Angriffe von Rechten im sächsischen Wurzen, in Plauen und Zwickau. Linke muss handeln – jetzt!
Laut den Angaben des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) beteiligten sich insgesamt 18.000 Menschen an den Mai-Feierlichkeiten. Das trotz der inhaltlichen Schwächen der meisten Kundgebungen immerhin noch so viele Menschen zusammenkamen, ist die gute Nachricht des ersten Mai im Freistaat. Sonst allerdings war der traditionelle Kampftag der Arbeiterbewegung für die sächsischen GewerkschafterInnen erschreckend.
In Wurzen zogen gut 100 Mitglieder der Jungen Nationaldemokraten (JN), der Jugendorganisation der NPD, durch die Straßen der Kleinstadt. Von der Polizei abgeschirmt, gelang es ihnen dennoch in einer Stärke von 20 Mann einen Reporter von „Straßengezwitscher“ zu jagen. Der Twitter von „Straßengezwitscher“ ist dafür bekannt sich gegen rechts zu engagieren und beäugt das Verhalten der sächsischen Polizei nicht selten kritisch.
Der Aufruf der JN sollte wahrscheinlich so etwas wie Antikapitalismus darstellen. MigrantInnen und Geflüchtete wurden dort als die „Armee des Kapitals“ bezeichnet. Das die JN selbst diese Armee ist, weil sie Menschen entlang ethnischer, religiöser und nationaler Linien spaltet und somit den gemeinsamen Kampf dieser verhindert, kommt ihr nicht in den Sinn.
In Plauen folgten – nach unterschiedlichen Angaben – 500 bis 1.000 Menschen einem Aufruf der rechtsmilitanten Partei „Der III.WEG“. Die Szenen, die sich in Plauen ereigneten waren erschreckend: Eine Reporterin wurde, trotz Polizeipräsenz in der Nähe, mutmaßlich von einem bekannten Neonazi mit einem Stativ bewusstlos geprügelt. Das nicht noch ein weiterer Täter über das dann schon wehrlose Opfer herfiel war nur dem mutigen Eingreifen eines anderen Passanten zu verdanken. Wahrscheinlich handelte es sich bei dieser Attacke um einen geplanten und gezielten Angriff.
In Zwickau machte es der DGB den selbst ernannten Rebellen von rechts sehr leicht sich rebellisch zu geben. Der DGB hatte Sigmar Gabriel eingeladen eine Rede der dortigen Kundgebung zu halten. Welcher Hohn diese Einladung ist, wird einem bewusst, wenn man sich vor Augen führt, dass Gabriel Befürworter des Freihandelsabkommen TTIP ist, der DGB hingegen – wenn auch halbherzig – Proteste gegen TTIP unterstützt. Statt des SPD-Chefs kam sein Parteifreund, Bundesjustizminister Heiko Maas. Den pfiffen gut 200 Rechte derart aus, dass er fluchtartig die Bühne verlassen musste.
Zwei Dinge zeigt dieses Ereignis: Weder die breite Linke, noch die Gewerkschaften haben im Moment eine Antwort auf die rechte Mobilisierung. Das allein ist schon schlimm genug, es steht aber in Verbindung mit der zweiten Lehre aus diesem Vorfall. Mit „Verbündeten“ wie der SPD und deren Bundesministern kann man weder Sozialabbau noch Rassismus bekämpfen. Dem Einen kann man so nicht begegnen, weil die SPD ihn selbst mitorganisiert und in der Vergangenheit mitorganisiert hat. Dem Anderen steht man hilflos gegenüber, weil es Rechten leicht fällt sich als die einzig wahren Vertreter der Interessen der „kleinen Leute“ zu präsentieren, wenn auch die Gewerkschaften mit Parteien zusammenarbeiten, die Sozialabbau betreiben.
Rassismus ist kein Schild gegen die Auswirkungen das Kapitalismus, er ist Teil der kapitalistischen Konkurrenzlogik, doch das zu verstehen geht nur, wenn die breite Linke und eben auch die Gewerkschaften eine wirkliche Alternative gegen Kapitalismus, Rassismus, Sozialabbau und Krieg anbieten. Diese Alternative muss kämpferisch und solidarisch sein. Sie muss Hiergeboren, Zugewanderte und Geflüchtete gemeinsam zu Kampf gegen Sozialabbau herausholen und organisieren. Leider sind DGB und LINKE, die Gruppen, die diesen Kampf eigentlich organisieren müssten, davon noch sehr weit entfernt.
Das Maiwochenende zeigt jedoch noch etwas anderes sehr eindrucksvoll: Die breite Linke – Gewerkschaften, Antifa-Gruppen, die Partei DIE LINKE, kleine linke Gruppen – muss endlich handeln. Im Grunde bräuchten wir in Sachsen längst einen Kongress, der berät wie man mit den Angriffen von rechts umgeht, wie man Veranstaltungen schützt, wie man Nazi-Aufmärschen effektiv entgegentritt, wie man soziale, antikapitalistische Proteste mit dem Kampf gegen Rassismus verbindet. Die Linke muss endlich die Köpfe zusammenstecken, um gemeinsam zu handeln.Das Potential ist da. Es gibt Tausende, die Geflüchteten helfen, es gibt Tausende, die sich gegen rechts engagieren und Hunderttausende, die der rechte Terror mit Abscheu erfüllt. Es gibt Unzählige, die unter Sozialabbau leiden. Lasst uns endlich anfangen dieses Potential wirklich abzurufen, lasst uns endlich anfangen diese Menschen zu organisieren!
„Das war massive Polizeigewalt!“
Interview mit Martin K., Teilnehmer der antifaschistischen Proteste im sächsischen Plauen
Mehr als 1.000 Menschen stellten sich im sächsischen Plauen einem Aufmarsch der militanten rechten Partei „Der III.Weg“ entgegen. Sachsen zählt zu den Hochburgen dieser Partei. Für die Proteste wurde lange vor dem Termin mobilisiert. Wie war die Stimmung bei den GegendemonstrantInnen?
Wir waren besonnen. Uns war klar, dass dieser Tag nicht leicht werden wird, nicht zuletzt deshalb, weil die Polizei massiv gegen uns vorgehen wird. Wir haben daher bewusst versucht schlechte Bilder in der Presse zu vermeiden und haben versucht Auseinandersetzungen aus dem Weg zu gehen. Das war alles andere als einfach.
War der antifaschistische Protest in Plauen Deiner Meinung nach ein Erfolg?
Im Grunde schon: Wir waren mehr als die Nazis und wir stießen in der Stadt mit unserer Demonstration durchaus auf Resonanz, auch wenn wir in Zukunft verstärkt versuchen müssen die Bevölkerung vor Ort einzubeziehen und unser Anliegen zu erklären.
Hast Du etwas vom Auftreten der rechten Demo mitbekommen?
Wenn man gegen die Partei „der III.Weg“ auf die Straße geht, dann weiß man worauf man sich einlässt. Diese Partei ist enorm aggressiv und auf Auseinandersetzungen aus. Sie haben während ihrer Demo beispielsweise versucht unsere Demonstration zu attackieren, indem sie die Polizeisperren durchbrechen wollten. Das ist ihnen jedoch nicht gelungen, die Beamten haben sie mit einiger Mühe zurückgedrängt.
Das bestätigt auch die Polizei. Allerdings spricht sie in ihrer Darstellung von einem massiven Gewaltausbruch von rechts und links…
…das habe ich anders erlebt. Die Polizei ist in Plauen mit besonders heftiger Brutalität gegen die Antifaschist_innen vorgegangen ist, Leute wurden willkürlich umgestoßen – selbst ältere Menschen wurden mit großer Wucht herumgeschubst. Wer aus irgendeinem Grund die Route verlassen wollte, der wurde daran gehindert. Pfefferspray kam zum Einsatz und sogar der Schlagstock. Von einem Gewaltausbruch von unserer Seite hingegen kann keine Rede sein.