Die programmatische Entwicklung der Alternative für Deutschland
Seit ihrer Gründung als Anti-Euro-Partei durch „Wirtschaftsprofessor“ Lucke ist die Alternative für Deutschland (AfD) im ständigen Wandel. Im Zuge einer gesellschaftlichen Polarisierung ist sie nicht nur stärker, sondern auch rechter geworden. Ein Versuch, das Phänomen AfD zu verstehen
Von Sebastian Rave
Kein anderes Phänomen in Deutschland verkörpert den Ausdruck der Krise des Kapitalismus besser als die AfD. Gegründet im Jahr 2013 als „Anti-Euro-Partei“ schlug die AfD in der Europawahl im darauffolgenden Jahr hohe Wellen. Hier präsentierte sie sich als Partei gegen EU-Bürokratie und als Stimme der wirtschaftlichen Vernunft. Die Rhetorik gegen ein Europa der Banken klang auf den Wahlplakaten sogar fast links: „Die Griechen leiden. Die Deutschen zahlen. Die Banken kassieren“. Freilich steckte auch damals nicht viel Soziales hinter der Demagogie. Die AfD lehnte schon damals den Mindestlohn ab, ganz in Übereinstimmung mit dem von Lucke unterzeichneten „Hamburger Appell“, der 2005 eine „niedrigere Entlohnung der ohnehin schon Geringverdienenden“1 forderte. Auch Privatisierungen und Liberalisierung werden im Europaprogramm gefordert: „In diesem Sinne ist die AfD dafür, auch bisher geschützte Wirtschaftsbereiche dem Wettbewerb zu öffnen“2. Trotz ihres Arbeitgeberkurses hat es die AfD geschafft, sich ein „Anti-Establishment-Image“ anzuheften. Das liegt auch daran, dass die Position, der Euro schade Deutschland (sprich: der deutschen Wirtschaft) nur eine Minderheitenposition im deutschen Kapital ist. Die deutschen Konzerne profitieren mehrheitlich vom Euro, durch den sie günstiger in alle Welt exportieren können. Nur einige „mittelständische“ Unternehmen würden vom Protektionismus profitieren, den die AfD in letzter Instanz fordert. Die AfD stand somit als einzige Partei im Europawahlkampf gegen die zu der Zeit tief in der Krise steckende EU – leider auch, weil DIE LINKE beschlossen hatte, keinen Anti-EU-Wahlkampf zu führen.
Nach dem Achtungserfolg bei der Europawahl wurde die AfD zum Sammelbecken einer wilden Mischung von Kräften, die sich in der bisherigen Parteienlandschaft nicht repräsentiert fühlten: Altkonservative, die von Merkels „sozialdemokratischer“ Politik enttäuscht waren, reaktionäre Netzwerke aus dem Alt-Adel, neurechte Intellektuelle, Verschwörungstheoretiker, neoliberale Hardliner, völkische Nationalisten und mehr oder weniger offene Faschisten. Die Mitglieder sammelten sich zunächst um zwei Hauptströmungen: Die Wirtschaftsliberalen um Bernd Lucke und Ex-Arbeitgeberpräsident Henkel auf der einen Seite, Frauke Petry, Björn Höcke und andere „Nationalkonservative“ auf der anderen Seite. So unterschiedlich beide Flügel der Partei waren, so sehr waren sie in den Anfangsmonaten der AfD voneinander abhängig: Die Wirtschaftsliberalen waren als eine extremere Variante des ohnehin vorherrschenden Neoliberalismus keine ausreichende Antwort auf die weit verbreitete Entfremdung vom politischen Establishment. Den Nationalkonservativen alleine andererseits hätte es an Seriösität gefehlt, sie hätten wahrscheinlich schnell eine ähnliche Abwehrhaltung erfahren wie zuvor NPD, DVU, Republikaner etc.
Die Zweckehe zwischen beiden hielt nicht lange. Beim Parteitag in Essen im Juli 2015 konnte Petry sich mit ihrem rechten Flügel gegen Lucke durchsetzen. Der parteiinterne Streit, der auch um die Frage ging, wie man sich zu PEGIDA verhält, war entschieden. Der wirtschaftsliberale Flügel verließ die Partei und gründete die Totgeburt ALFA (Allianz für Fortschritt und Aufbruch). Nach der Spaltung schien die AfD zunächst am Ende, lag bei Umfragen teilweise bei nur noch 3 Prozent. Trotzdem überstand die AfD die Spaltung.
„Flüchtlingskrise“
Es war eine weitere Krise, die der AfD das politische Überleben rettete: Diesmal die so genannte „Flüchtlingskrise“, dem Anklopfen der globalen Krise in Form von Hunderttausenden, die vor Krieg und Elend flohen.
PEGIDA und andere Kräfte der neuen Rechten nutzten die Gelegenheit, um die seit Jahren durch bürgerliche Medien und bürgerliche Ideologen wie Thilo Sarrazin (SPD) geschürten irrationalen Ängste vor einer angeblichen Islamisierung mit realen sozialen Sorgen zu verknüpfen, und teilweise Zehntausende zu mobilisieren.
Dabei ist es übrigens kein Zufall, dass die rechten Kräfte besonders in Ostdeutschland stark sind: Die Restauration des Kapitalismus nach dem Mauerfall hat zu enormen sozialen Verwerfungen geführt, Arbeits- und Perspektivlosigkeit sind weiter deutlich höher als im Westen. Gleichzeitig leiden „linke“ Ideen weiterhin unter der Diskreditierung durch den Stalinismus – und gerade im Osten auch unter dem Regierungskurs der LINKEN (bzw. vor der parteigründung der PDS), die zum Beispiel in Dresden 2006 der Privatisierung von 48.000 kommunalen Wohnungen zugestimmt hat. Wenn soziale Fragen nicht von links beantwortet werden, besteht die Gefahr, dass die Antworten von rechts kommen. Das nutzt vor allem auch PEGIDA, verbunden mit der Kritik an den „herrschenden Systemparteien“ und der „Lügenpresse“. Diese Bewegung, als reaktionärer Ausdruck der Entfremdung vom politischen System, hat der AfD neues Leben eingehaucht. Die AfD konnte sich wieder als „Anti-Establishment“ präsentieren, weil sogar die CDU jetzt „Flüchtlinge Willkommen“ hieß. In Wirklichkeit ist sich die AfD mit der CDU, der SPD und dem kompletten Establishment einig: Einwanderung ist gut, solange sie der Wirtschaft nützt. Zitat: „Die AfD setzt sich für ein Einwanderungsrecht mit ‚Punktesystem‘ nach kanadischem Vorbild ein, das die Interessen Deutschlands und die Chancen der Zuwanderer auf erfolgreiche Integration in unsere Gesellschaft gleichermaßen berücksichtigt“.3 Das tat der guten Beziehung zwischen AfD und PEGIDA aber keinen Abbruch.
Kleinbürgertum
Die Rechtspopulisten sind das Sprachrohr der durch die Krise abstiegsbedrohten, „verrohenden“ Mittelschicht. Es sind nämlich nicht etwa mehrheitlich NiedriglohnarbeiterInnen, prekär Beschäftigte oder Arbeitslose, die bei PEGIDA mitmarschieren oder Mitglied in der AfD sind. Von den PEGIDA-BesucherInnen haben laut einer Studie4 49,6 Prozent ein Einkommen von mindestens 2000 Euro netto im Monat. Über die AfD schreibt Sebastian Friedrich in seinem Buch „Der Aufstieg der AfD“: „Der typische AfD-Wähler ist (…) Angehöriger der Mittelschicht und verdient überdurchschnittlich gut“.5 Diese Mittelschicht aus Selbstständigen, besser verdienende Angestellte, BeamtInnen etc. war nicht zufällig auch die soziale Basis des Faschismus: Das Kleinbürgertum, das sich in der Krise radikalisiert. Trotzki schrieb in seinem „Porträt des Nationalsozialismus“ 1933: „In der durch Krieg, Niederlage, Reparationen, Inflation, Ruhrbesetzung, Krise, Not und Erbitterung überhitzten Atmosphäre erhob sich das Kleinbürgertum gegen alle alten Parteien, die es betrogen hatten. Die schweren Frustrationen der Kleineigentümer, die aus dem Bankrott nicht herauskamen, ihrer studierten Söhne ohne Stellung und Klienten, ihrer Töchter ohne Aussteuer und Freier, verlangten nach Ordnung und nach einer eisernen Hand.“ Und an anderer Stelle: „Das nationale ‘Erwachen’ stützte sich ganz und gar auf die Mittelklassen, den rückständigsten Teil der Nation, den schweren Ballast der Geschichte. Die politische Kunst bestand darin, das Kleinbürgertum durch Feindseligkeit gegen das Proletariat zusammenzuschweißen. Was wäre zu tun, damit alles besser werde? Vor allem die niederdrücken, die unten sind“.
Radikalisierung
Mit der Radikalisierung des vor der Krise stehenden Kleinbürgertums, das in Dresden massenhaft auf die Straße geht, in den sozialen Medien hetzt und an Stammtischen pöbelt, radikalisierte sich auch die AfD. Deutlich wird das in der Entwicklung der Migrations-Programmatik der AfD. Im Europa-Wahlprogramm, beschlossen im April 2013, hieß es noch (ganz im Dienste der Wirtschaft): „Die AfD tritt für ein offenes und ausländerfreundliches Deutschland ein und bejaht sowohl die Niederlassungsfreiheit als auch die Arbeitnehmerfreizügigkeit. Unsere demographische Entwicklung erfordert eine qualifizierte Zuwanderung, durch welche die Versorgung einer alternden Bevölkerung ebenso sichergestellt werden kann wie der Bedarf der Wirtschaft an hochqualifizierten Arbeitskräften.“6 und „Ernsthaft politisch Verfolgte müssen in Deutschland Asyl finden können“.7 Gleichzeitig sollen aber auch die Europäischen Außengrenzen „gesichert“ und Fluchthelfer („Schlepper“) bekämpft werden: „Eine unkontrollierte Zuwanderung in die EU-Staaten muss durch Kontrolle der EU-Außengrenzen verhindert werden. Die Unterstützung der Mittelmeer-Anrainer Afrikas bei der Bekämpfung der Schlepper-Kriminalität muss ausgeweitet werden, was sich nicht nur auf Schulung und Training der Behörden vor Ort beschränken darf“8. Trotzdem: Die AfD war zu diesem Zeitpunkt, vor der Spaltung, bei der Asylpolitik nicht weiter rechts als zum Beispiel die CSU.
Anders beim „Thesenpapier Asyl“, zwei Monate nach der Spaltung: „Das Recht, in Deutschland Asyl zu beantragen, ist aufzuheben. Asylanträge müssen vor Ort in unseren Botschaften in den Herkunftsländern in nationaler Zuständigkeit oder in einzurichtenden zentralen Auffangzentren unter EU- oder UNHCR- Verwaltung gestellt werden. (…) Asylgesuche an unseren Grenzen werden abgewiesen und eine Einreise abgelehnt“.9 Desweiteren wird die von rechtsradikalen beliebte Mär aufgegriffen, dass Flüchtlinge wegen der (sehr spärlichen) Sozialleistungen nach Deutschland kämen: „Als Sofortmaßnahme sind Leistungen für Asylbewerber ausschließlich als Sachleistungen zu gewähren; abgelehnte Asylbewerber erhalten Sachleistungen auf Dauer. Bargeld darf es erst nach Anerkennung des Asylantrages geben. Das gesamte übrige Anreizsystem ist umfassend abzubauen.“10
Auf der Maus ausgerutscht…
Als Beatrix von Storch (Teil eines ultrareaktionären Adelsnetzwerks mit NS-Vergangenheit) auf Facebook gefragt wurde, ob sie die Grenze auch mit Waffengewalt gegen Frauen und Kinder verteidigen würde, antwortete sie mit „Ja.“ – um einige Tage später zurückzurudern, sie sei dabei „auf der Maus ausgerutscht“. Diese Ausrede war so schlecht, dass Frauke Petry sie sogar dementieren musste. Die Ursprüngliche Idee, Die Grenzen mit Waffengewalt zu „verteidigen“, stammt aber von Marcus Pretzell, Landesvorstizender der AfD NRW. Die Episode zeigt, dass die AfD noch auf der Suche nach der richtigen Mischung aus Menschenverachtung und Verwertungslogik ist – und, wie weit fortgeschritten die Radikalisierung nach rechts schon ist.
Die Entwicklung des AfD-Programms ist noch nicht abgeschlossen, zur Zeit ist eine Programmkommission beauftragt, für den nächsten Parteitag einen Entwurf vorzulegen. Aus den „Politischen Leitlinien“, an die sich das Programm anlehnen wird, kann man aber schon herauslesen, wohin die Reise gehen wird. Weiterhin spielt die „nationale Souveränität Deutschlands“ gegenüber der EU eine große Rolle. Man ist gegen Frauenquoten und „die Aufhebung der Geschlechteridentitäten“ (die AfD bleibt dem Antifeminismus sowie der Homo- und Transfeindlichkeit also treu). Weiter heißt es: „Weltanschauung oder Religion dürfen bei Strafverfolgung und Strafzumessung keine Rolle spielen“ – und damit sind natürlich nicht racial profiling, also rassistische Polizeikontrollen gemeint. Nein, hier wird der Propagandalüge genüge getan, dass „kriminelle Ausländer“ weniger hart bestraft würden als deutsche. Außerdem wird wacker die Meinungsfreiheit verteidigt – gegen die, die zum Beispiel Rassismus oder Islamfeindlichkeit als solche benennen: „Wir wenden uns mit Nachdruck gegen zunehmend verbreitete Tendenzen selbsternannter Gesinnungswächter, Andersdenkende einzuschüchtern oder gesellschaftlich auszugrenzen. Die AfD setzt sich dafür ein, dass auch Religionskritik der Meinungsfreiheit unterliegt“11. In der Bildungspolitik wird weiter darauf Wert gelegt, dass selektiert wird – damit der Arztsohn nicht etwa mit Kindern der Unterschicht, womöglich noch mit MigrantInnen, in die gleiche Klasse gehen muss. Interessanterweise ist der Teil zu Sozialpolitik erst ganz am Ende zu finden – und etwas kleiner gedruckt als der Rest. Hier heißt es, dass „Menschen in Not“ zwar nicht allein gelassen werden sollen, sich aber „solidarisch“ zeigen sollen, um die „Belastung der Gemeinschaft so niedrig wie möglich zu halten“.12
Die AfD versucht also nicht, sich als Vertretung von ArbeiterInnen darzustellen. Das unterscheidet die AfD noch von anderen rechtspopulistischen Parteien wie dem Front National (FN) in Frankreich oder der PiS in Polen. Beide verkaufen sich – auch unter dem Druck von Klassenkämpfen – als die Partei der „kleinen Leute“, und schaffen es damit tatsächlich, bis tief in die Arbeiterklasse vorzudringen. Beispiel FN: Als die französische Regierung 2010 das Rentenalter hochsetzen wollte und es eine massive Protestwelle dagegen gab, änderte der FN seine Position um 180 Grad: Auf einmal war man für die Rente mit sechzig und gegen die Rentenreform.
„FN sozialistisch“?
Etwas ähnliches ist bei der AfD bisher nicht zu beobachten. Frauke Petry ging bei ihrer Einschätzung zum FN sogar so weit, ihn als eine „weitgehend sozialistische Partei“ im „linken Spektrum“ zu bezeichnen. Das ist weniger Ausdruck einer politischen Links-Rechts-Schwäche, als vielmehr einer tatsächlich anderen Strategie geschuldet. Die AfD gibt einfach keine Antworten auf die soziale Frage, nicht einmal geheuchelte. Das ist das Ergebnis ihrer Herkunft und sozialen Zusammensetzung. Die AfD ist auf allen Ebenen eine Partei des Kleinbürgertums, und das schlägt sich auch in ihrer Programmatik nieder: „Der Mittelstand ist eine tragende Säule unserer Sozialen Marktwirtschaft, für dessen Stärkung wir uns einsetzen.“13 Bisher hat ihr das nicht geschadet, wie Umfragen und Wahlergebnisse bei Landtagswahlen zeigen. Interessant wird es aber, wenn Klassenkämpfe in Deutschland wieder zunehmen: Wenn weder Asylpolitik noch Eurokrise im Mittelpunkt des Interesses stehen, könnte die AfD dastehen wie der Kaiser ohne Kleider: Eine Partei der Bessergestellten, die auf der Seite der Arbeitgeber steht.
Deswegen ist es entscheidend, nicht nur Aufklärungsarbeit über den Rassismus der AfD zu leisten, sondern die Partei durch das Stellen der sozialen Frage als das zu entlarven, was sie ist – prokapitalistisch, unsozial und neoliberal. Einige Linke meinen, man müsse die AfD gemeinsam mit SPD und Grünen bekämpfen, teilweise aus dem Missverständnis heraus, die AfD sei faschistisch (und SPD und Grüne „links“). Dabei besteht nicht nur die Gefahr, sich unglaubwürdig zu machen (mit Abschiebepolitikern gegen Rassismus?). Zu oft werden inhaltliche Zugeständnisse gemacht, um SPD und Grüne nicht aus solchen Bündnissen zu verdrängen. Das Ergebnis ist dann, dass man darauf verzichtet, die wirkliche Ursache für die Probleme zu nennen, die viele in die Arme der Rassisten treiben: Wohnungsmangel ist nicht vom Himmel gefallen, sondern Ergebnis von Wohnungsprivatisierungen und nicht stattfindendem kommunalem Wohnungsbau. Nicht MigrantInnen oder Geflüchtete sind Schuld an niedrigen Renten oder Hartz IV – verantwortlich sind Regierung und Kapital, die Sozialabbau und Lohndrückerei betreiben. Mit dieser Argumentation kann man Menschen für einen gemeinsamen Kampf gegen Rassismus und seine sozialen Ursachen gewinnen. Wenn man darauf verzichtet, gibt man der AfD die Steilvorlage dafür, sich weiterhin als Anti-Establishment-Partei zu präsentieren.
Sebastian Rave ist Mitglied im Landesvorstand der LINKEN Bremen und war Mitorganisator der Demonstration gegen den AfD-Bundesparteitag in Bremen
- www.hwwi.org/uploads/tx_wilpubdb/Hamburger_Appell.pdf
- Programm der Alternative für Deutschland (AfD) für die Wahl zum Europäischen Parlament am 25. Mai 2014
- Wahlprogramm der Alternative für Deutschland (AfD) zur Bundestagswahl 2013
- Lars Geiges, Stine Marg und Franz Walter: „Pegida. Die schmutzige Seite der Zivilgesellschaft?“, Bielefeld 2015 (transcript-Verlag), S. 65
- Sebastian Friedrich, Der Aufstieg der AfD. Neonkonservative Mobilmachung in Deutschland, Berlin 2015 (Bertz + Fischer-Verlag), Seite 80
- Europa-Programm AfD
- ebenda
- ebenda
- www.alternativefuer.de/wp-content/uploads/sites/7/2015/09/15-09-10-Thesenpapier_LA.pdf
- ebenda
- www.alternativefuer.de/wp-content/uploads/sites/7/2016/01/AfD_Leitlinien_2015_DE.pdf
- ebenda
- ebenda
Ist die AfD faschistisch?
Manche Linke charakterisieren die AfD als faschistisch. Als Beleg dafür werden verschiedene Aussagen von zum Beispiel Björn Höcke ins Feld geführt, die tatsächlich zeigen, dass die AfD einen völkischen Nationalismus vertritt. Das allein ist aber noch kein hinreichendes Merkmal für eine faschistische Organisation. Sicher gibt es einen faschistischen Keim in der AfD, die zum Sammelbecken der „Neuen Rechten“ geworden ist. Gleichzeitig fällt auf, dass die AfD noch nicht zum Sammelbecken der Neonazis geworden ist, die sich weiterhin in NPD, Die Rechte, ProDeutschland oder Strukturen der autonomen Nationalisten organisieren.
Faschistische Bewegungen und der Faschismus als Form kapitalistischer Herrschaft sind jedoch besondere Phänomene und stellen eine besondere Bedrohung dar. Deshalb sollte der Begriff nicht inflationär auf rechts-nationalistische Phänomene angewendet werden.
Die Aufgabe des historischen Faschismus war die physische Zerschlagung der Arbeiterbewegung, die zur Gefahr für das Kapital geworden war. Dazu musste er eine Massenbewegung und militante Formationen (im Falle der NSDAP waren das SA und SS) schaffen. Seine Zielsetzung war eine totalitäre Diktatur und die Zerschlagung jeglicher demokratischer Rechte der Arbeiterklasse.
Dazu bediente sich der Faschismus, wie die AfD, des Kleinbürgertums als soziale Basis. Deren Position zwischen den Klassen; den mächtigen Konzernen auf der einen und den Gewerkschaften und linken Parteien auf der anderen Seite, führt dazu, dass es sehr offen für nationalistische und rassistische Ideen ist (Trotzki: „Wie herabgekommener Adel Trost findet in der alten Abkunft seines Bluts, so besäuft sich das Kleinbürgertum am Märchen von den besonderen Vorzügen seiner Rasse.“ Porträt des Nationalsozialismus, 1933).
Der Faschismus nutzt das Kleinbürgertum aber als Armee, um die Arbeiterbewegung zu zerschlagen. Das Ziel hat die AfD in ihrer Gesamtheit nicht. Und auch wenn sie in einigen Regionen dazu übergegangen ist, Straßendemonstrationen zu organisieren auf denen Nazis willkommen sind – einen militanten Flügel, der in größerer Zahl Übergriffe gegen AntifaschistInnen organisieren würde, hat sie bisher nicht. Es ist aber nicht auszuschließen, dass es bei einer weiteren Polarisierung der Gesellschaft durch die zunehmende Krisenhaftigkeit des Kapitalismus auch zu einem massiven Erstarken der faschistischen Elemente in der AfD und einem weiteren Rechtsruck der Partei kommt.