Mit dem Papst für DIE LINKE werben?

papstKritik des umstrittenen Wahlplakatmotives aus Rheinland-Pfalz

Wie gegenwärtige Umfragen andeuten, ist ein Einzug der Partei DIE LINKE in Rheinland-Pfalz sehr wahrscheinlich. Das ist in jedem Fall gut und begrüßenswert, bietet es doch erstmals die Chance, in dem Bundesland im Südwesten eine parlamentarische Interessenvertretung für ArbeiterInnen zu schaffen. Doch ist die Art der Wahlwerbung auch hier recht befremdlich.

von Marcus Hesse, Aachen

Denn DIE LINKE in Rheinland-Pfalz versucht gerade mittels der zweifelhaften Autorität des absolutistischen Staatsoberhauptes eines Gottesstaates für ihre Inhalte zu werben. So steht ein kapitalismuskritisches Zitat des gegenwärtigen Papstes Franziskus samt dessen Konterfei in vollem Ornat darauf. Da stellt sich die Frage, ob dieser Werbeträger geeignet ist, linke Inhalte und die Vision einer daran orientierten Politik zu präsentieren. Mit Blick auf die Frage des politischen, sozialen und ideologischen Charakters des Papsttums, seiner Geschichte, aber auch der Figur des gegenwärtigen Pontifex, ist das eindeutig zu bezweifeln – steht der Vatikan doch mitnichten für linke Inhalte, auch wenn er bisweilen bestimmte Auswüchse des Kapitalismus kritisiert.

Das Papsttum – Hort der Reaktion seit Jahrhunderten

Faktisch handelt es sich beim Papsttum um ein lebendes Fossil aus der Feudalzeit, dessen Kritik an der bürgerlichen Gesellschaft eine Kritik vom Standpunkt der alten Gesellschaftsordnung aus ist. Die katholische Kirche war konsequente Gegnerin der Französischen Revolution, der Demokratie, der Trennung von Staat und Kirche und des damals noch revolutionären Liberalismus. Der Vatikan hat bis heute die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte nicht anerkannt. Gleich nach dem Ausbruch der bürgerlichen Revolution in Frankreich erklärte sich Papst Pius VI. gegen die Umwälzung. In einer Breve (Schriftstück) vom 10. März 1791 schrieb der Papst bezogen auf die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte: „Kann man etwas Unsinnigeres ausdenken als eine derartige Gleichheit und Freiheit für alle zu dekretieren!?“ Doch es blieb nicht bei verbalen bzw. schriftlichen Protesten: So stützte der Kirchenstaat aktiv die Mächte, die militärisch gegen Frankreich in den Krieg zogen und unterstützte den klerikalen und royalistischen Aufruhr im Lande selbst, indem er Priester zur Verweigerung des Eides auf die Republik aufforderte und auch der gegenrevolutionären Aufstandsbewegung in der Vendée seinen Segen gab. In den spanischen und portugiesischen Kolonien bediente man sich der Inquisition, um aufklärerische, bürgerlich-revolutionäre und antikoloniale Bewegungen zu bekämpfen.

Im 19. Jahrhundert dann hat der Heilige Stuhl (unter Papst Leo XIII.) eine eigene Soziallehre entwickelt, die aber primär eine Reaktion auf die erstarkende Arbeiterbewegung war und ein Versuch, den SozialistInnen den Einfluss auf das Proletariat und die arme Bauernschaft streitig zu machen. In der Enzyklika „Rerum Novarum“ wandte sich Papst Leo XIII. gegen die „neuen Dinge“ (Liberalismus und Sozialismus), die er als Gefahr für die Gesellschaft sah. Die Aufhebung des Privateigentums und die Überführung des Einzelbesitzes in die Hand der Allgemeinheit seien nicht nur “rechtswidrig“ und „wider die natürlichen Gesetze“, sondern würden „der Arbeiterklasse zudem selbst schaden“ (Rerum Novarum 4, 5). Der Heilige Stuhl verfügte die Unvereinbarkeit von Sozialismus und Zugehörigkeit zur katholischen Kirche, eine Haltung die bis heute formal nicht aufgehoben wurde. Kein Wunder: Sein Vorgänger Pius IX. hatte das bis heute nicht aufgehobene Unfehlbarkeitsdogma des Papstes erfunden. Konsequenterweise schuf Rom in Folge der Enzyklika Konkurrenzverbände zur Sozialdemokratie und zu den freien Gewerkschaften.

Papst Pius XI. verurteilte noch einmal explizit in seiner Enzyklika „Quadragesimo Anno“ von 1931, alle Formen des Sozialismus und Kommunismus. (QA, 99–126)  Dort heißt es: „Der Sozialismus, gleichviel ob als Lehre, als geschichtliche Erscheinung oder als Bewegung, auch nachdem er in den genannten Stücken der Wahrheit und Gerechtigkeit Raum gibt, bleibt mit der Lehre der katholischen Kirche immer unvereinbar. Er müsste denn aufhören, Sozialismus zu sein: der Gegensatz zwischen sozialistischer und christlicher Gesellschaftsauffassung ist unüberbrückbar.“ (QA, 117).

Die Päpste von Leo XIII. bis Johannes Paul II. haben sich dann auch konsequent als Kämpfer und moderne Kreuzritter gegen Sozialismus und Kommunismus verstanden. Sei es beim Krieg Polens gegen das junge Sowjetrussland 1920, in Spanien 1931/36-1939 (Parteinahme gegen die Republik und für Franco), durch eine Zusammenarbeit mit dem (Klerikal-)Faschismus in Italien (Mussolini), Österreich (Dollfuß), Kroatien (Pavelic) und Ungarn (Horthy), bei den Klassenkämpfen in Lateinamerika oder im Kalten Krieg. Im September 1936 sprach Pius XI. in seiner Sommerresidenz zu spanischen Gläubigen und segnete schließlich die Spanier, welche „die göttlichen und religiösen Rechte und die Ehre schützten.“ Damit meinte er natürlich die Soldaten Francos. Nach dem Sieg Francos über die Republik und die Linke übernahm die katholische Kirche dann wieder die Dominanz über das Bildungswesen und segnete die Massenmorde an den Besiegten. Deren Kinder kamen in kirchliche Waisenhäuser, wo man ihnen die anerzogene Gottlosigkeit ihrer „roten Eltern“ austrieb. Noch Anfang der 1980er drohte Papst Johannes Paul II. nicaraguanischen Bischöfen, die mit den SandinistInnen zusammenarbeiteten mit der Exkommunikation. Das sind nur einige Beispiele aus der langen Reihe der Geschichte der reaktionären Rolle des Heiligen Stuhls. Es wäre zu umfassend, all diese Aktivitäten im Einzelnen zu schildern.

Aber können Linke so nicht neue Schichten von WählerInnen gewinnen?

GenossInnen, die das rheinland-pfälzische Plakat gut finden und verteidigen, mögen nun mit dem Vorwurf kommen, hier sektiererisch zu sein. Nur wenige kennen schließlich die Geschichte des Papsttums im Detail und vieles habe sich ja geändert. Man verweist auf die Chance, Gläubige für die Ziele der LINKEN zu gewinnen und auf die Existenz der Befreiungstheologie. – Nun sind das recht fadenscheinige Argumente.
1. Sollte man gläubige ArbeiterInnen, Erwerbslose, Jugendliche und RentnerInnen durch politische Inhalte und Forderungen gewinnen, die ihren sozialen Interessen entsprechen – Ohne die Religion zum Thema zu machen.
2. Ist die Theologie der Befreiung, die in Deutschland eh ein Randphänomen ist, vom Vatikan stets unterdrückt und bekämpft worden. Ihre konsequentesten Vertreter sind ihrer geistlichen Ämter enthoben oder gar exkommuniziert worden. Auch der aktuelle argentinische Papst war keinesfalls ein Anhänger dieser Richtung.
3. Ist die Amtskirche in Deutschland eine Ausbeutungsinstitution großen Stils. Sie profitiert von Ein-Euro-Jobs, prekärer Beschäftigung, miesen Löhnen und hat besonders üble, restriktive und gewerkschaftsfeindliche Arbeitsbedingungen in ihren Einrichtungen. Es ist die Pflicht der Linken, die Interessen dieser Menschen zu vertreten und sich eben nicht mit ihrem obersten Chef zu identifizieren.
4. Ist gelegentliche verbal scharfe, aber letztlich in keiner Weise systemsprengende Kapitalismuskritik nur ein Element, mit der der Vatikan unter dem gegenwärtigen Papst in den öffentlichen Diskurs tritt: So werden auch weiterhin frauenfeindliche und homophobe Ansichten vertreten. Als Erzbischof in Buenos Aires trat der spätere Papst zum Beispiel vehement gegen die Homoehe und das Recht auf Abtreibung auf. Als absolutistisches Oberhaupt der Kirche hält er an diesen Positionen fest. Wir sehen also, vom Standpunkt der konsequenten Parteinahme für Unterdrückte und benachteiligte Minderheiten aus – einer elementaren Pflicht für Linke – ist der Papst kein Vorbild. Der vermutliche Plan, fromme KatholikInnen für die Partei DIE LINKE zu gewinnen, führt womöglich dazu, gleichgeschlechtlich orientierte Menschen, emanzipierten Frauen und auf Modernisierung drängende Kirchenmitglieder mit Recht zu verschrecken.

Aber dieser Papst ist doch anders!…

Auf die Haltung des Papstes zur Homosexualität ist oben schon eingegangen worden. Als er noch Bischof in Buenos Aires war, gehörte er zu den schärfsten Kritikern der Gleichstellungspolitik der damaligen Präsidentin Kirchner. Sein Kommentar als Erzbischof von Buenos Aires zum Plan der Legalisierung der Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften 2010 war: „Seien wir nicht naiv. Das ist kein einfacher politischer Kampf, das ist der Versuch, Gottes Plan zu zerstören.“ (Stern, 15.3. 2013)

Aber auch seine Rolle in der Zeit der Militärdiktatur ist obskur. Zur Zeit der rechten Junta in Argentinien in den 1970er und 1980er Jahren „verschwanden“ zahlreiche linke AktivistInnen, GewerkschafterInnen und linke Geistliche. Selbst einige Leute aus seinem eigenen Orden, den Jesuiten. Der heutige Papst gehörte damals nicht zu den Oppositionellen und hat sich, wie viele Überlebende der damaligen Repression anmerken, nicht für die Verfolgten eingesetzt. Der heutige „Papst der Armen“ stand damals nicht an deren Seite, sondern folgte dem staatsnahen Kurs der argentinischen Kirchenführung. Ein Bericht des ARD-Magazins monitor widmete sich schon beim Antritt seines Pontifikats der Thematik und stellte sich mit kritischen Nachfragen dem allgemeinen Papst-Hype entgegen: https://www.youtube.com/watch?v=AjO8JsT0eAg Doch auch später zeigte Papst Franziskus immer wieder seine im Grunde stockreaktionäre Gesinnung: So, als er öffentlich das Schlagen von Kindern als Erziehungsmittel propagierte (FAZ, 8.2.2015) und wiederholt am Verbot von Abtreibungen und Verhütungsmitteln festhielt. Wie seine Vorgänger lehnt er Kondome selbst zum Schutz vor HIV/AIDS ab.

Fazit

Wir sehen also: Weder die Institution des Papsttums – mit seiner ganzen Geschichte und Gegenwart, noch die Person des gegenwärtigen Pontifex ist in irgendeiner Weise geeignet, für linke Ziele zu werben. Kritische Aussagen des Papstes zum Kapitalismus, die manchmal radikaler klingen als das was „linke“ PolitikerInnen sagen, sprechen nur gegen die Beschränktheit dieser „linken“ PolitikerInnen. Das Papsttum versucht seit dem Ende des „Kalten Krieges“ und des Wegfalls der Systemkonkurrenz, ein Vakuum auszufüllen. Ein Papst der selbst einen äußerlich (!) bescheidenen und asketischen Lebensstil führt (dem es aber natürlich an nichts fehlt und der in Palästen lebt) ist in Zeiten der Krise und der Verarmung breiter Massen der Weltbevölkerung ein gutes Feigenblatt für systemerhaltende Politik. Er kann glaubwürdiger als andere eine konservative Politik propagieren. Allein dass bürgerliche PolitikerInnen, die täglich an der Verarmung der Massen arbeiten, den „Papst der Armen“ überschwänglich loben, sollte uns zu denken geben! Im Übrigen: Der Name Franziskus (in Anlehnung an Franz von Assisi) steht eben nicht nur für Bescheidenheit und Parteinahme für die Armen. Denn historisch gesehen war der Bettelorden der Franziskaner auch eine Waffe des Feudalismus und des Papsttums gegen die im 13. Jahrhundert starken Ketzersekten der Katharer, Amalrikaner und Waldigenser. Sie entkräften mit ihrem von Armut geprägten Lebensstil deren Agitation gegen das Wohlleben und den perversen Reichtum der Kirche und wurden später sogar zu Exekutoren der Inquisition.

Nun ist es richtig, linke Ideen in die Breite zu tragen, Auch ist es nicht falsch, die Kritik des Papstes am Kapitalismus positiv aufzugreifen. Aber das ist was anderes als Identifikation mit der Figur des Papstes und des Amtes. Das aber suggeriert die LINKE in Rheinland-Pfalz mit ihrem Plakat. Dabei hätte sie das keinesfalls nötig. Eine linke Partei hat mit linken Inhalten, die die Interessen der breiten Mehrheit gegen die des Kapitals artikulieren, ein riesiges Potenzial. Sie vermag damit auch Gläubige und KirchgängerInnen erreichen. Wenn sie sich eben als glaubhaft und ehrlich vermittelt, wird sie Erfolg haben.

Was also bleibt ist ein effekthaschender Werbetrick, bei dem sich eine Partei mit etwas ihrem Wesen, ihrem „Markencharakter“ fremdem, zu schmücken versucht. Dass die Katholische Kirche sich darüber aufregt, kann man sogar nachvollziehen.