Bernie Sanders und linke Positionen zum US-Präsidentschaftswahlkampf
Als Bernie Sanders Ende Mai in Minneapolis bei einer Wahlkampfveranstaltung geredet hat, standen die Leute Schlange: Mehrere tausend waren gekommen, hunderte warteten vor der Tür – 200 hatten die VeranstalterInnen erwartet.
Im Juli dann 11.000 in Arizona, 15.000 in Seattle, 28.000 in Portland, Oregon, einer Stadt so groß wie Bremen (ohne Metropolregion). Er nennt sich einen demokratischen Sozialisten, fordert kostenlose Hochschulbildung, staatliche Gesundheitsversorgung, die Erhöhung des Mindestlohns und eine politische Revolution gegen die gekaufte Politik für die Milliardäre. Wer ist Bernie Sanders, und was bedeutet seine Kampagne für die Arbeiterbewegung in den USA?
von Anna Shadrova
Bernie Sanders ist seit 2007 als unabhängiger Kandidat Senator in Vermont und tritt mit Forderungen nach Umverteilung und Besteuerung von hohen Einkommen, Lohngleichheit von Männern und Frauen, Gleichberechtigung für Menschen aus dem LGBTQI*-Spektrum und Migrationspolitik auf1 Als Sanders ankündigte, dass er bei den Vorwahlen der Demokraten antreten würde, sammelte er innerhalb von vier Tagen drei Millionen Dollar an Spenden, fast ausschließlich von Einzelpersonen, nach einigen Monaten hatten eine Million Menschen gespendet.2
In vielen Städten bildeten sich ‚People for Bernie‘-Komitees, die viele neue und bis dahin nicht politisch aktive Menschen anziehen.
Neue Bewegungen in den USA
Bernie Sanders kandidiert vor dem Hintergrund eines generell gesteigerten Interesses an der sozialen Frage und eines Aufschwungs an linken Bewegungen in den USA.
Besonders in der Krise, aber auch schon in den Jahrzehnten zuvor, hat sich die Reichtums- und Einkommensverteilung in den USA deutlich zugunsten der reichsten ein Prozent verschoben3 Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit in der Krise, eine hohe Schuldenbelastung durch steigende Immobilienpreise und Studiengebühren seit Jahrzehnten, ein stagnierender Mindestlohn und zunehmende Polizeirepression sorgten seit Langem für Unzufriedenheit. Die veränderte Stimmung fand erstmals Ausdruck im ersten Wahlkampf von Obama 2008 und 2009, dessen Hauptthemen ‚Change‘, Veränderung, und Versprechungen von sozialen Verbesserungen und allgemeiner Krankenversicherung waren. Obama wurde damals mehrfach von Republikanern angegriffen, die ihn als Sozialist bezeichneten. Was nicht vorgesehen war: Viele Leute entwickelten plötzlich einen positiven Bezug zum Sozialismusbegriff: „Wenn das, was Obama fordert, Sozialismus ist, dann bin ich auch Sozialist“. Und dieser Trend hält an: Bei einer Umfrage im Juni haben 47 Prozent angegeben, dass sie bereit wären, bei der Wahl für einen sozialistischen Kandidaten zu stimmen4 und eine andere Umfrage ergab, dass eine Mehrheit (52 Prozent) sich für eine Umverteilung von Reichtum durch eine hohe Vermögenssteuer ausspricht.5
Nachdem Obama aber keine Veränderungen bewirkte, fand die Unzufriedenheit neuen Ausdruck: Zunächst 2011 in Madison, Wisconsin, wo das Rathaus (Capitol) besetzt wurde und bis zu hunderttausend Menschen protestierten6, als gewerkschaftliche Rechte beschnitten werden sollten. Dann bei der Occupy-Bewegung, die im selben Jahr, inspiriert von den Revolutionen in arabischen Ländern und den Empörten-Bewegungen und Platzbesetzungen in Spanien, Portugal und Griechenland, in den USA am prominentesten als „Occupy Wall Street“ entstand. Zweihundert Leute besetzten über zwei Monate einen Park im New Yorker Finanzdistrikt, und tausende nahmen an Demos und Kundgebungen gegen Vermögens- und Einkommensungleichheit teil: „We are the 99 per cent“ – „Wir sind die 99 Prozent“ war der Slogan der Bewegung. In der Folge gründeten sich Occupy-Ableger in vielen Städten.
In Minneapolis war es, auch durch den Einfluss von Socialist Alternative, der Schwesterorganisation der SAV, gelungen, Occupy mit der Bewegung gegen Hausräumungen zu verknüpfen. GewerkschafterInnen hatten die Forderung nach einem Mindestlohn von 15 Dollar aufgestellt, wofür sich in Seattle nach der Wahl von Kshama Sawant als erster Sozialistin seit hundert Jahren in den Stadtrat eine starke Bewegung entwickelte, was mittlerweile nicht nur in Seattle, sondern unter anderem auch San Fransisco, Los Angeles und für ArbeiterInnen im Fast Food-Bereich in New York erkämpft wurde. Seit 2014 entwickelt sich außerdem zum ersten Mal seit Jahrzehnten eine Bewegung gegen den starken staatlichen Rassismus und Polizeigewalt gegen Schwarze, die sich Black Lives Matter (#blm) nennt. Alle diese Bewegungen sind noch von einer sehr kleinen Zahl Aktiver getragen, aber die Stimmung ist in vielen Städten landesweit spürbar, und vielerorts finden Reorganisationsversuche der Gewerkschaften statt, kandidieren GewerkschaftskandidatInnen bei lokalen und regionalen Wahlen, verbinden sich Gruppen zu neuen Bündnissen für 15 Dollar Mindestlohn und andere Forderungen.
Sanders‘ Kandidatur als Katalysator für die Bewegung
Seit den 40er Jahren hatte die linke Bewegung in den USA wenig zu lachen. Auf antikommunistische Gesetze, die McCarthy-Ära und den kalten Krieg folgte die Zermürbung der Gewerkschaften, am dramatischsten beim Fluglotsenstreik 1981. Es gab nur zwei wirklich erfolgreiche Momente in der US-Nachkriegsbewegung: Die Bewegung gegen den Vietnam-Krieg mit der anschließenden Studierendenbewegung vor allem in Küstenregionen. Und die Civil Rights-Bewegung gegen die rassistische Diskriminierung der schwarzen Bevölkerung.7
Daher ist die Entwicklung neuer Bewegungen eine besondere Herausforderung, hat aber auch eine besondere Dynamik. Es gibt praktisch keine Organisationsstrukturen, die mit den Parteien, Gruppen, Bündnissen und Gewerkschaften in europäischen Ländern vergleichbar wären. Bernie Sanders‘ Kandidatur kann dabei eine beschleunigende Wirkung haben, weil sie viel mediale Aufmerksamkeit auf fortschrittliche Forderungen lenkt und den wenigen Aktiven einen Anknüpfungspunkt an breitere Schichten der Arbeiterklasse bietet. Die People for Bernie-Gruppen sind bereits ein Ausdruck dieser Wirkung, denn viele von ihnen sind nicht bloße Wahlkampfkomitees, sondern sehen sich als Bündnisse für Bernies Forderungen, mit oder ohne Wahl und mit oder ohne Bernie.
Licht und Schatten
Doch bei allem Enthusiasmus für die Möglichkeiten seiner Kandidatur regt sich auch Kritik: Bernie Sanders hat als Senator Kompromisse mit den Demokraten gemacht und Kürzungen zugestimmt. Aktive von #blm kritisieren ihn, weil er zunächst nur wirtschaftliche Ungleichheit aufgriff, aber zur krassen institutionellen Diskriminierung vor allem durch Polizei und Gerichte keine Aussagen traf. Erst nach einigen Auseinandersetzungen, bei denen #blm-Aktive seine Wahlkampfveranstaltungen so störten, dass er sie abbrach, hat er diese Punkte in sein Programm aufgenommen.
Bernie Sanders‘ außenpolitische Positionen nehmen weder den Standpunkt der Arbeiterklasse ein, noch sind sie pazifistisch. Er stimmte für den Afghanistankrieg, setzt sich für militärische Interventionen der USA im ‚Kampf gegen den Terrorismus‘ ein und betrachtet die Angriffe des israelischen Staats auf Palästina im letzten Jahr als, wenn auch überzogene, grundlegend gerechtfertigte Selbstverteidigungshandlung.
Nicht alle seine Forderungen sind so radikal, wie seine Rhetorik vermuten lässt, und von verschiedenen Gruppen wird ihm vorgeworfen, er würde als älterer, weißer, privilegierter Mann diejenigen, die er vertreten will, zu wenig zu Wort kommen lassen.
Kleinere und größere Übel
Der wichtigste Kritikpunkt gilt jedoch Bernie Sanders‘ Analyse der Demokraten, denn er macht den Fehler, sich auf die Logik des kleineren Übels einzulassen. Damit bedroht er selbst die Dynamik, die seine Kandidatur angestoßen hat. So hat er bereits angekündigt, sich dem Wahlkampf für den oder die andere PräsidentschaftskandidatIn der Demokraten, höchstwahrscheinlich Hillary Clinton, anzuschließen, sollte er die Vorwahlen nicht gewinnen, was beinahe sicher ist. Er erklärte, er würde mit allen Mitteln verhindern wollen, dass ein Republikaner diese Wahl gewinnt, und jüngst fügte er hinzu, Hillary Clinton sei an ihrem schlechtesten Tag immer noch unendlich viel besser als ein republikanischer Kandidat.8
Er schürt so Illusionen in ein besseres, oder zumindest weniger schlechtes, Leben unter demokratischer Regierung. Genau das ist aber historisch zigmal widerlegt: Es sind oft gerade die etwas linker anmutenden Parteien des Kapitals, die die größten Verschlechterungen durchsetzen können. Zum Beispiel auch in den USA, wo die Regierung von Obama eine Ausweitung von militärischen Operationen im Inland, eine Verlängerung von Guantanamo und des Afghanistankrieges und drastische Verschlechterungen für RentnerInnen beschlossen hat, wie sie George Bush zuvor nicht ohne größere Proteste hätte umsetzen können.
Die Logik des kleineren Übels, zu Englisch ‚lesser evilism‘, ist in den USA wegen der besonders unmaskiert menschenfeindlichen Haltung der Republikaner und Libertären (Tea Party Bewegung) ohnehin weitverbreitet.
Das kleiner erscheinende Übel ist in seiner politischen Wirkung auf die Arbeiterbewegung und Linke aber oftmals das größere, denn Parteien wie die US-Demokraten haben einen psychologischen Vorteil, der mit ihrem linkeren Image einhergeht: Leute glauben eher, dass eine Verschlechterung unumgänglich war, dass es ‚keine Alternative gab‘, wenn sie von ‚den ja schon weniger Schlimmen‘ durchgeführt wird. Bernie Sanders bestärkt diese Illusionen und liefert damit ein weiteres Sprungbrett für Hillary Clintons Politik im Dienste der Konzerne und Oligarchen.
SozialistInnen und Bernie Sanders
Manche linken Gruppen in den USA nennen die hunderttausenden Leute, die Sanders anzieht, verächtlich ‚sheeple‘ (von sheep – Schaf und people – Leute), sie werfen ihnen Naivität vor, weil sie ihm mehr Abgrenzung zu den Demokraten und Radikalität zusprechen, als gerechtfertigt wäre, und seine Schwächen verkennen. Fakt ist aber, dass die Debatte, die er ausgelöst hat, viel tiefer in die Gesellschaft wirkt, als alle Bewegungen der letzten Jahre. Die Gefahr ist groß, dass Sanders‘ Aufruf, Hillary Clinton zu wählen und damit die Politik zugunsten von Milliardären und zum Schaden der Arbeiterklasse fortzusetzen, wenn er die Vorwahlen verliert, zu einer Demoralisierung dieser Leute führt und das Potential für eine neue Bewegung abermals verpufft. Wenn SozialistInnen es aber schaffen, mit diesen Leuten in Kontakt zu treten, sie davon zu überzeugen, dass eine neue politische Kraft, eine Massenpartei der normalen Bevölkerung, notwendig ist, die mit Gewerkschaften und Jugendlichen gemeinsam eine starke Bewegung aufbaut, könnte das der Anfang einer tatsächlich grundlegenden Veränderung der politischen Lage in den USA sein. Mitglieder von Socialist Alternative, der Schwesterorganisation der SAV in den USA, beteiligen sich deshalb an People-for-Bernie-Versammlungen und versuchen dort, die Aufmerksamkeit darauf zu lenken, was nötig wäre, um die Forderungen wirklich durchzusetzen. Bernie Sanders selbst hat mehrfach gesagt, es gehe in dieser Kampagne nicht um ihn, es gehe um politische Veränderungen. Das sollten SozialistInnen aufgreifen und diese Chance nutzen, mit vielen tausend Menschen ins Gespräch zu kommen.
Ist Bernie Sanders ein demokratischer Schäferhund?
Einige linke Gruppen argumentieren, man würde Illusionen in die Demokraten Vorschub leisten, indem man auf Sanders‘ Wahlkampf orientiert und ihm und seinen Ideen zu viel Raum gibt. Sie sagen, Sanders wäre eine Vorfrontfigur der Demokraten, jemand, den sie nur einsetzen, um am Ende die radikalisierten Schichten, ihre Unterstützung und ihre Spendengelder, in den eigenen Wahlkampf zu lenken. Um in ihrem Bild zu sprechen: Er ist der Schäferhund, der die sheeple zusammentreibt.
Es ist sicherlich eine Gratwanderung, nicht den Eindruck entstehen zu lassen, man würde für Sanders Kampagne machen und wäre bereit zur Aufgabe von politischen Prinzipien, um ihm zum Erfolg zu verhelfen, und gleichzeitig in eine konstruktive und solidarische Diskussion über die nötigen Schritte zur Umsetzung der Forderungen mit den neuen Aktiven zu treten.
Gleichzeitig bestehen Illusionen in die demokratische Partei bereits, und sie entstehen in jeder Wahlperiode neu durch die abschreckenden Positionen der Republikaner. Eine neue, unabhängige Kraft kann aber nur Bedeutung erlangen, wenn sie von einer Bewegung getragen wird. Diese wiederum muss erst entstehen, und im Moment sammelt sich das größte Potential dafür um Bernie Sanders. Zwar gibt es mit Jill Stein eine Kandidatin der Green Party (die in den USA weiter links und unabhängig stehen als die Grünen in den europäischen Ländern), aber realistisch betrachtet bekommt sie trotz ihrer klar unabhängigen und weniger problematischen Postion in einigen politischen Fragen bei weitem nicht so viel Aufmerksamkeit wie Bernie Sanders.
GenossInnen von Socialist Alternative berichten allerdings auch, dass sie viele Leute treffen, die Bernie Sanders‘ Forderungen unterstützen, aber keine Illusionen mehr in die Demokraten hegen. Diese Leute, und die Leute, die sich nach Sanders‘ Nichtwahl von den Demokraten abwenden, können zum Ausgangspunkt für die Bildung einer unabhängigen Kraft der Arbeiterklasse werden. Während mit der Occupy Wall Street-Bewegung erste Gespräche über Antikapitalismus und die Ausweglosigkeit des kapitalistischen Systems in der Breite möglich wurden, diskutieren größere Teile der US-Gesellschaft jetzt zum ersten Mal seit Langem sozialistische Ideen und echte Alternativen zur Kürzungs- und Kriegspolitik des US-Establishments.
Kann Bernie Sanders nach links gedrückt werden?
Zugleich verkennt die Analyse, Sanders wäre nur ein demokratischer Strohmann, seine durchaus widersprüchliche Rolle. Zwar ist es nicht falsch, zu sagen, die Demokraten könnten versuchen, ihn als solchen zu benutzen um die Stimmen der fortschrittlichsten Schichten als kleineres Übel abzuräumen. Eigentlich gäbe es dafür aber wenig Grund: Alle Umfragen zeigen, dass die jungen und nicht-weißen Wählerschichten demokratisch wählen, und ihre Zahl nimmt in den kommenden Wahlen zu. Zugleich besteht für die Demokraten eine große Gefahr darin, dass Leute anfangen, sich selbstständig zu organisieren und die Grenzen des Systems in ihren Kämpfen kennenzulernen, oder gar eine neue, unabhängige Organisation aufzubauen. Auf Bernie Sanders als Schäferhund zu setzen wäre ein ziemlich riskantes Unterfangen ohne jede Not zu diesem Zeitpunkt. Eine Figur wie Obama war weitaus geeigneter, die Stimmung abzufangen, Bernie Sanders hingegen ist im Moment eher Brennspiritus als Feuerlöscher.
Wie bewusst ihm seine eigene Rolle in diesem Prozess ist, ist schwer zu sagen. Aber so oder so wirken die Verhältnisse der Bewegung auch auf ihn zurück, und wenn seine Forderungen auf eine Stimmung treffen und eine allgemeine Organisations- und Bewegungsdynamik anstoßen, wird er sich entscheiden müssen, sich entweder mit der Bewegung zu radikalisieren oder von ihr zurückgelassen zu werden. Erste solche Momente sind schon jetzt sichtbar: Bernie Sanders hat in der Vergangenheit abgelehnt, die Forderung nach einer Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Dollar aufzustellen. Nachdem sie aber in mehreren Städten erkämpft wurde, hat Sanders diesen Punkt im Mai 2015 zum ersten Mal in sein Programm aufgenommen. Das kann von der Bewegung aufgegriffen und in einer Art Schneeballeffekt genutzt werden.
Es ist nicht ausgeschlossen, dass Bernie Sanders im weiteren Verlauf mit noch linkeren Positionen oder sogar einer unabhängigen Kandidatur reagieren muss, insbesondere, wenn er in den Umfragen zu nah an Hillary Clinton heranrücken sollte (er liegt jetzt im Schnitt bei knapp über 30 Prozent, sie bei ca. 55 Prozent)9 und die Führung der Demokraten mit einer Hetzkampagne reagiert.
Für die sozial(istisch)e Revolution
Sanders ist kein Sozialist im marxistischen Sinn: Seine Vorstellung von einer politischen Revolution beschränkt sich weitgehend auf etwas Sozialstaat, vergleichbar mit der sozialdemokratischen Politik in einigen europäischen Ländern nach dem zweiten Weltkrieg. Im US-Kontext wirken jedoch seine Forderungen, und nicht nur seine Rhetorik, tatsächlich so radikal, dass er eine gesellschaftliche Debatte auslöst. Sieben Tage Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und zwölf Tage bezahlter Urlaub im Jahr sind kein Sozialismus, aber in einem Land, in dem viele Beschäftigte keine Krankenversicherung und keinen Anspruch auf bezahlten Urlaub, abgesehen von vier oder fünf gesetzlichen Feiertagen haben, sind diese Forderungen weitgehend.
Aber Bernie Sanders sieht seine Kandidatur nicht als Ersatz für die Bewegung, und das ist ein entscheidender Anknüpfungspunkt für MarxistInnen. Er erklärte bei seiner Wahlkampf-Auftaktveranstaltung in Vermont:
„Heute beginnen wir eine politische Revolution, um unser Land wirtschaftlich, politisch, sozial und in Umweltfragen zu verändern. (…) Brüder und Schwestern, jetzt ist nicht die Zeit, um in kleinen Schritten zu denken (…) Jetzt ist die Zeit für Millionen von Familien zusammenzukommen“ (Übers. d. A.)10
Damit das gelingen kann, muss die Bewegung erkennen, dass die Parteien der Konzerne und Oligarchen, ob Demokraten oder Republikaner, keinen Hebel für sie darstellen. Wenn Bernie Sanders in den Vorwahlen gegen Hillary Clinton verliert, kann das ein wichtiger Schritt für den Erkenntnisprozess sein, dass eine Politik im Dienste der Arbeiterklasse bei den Demokraten nicht erwünscht ist.
Socialist Alternative ruft nicht zur Wahl von Bernie Sanders oder der demokratischen Partei auf. Die GenossInnen sind sich bewusst über die Grenzen seiner Kandidatur und seines Programms und erklären überall, wo sie auftreten, die Notwendigkeit des Aufbaus einer unabhängigen Kraft, die das kapitalistische System in Frage stellt, und dass Parlamentssitze nur dienlich sind, wenn sie an die Bewegung anknüpfen. Kshama Sawant hat vorgemacht, wie SozialistInnen das Parlament nutzen können, um Bewegungen zu unterstützen und zu befördern. Das Entscheidende an Bernie Sanders‘ Kandidatur ist aber die breite Politisierung und die ermutigende Wirkung, die sie auf Aktive und Interessierte hat. Diese Dynamik zu befeuern und in Bewegungen zu konkreten Forderungen zu lenken ist die wichtigste Aufgabe von SozialistInnen im kommenden US-Wahlkampf.