konflikten Afrikas geflohen ist wird der Hölle des EU-Grenzregimes ausgesetzt.
Es wird schlimmer
Seit dem 15.09. gilt in Ungarn der Notstand. Premier Orbàn rief ihn aus um „die Grenzen zu schützen“. Mit dem Notstand kommt ein Maßnahmenpaket das es in sich hat: Militär kommt an die Grenze, die Gewalt gegen die Flüchtenden wird also nochmal auf eine neue Stufe gestellt. Zu diesem Zweck werden derzeit auch weitere Soldaten angeworben. Der (zum Glück) bisher völlig durchlässig errichtete Grenzzaun gegen Serbien soll so seine Aufgabe erfüllen. Zusätzlich soll entlang der Grenzen zu Rumänien und Kroatien, also zwei EU-Mitgliedsstaaten, ein Streifen exterritorialen Landes gezogen werden, also Land in dem das löchrige EU Recht auf Freizügigkeit nicht gilt. Bis hier ein ähnlicher Zaun gezogen wird, ist vermutlich nur eine Frage der Zeit. In diesem Streifen und in einem 60m breiten Streifen entlang der serbischen Grenze sollen ankommende Flüchtlinge festgehalten werden. Was sich wohl in dieser praktisch rechtsfreien Zone abspielen wird lässt sich mit dem Wort Horror nicht mehr erfassen.
Und die EU? Als Orbàn von einem Gipfel zum Flüchtlingsthema in Brüssel zurückkehrte erklärte er, dass Schulz&Co all das wohl nicht gut fänden, aber auch keine Alternative hätten. Für Orbàn gibt es ohnehin keine Flüchtlingskrise, sondern einen Ansturm von EinwanderInnen auf den Reichtum Europas. Das schließt er daraus, dass die Ankommenden sich nicht mit der „Sicherheit“ in den Lagern in Italien, Griechenland und eben Ungarn zufrieden gäben, sondern in die reicheren Länder Mitteleuropas weiterzögen. Auch sonst zieht Orbàn jedes Register in der Angstmache gegen Flüchtlinge. Nicht nur Krankheiten und Islamistische Gefahr gingen von ihnen aus, auch könnten sie „Ungarn okkupieren – etwas, dass es in unserer Geschichte schon mal gab – oder sie könnten den Kommunismus einführen”, sagte er in einem Interview. Geschickt verbindet er die Hetze gegen Flüchtlinge auch mit der Hetze gegen Roma: Ungarn könne eigentlich überhaupt niemanden aufnehmen, da es mit den Roma schon genug „belastet“ wäre.
Orbàn auf dem „Antikapitalismus-Ticket“
Orbàns Propaganda beruht auf der Idee einer belagerten Festung Ungarn. Seine Wahl und Wiederwahl verdankt er neben klassischem Rassismus seinem Widerstand gegen EU und Troika. 2008 beanspruchte die sozialdemokratische Vorgängerregierung noch vor Griechenland und anderen ein Rettungspaket gegen die internationale Finanzkrise, die das in weiten Teilen auf Kredite in fremden Währungen angewiesene Ungarn hart getroffen hatte. Der Preis dafür war die Diktatur der Troika, die sich, wie anderswo, gleich an die Zerschlagung des ohnehin schon schwachen Sozialstaats machte. Mit starker Rhetorik gegen die Troika und die (zu Recht) verhasste sozialdemokratische Partei gewann Orbàns Fidész die Wahlen. Tatsächlich schmiss er die Troika raus, aber nur um ihre Politik selber umzusetzen. Allerdings war er dabei sehr geschickt: Neben Entlassungen im öffentlichen Dienst, neuen Massensteuern usw. belastete er auch die Banken und Konzerne. Dabei ging er aber nur gegen internationale, ausländische Konzerne vor, die besonders den Bankensektor beherrschten (österreichische Banken halten z.B. ca. 60% Marktanteil). Als einziges europäisches Land führte Ungarn z.B. eine Finanztransaktionssteuer ein und zwang die Banken die verheerenden Fremdwährungskredite, die unter anderem zu über 100.000 Zwangsräumungen führten, zu ihren Ungunsten in Forint-Kredite umzuwandeln. Obwohl es letztlich auch ihm darum geht, den Kapitalismus in Ungarn zu retten, schmückte sich Orbàn mit dem Image eines Kämpfers gegen Banken&Konzerne.
Internationales Kapital zieht sich aus Ungarn zurück, was bleibt ist die ungarische Bourgeoisie, die sich um die Regierungspartei Fidèsz sammelt. Denn Fidèsz verteilt heute die großen Aufträge und einträglichen Posten. Das Korruption hierbei eine enorme Rolle spielt wird zwar immer wieder aufgedeckt, weil die Opposition aufgrund eigener Skandale und fidésztreuer Justiz hier kaum nachbohren kann, ändert sich daran aber nichts. Letztlich führt die Regierung hier auch nur die Tradition ihrer Vorgängerinnen fort.
Solange Ungarn seine internationalen Kredite bedient, nehmen EU und IWF all das bis auf weiteres hin. Gelegentliche Rügen an Ungarn von dieser Seite bestärken nur Orbàns Propaganda von der belagerten Festung, in der sich Ungarn umzingelt von einer Art „internationalen Verschwörung gegen das Ungarntum“ befände. Antisemitische Untertöne sind hier kein Zufall.
Das Troika-Programm hausgemacht
Auch wenn die Hiebe gegen das internationale Kapital der Regierung immer wieder mal kleine soziale Zuckerl (z.B. eine Gaspreissenkung) erlauben ist das Elend in der ungarischen Bevölkerung enorm. Seit 2008 haben 600.000 UngarInnen auf der Suche nach Arbeitsplätzen das Land Richtung Mitteleuropa verlassen. „Flucht“ in Hoffnung auf ein besseres Leben ist also auch unter UngarInnen ein wichtiges Thema.
Trotz der Abwanderung ist seit 2008 die Zahl der Menschen unterhalb der UN-Armutsgrenze von 2,8 um 500.000 auf 3,3 Millionen gestiegen. Im Budget für 2015 wurde der Sozialhaushalt noch einmal um 25% gekürzt: Neue Hürden wurden aufgestellt um den Zugang zur Sozialhilfe enorm zu erschweren und der Monatssatz auf max. 73€ pro erwachsener Person beschränkt. Das bedeutet, dass es Familien, die auf Sozialhilfe angewiesen sind, besonders schwer haben: für immer mehr Kinder ist die Schulspeisung die einzige Mahlzeit am Tag, am Wochenende ist es noch schlimmer. Arbeitslose können zu Zwangsarbeit heran gezogen werden, wenn sie weiterhin Geld bekommen wollen. Wenn die „Arbeitsstelle“ zu weit vom Wohnort entfernt ist werden die ArbeiterInnen in Containern untergebracht. Der Mindestlohn, von dem immer mehr UngarInnen leben müssen, liegt vor Steuer bei ca. 330€. Dabei sind die Preise oft nicht geringer als z.B. in Österreich, zumal der ungarische Forint von heftiger Inflation betroffen ist.
Jeden Angriff auf den Sozialstaat begründet Orbàn mit den angeblich „faulen“ Roma, die davon abgehalten werden müssten, das Sozialsystem zu missbrauchen. Das diese Hetze immer schlechter funktioniert zeigt eine Zunahme an Klassenkämpfen in der letzten Zeit. In der Chemieindustrie (traditionell eine der Stützen der ungarischen Wirtschaft), bei den EisenbahnerInnen und derzeit besonders konkret unter den SozialarbeiterInnen rumort es. Zehntausende gingen in der als „Winterrosenrevolution“ bekannt gewordenen Bewegung gegen Kürzungen im Bildungsbereich auf die Straße und zuletzt gab es heftige und teilweise erfolgreiche Proteste gegen die Erhebung einer Internetsteuer. Bei allen Protesten zeigt sich eine enorme Wut der ganzen Bevölkerung, die sich oft solidarisch anschließt, auch wenn der konkrete Anlass sie direkt nicht unbedingt betrifft. Unter den aktuellen Bedingungen ist schon einfachste Hilfe für Flüchtlinge eine Akt des Widerstands gegen die Regierung, der gefährliche Folgen für die HelferInnen haben kann. Trotzdem sind auch in Ungarn tausende aktiv dabei, Lebensmittel, Kleidung und Medizin an die Brennpunkte zu bringen. Dabei setzen sie sich der Gewalt von Polizei&Neofaschisten aus. Erst am 13.09. zog auch eine antirassistische Demonstration mit über 10.000 Menschen vor das Parlament. Auch das ist das Gesicht Ungarns, nicht nur die schrecklichen Bilder aus den Flüchtlingslagern.
Wirklich zuverlässige UnterstützerInnen hat die Regierung kaum. Als soziale Basis ist die eher kleine ungarische KapitalistInnenklasse kaum geeignet. Die Regierung versucht sich über eine Klientelsystem (z.B. Vergabe von Jobs im öffentlichen Dienst, Vergabe von Tabakverkaufslizenzen nach einer staatlichen Monopolisierung, öffentliche Aufträge…) eine Basis zu schaffen, dieses System ist aber sicher nicht stark genug um Fidèsz die Macht zu erhalten.
Was stützt die Regierung?
Letztlich beruht Orbàns Macht auf drei Säulen: Dem Aufbau einer autoritären Herrschaft, einem Ausspielen verschiedener Imperialismen auf internationaler Ebene und vor Allem der bisherigen Unfähigkeit der Opposition, eine echte Alternative aufzubauen und effektiven Widerstand zu organisieren.
In bürgerlichen Medien ist viel von der Einschränkung der Pressefreiheit in Ungarn zu lesen. Hinzu kommt die Verfassungs- und Wahlrechtsreform, sowie die Gleichschaltung aller öffentlichen Bereiche wie z.B. im Kulturbereich, die Fidèsz alle Machtpositionen zuspielt. Am Entscheidendsten ist aber der Kampf der Regierung gegen die Gewerkschaften und erkämpfte Rechte der ArbeiterInnenbewegung: Jeder Streik muss zuvor von einem fidèsztreuen Gericht zugelassen werden, was praktisch nie der Fall ist. Die ohnehin stark eingeschränkten ArbeitnehmerInnenrechte sind extrem schwer zu verteidigen, was zu einer in weiten Teilen unangefochtenen Willkür der Arbeitgeber geführt hat. Diverse Formen atypischer Beschäftigung untergraben den ohnehin schon extrem geringen Mindestlohn. Gewerkschaftsbeiträge zahlen in Ungarn zwar die Arbeitgeber, das Risiko eben das vom Chef/ der Chefin zu verlangen gehen aber immer weniger ArbeiterInnen ein. In der Folge verlieren die Gewerkschaften an Mitgliedern, zumal sie im Bereich des öffentlichen Dienstes und der Sicherheitsbranche ihre Rechte ohnehin völlig eingebüßt haben.
Mit dem Notstand im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise wird es wohl noch schlimmer. Einige Gesetze eignen sich besonders zur Aushöhlung von Rechten: Das Militär durfte in Ungarn bisher nicht im Inland eingesetzt werden, dank einer passenden Verfassungsänderung jetzt schon. Gut möglich, dass Soldaten künftig auch gegen soziale Bewegungen eingesetzt werden, zumal die Polizei dank Gehalts- und Pensionskürzungen ein immer unzuverlässigerer Partner der Regierung wird.
Gesetze gegen die Unterstützung von Flüchtlingen mit dem Vermerk „Fluchthilfe“ sind bewusst so formuliert, dass schon das Weitergeben einer Wasserflasche mit jahrelangen Haftstrafen belegt werden kann. Dieser Tabubruch im Gesetz öffnet das Tor für weitere Repression gegen alle Formen von Organisation von Widerstand.
Wenn Orbàn mit antidemokratischen Gesetzen mal wieder EU-Recht bricht oder (für die Herrschenden viel schlimmer) die KapitalistInnen anderer EU-Mitglieder vom ungarischen Markt ausschließt, dann verbindet er es immer mit einer Drohung gegen Brüssel: „Ihr seid nicht alternativlos“. Infrastrukturkredite aus China, Atomtechnologie aus Russland und in letzter Zeit eine immer engere Zusammenarbeit mit der Türkei sollen die Herrschenden in der EU unter Druck setzen, sich Mühe dabei zu geben, Ungarn in ihrer Einflusssphäre zu halten. Alle Verfahren gegen Ungarn werden daher eingestellt und weiter Millionen z.B. an Agrarförderung gewährt. Internationale Konflikte zwischen den imperialistischen Staaten helfen Orbàn noch diesen Balanceakt hinzubekommen. Auf Dauer kann dieses Spiel aber nicht funktionieren; die ungarische Regierung bleibt auch außenpolitisch instabil.
Mit der Flüchtlingskrise wird aber auch Orbàns Nutzen für die EU nochmal deutlicher. Wenn sich Merkel heute als „Mutter der Flüchtlinge“ feiern lässt könnte das nicht verlogener sein: Sie ist eine ArchitektInnen des EU-Grenzregimes, in dem die Staaten am Rande der EU die Rolle der „Brutalos“ zugedacht ist. Bei aller Empörung über „die Ungarn“, wie sie in vielen österreichischen und deutschen Medien zu finden ist, muss bedacht werden, dass Orbàn und seine Amtskollegen in den Staaten mit EU-Außengrenze nur Vollstrecker von Dublin III sind. Wenn Merkel die Grenzen kurz geöffnet hat, dann nicht um Dublin III abzuschaffen, sondern um es vor dem Zusammenbruch zu retten. Der Kursschwenk und die Abriegelung der deutsch-österreichischen Grenze bestätigt das nur. Die ständige Gewalt gegen Flüchtlinge in Ungarn soll sie davon abschrecken, überhaupt nach Europa zu kommen, nur wer wirtschaftlich „verwertbar“ ist soll durchgelassen werden. Wenn Orbàn das Militär an die Grenze schickt, ist das EU-Politik.
Der wichtigste Grund, warum das Kartenhaus Orbàn noch nicht in sich zusammengefallen ist, ist die mangelnde Alternative gegen ihn. Selbst jetzt, da die Flüchtlingskrise die Unfähigkeit der Regierung zeigt (Millionen Euro für einen durchlässigen Grenzzaun, humanitäre Katastrophe bis in die Budapeszter Innenstadt…), wo der Verteidigungsminister und mehrere Staatssekretäre zurückgetreten sind, ist die Regierung in den Wahlumfragen auf Platz 1. WählerInnen verliert Fidèsz fast nur an die NichtwählerInnen und die faschistische Jobbik.
Letztere betreibt die Hetze von Fidèsz einfach konsequenter: Jobbik organisiert Milizen gegen Flüchtlinge und ihre HelferInnen, die sich aus der eigentlich verbotenen, aber geduldeten Gardà rekrutieren. Die organisiert ca. 60.000 gewaltbereite Neofaschisten. „Jobbik handelt wo Fidèsz nur redet“ dachten sich bei der letzten Wahl ca. 19% der WählerInnen. Aus antisemitischen Andeutungen der Orbàn Regierung wird bei Jobbik die „Verschwörung der Fremdherzigen“, womit „die Juden“ gemeint sind. Wo Fidèsz gegen Roma hetzt organisiert Jobbik gewalttätige, pogromartige Aktionen.
Ca. 40% der Wahlberechtigten wählen gar nicht. Grund dafür ist das Fehlen einer geeigneten Alternative. Was als hoffnungsvolles Linksprojekt, unter anderem aus Gewerkschaftskreisen, zur letzten Wahl begann, wurde zu „Egütt (Gemeinsam)“, einer Wahlallianz unter der Führung des ehemaligen Premiers, der 2008 gegen Orbàn verloren hatte. Gordon Bajnai, der sein Geld zeitweise als Manager eines Heuschreckenkonzerns verdiente, war es, der einst die Troika ins Land holte. Sein „Wahlversprechen“ war es, genau das wieder zu tun. Bei den Wahlen 2014 sollten sich die UngarInnen also zwischen den Kürzungen und dem Demokratieabbau Orbàns und der Troika entscheiden. Die größte Gruppe entschied sich also zum Nichtwählen, die zweitgrößte für Fidész, gefolgt von den Faschisten der Jobbik.
Was tun?
Die katastrophale Lage der Flüchtlinge und das wachsende Elend der UngarInnen schreien nach einer Lösung. Völlig logisch ist, das ein Teil der Lösung der Sturz der Regierung sein muss.
Daraus entstehen zwei Fragen: Erstens: Wie? und zweitens: Was dann?
Orbàn ist der Vertreter der ungarischen Bourgeoisie. Seine Aufgabe ist es, eben diese zu schützen – und zwar sowohl davor, vollständig abhängig vom Imperialismus einer anderen Macht zu werden, als auch davor, von den ungarischen ArbeiterInnen&Jugendlichen gestürzt zu werden.
Es gilt, in Ungarn die ArbeiterInnenbewegung wieder aufzurichten. Die Gewerkschaften haben, von verbalen Protesten einmal abgesehen, alle Kürzungen und alle Angriffe auf demokratische Rechte hingenommen. CWI-AktivistInnen in Ungarn fordern in ihrem Material einen 24h Generalstreik, um die ArbeiterInnenbewegung wieder organisiert auf die Bühne des Widerstands zu bringen. Es braucht nicht viel die sehr instabile Regierung zu stürzen, denn im Land gibt es kaum Kräfte, die sie entschlossen stützen und international ist sie zunehmend isoliert.
Was es aber braucht ist eine Bewegung, die bereit ist mit dem Kapitalismus zu brechen. Griechenland zeigt: Die Troika ist keine Alternative zu Orbàn, tatsächlich gibt es keine Alternative im Kapitalismus. Um das kapitalistische Wirtschaftssystem zu erhalten, versucht Orbàn alle Schulden an internationale Banken zurückzahlen, die die bürgerlichen Regierungen seit 1990 gemacht haben. Das bedeutet das bisherige Elend noch weiter zu verschlimmern. Bajnai&Co versuchen dasselbe, glauben aber „wirtschaftlichen Aufschwung“ eher zu erreichen, indem sie Ungarn in eine Kolonie Deutschlands, Österreichs und der Starken in der EU verwandeln.
Ungarn braucht eine sozialistische Wirtschaft! Eine Wirtschaft, die nicht die Profitinteressen irgendwelcher KapitalistInnen, egal ob ungarische oder ausländische, stillt, sondern sich an den Bedürfnissen der Gesellschaft orientiert. Das ist nur gesichert, wenn die ArbeiterInnen selber und demokratisch entscheiden, wie die Wirtschaft aufgebaut werden soll.
Um ein entsprechendes Programm zu entwerfen und die Proteste zu organisieren, braucht es auch in Ungarn eine neue ArbeiterInnenpartei. Eine solche Partei könnte in der Bewegung rund um einen 24h Generalstreik ihren Anfang finden, wenn die Forderung in die zahlreichen Initiativen z.B. rund um die Fragen von Flüchtlingshilfe, Pressefreiheit, Internetsteuer, Widerstand gegen Zwangsräumungen…hinein getragen würde.
Schon jetzt werden die Interessen der Flüchtlinge gegen die Interessen der ansässigen Bevölkerung ausgespielt. Dabei sind viele Probleme, wie das Problem, eine leistbare Wohnung, einen Arbeitsplatz etc. zu finden gemeinsame Probleme. Statt sich gegeneinander ausspielen zu lassen braucht es einen gemeinsamen Kampf! Dazu gehören auch die ca. 200.000 Roma, die zum allergrößten Teil die ärmste Bevölkerungsschicht ausmachen.
Die bürgerlichen Regierungen sind unfähig, die Fluchtursachen zu beseitigen. Dafür wäre es z.B. notwendig Waffenexporte zu stoppen, KapitalistInnen, die Öl vom IS kaufen, zu bestrafen, Konzerne daran zu hindern, die afrikanischen Ressourcen zu plündern und die ArbeiterInnen der betroffenen Länder brutalst auszubeuten und vieles, sehr vieles mehr. Kurz: Sie müssten sich gegen eben jene KapitalistInnen wenden deren Interessen sie immer schon vertreten haben. Kapitalismus bedeutet Krieg und Elend; Kapitalismus ist die Fluchtursache der Millionen, die auf dem Weg nach Europa sind. Ihn gilt es zu beseitigen, wenn all die großartige Hilfsbereitschaft von zehntausenden Freiwilligen HelferInnen in Ungarn, Österreich, Deutschland und anderswo nicht Symptombekämpfung bleiben soll.