Größte Gewerkschaft in Nordirland beschließt, den EU-Austritt zu unterstützen
Andere Gewerkschaften und PolitikerInnen sollten sich dem Vorgehen der NIPSA und weiterer kämpferischer Gewerkschaften anschließen, die raus wollen aus dem „Club der Arbeitgeber“
von Kevin Henry, „Socialist Party“ (Schwesterorganisation der SAV und Sektion des CWI in Irland)
In dieser Woche hat die NIPSA, die größte Gewerkschaft in Nordirland, im Rahmen eines Kongresses beschlossen, ihren Mitgliedern nahezulegen, beim Referendum über den Verbleib Großbritanniens im „Club der Arbeitgeber“, der als EU bekannt ist, mit „Nein“ zu stimmen. Die „Socialist Party“ begrüßt diese Entscheidung. Die NIPSA wird nicht die einzige Gewerkschaft bleiben, die sich gegen die EU stellt. Kämpferische Gewerkschaften wie die RMT (Eisenbahn und Transport), die ASLEF (LokführerInnen) und die Gewerkschaft des Bäckerhandwerks haben sich genauso entschieden.
Bedauerlicherweise haben sich jedoch die meisten Vorsitzenden aus der Gewerkschaftsbewegung dazu entschlossen, die Kampagne von Premierminister David Cameron zu unterstützen, der für einen Verbleib in der EU wirbt. In Großbritannien sind die Vorsitzenden der Einzelgewerkschaften, die im Dachverband „Trades Union Congress“ (TUC) zusammengeschlossen sind, ziemlich stimmgewaltig darin gewesen die EU zu verteidigen. In einem Flugblatt mit der Überschrift „Better Together in Europe“ (dt.: „Besser gemeinsam in Europa“) wird die amtierende Generalsekretärin des TUC, Frances O’Grady, neben rechtslastigen Personen wie dem Multimilliardär Richard Branson und dem Chef der britischen Notenbank, Mark Carney, zitiert. Ihr Amtsvorgänger Brendan Barber ging sogar noch weiter und beteiligte sich als Ko-Autor an einem Artikel zusammen mit David Cameron. Wenn wir in der näheren Umgebung nachsehen, spricht sich auch der irische Gewerkschaftsbund „Irish Congress of Trade Unions“ für einen Verbleib in der EU aus.
Dort meint man zwar, dass es ein „soziales Europa“ gäbe. Doch die Realität besteht natürlich darin, dass wir es mit einem „Europa der Austerität“ zu tun haben. Sie behaupten, dass ein Verbleib in der EU Arbeitsplätze sichern wird. In Wahrheit ist jedoch das genaue Gegenteil der Fall. Die EU ist stolz auf die „Freizügigkeit des Kapitals“, was bedeutet, dass viele Arbeitsplätze nach Osteuropa verlagert werden, da die Arbeitgeber immer auf der Suche nach billigen Arbeitskräften sind. Die Wettbewerbsdirektiven der EU verbieten es den einzelnen Regierungen, durch die Verstaatlichung der Industrie Arbeitsplätze im Land zu sichern. Der neue linke Vorsitzende der britischen „Labour Party“, Jeremy Corbyn, hatte sich zuletzt für die Verstaatlichung der dortigen Stahlindustrie stark gemacht.
Einige Gewerkschaftsvorsitzende sind außerdem der Meinung, dass die EU wie ein Garant gegen die konservativen „Tories“ auftritt und sogar dafür verantwortlich ist, dass wir mehr Rechte bekommen haben. Dabei hat sich gerade die britische Regierung zu vielen vergleichsweise fortschrittlichen EU-Gesetzen, die das Arbeitsrecht betreffen, schon eine Vielzahl von Sonderregelungen ausgebeten. Ein Beispiel ist die EU-Richtlinie zur Arbeitszeitregelung. Aber auch andere Vorgaben der EU zu arbeitsrechtlichen Themen (wie etwa das Arbeitnehmerentsendegesetz, das es ermöglicht, ausländische ArbeiterInnen unterhalb des vor Ort geltenden gesetzlichen Mindestlohns zu bezahlen) sind speziell darauf ausgelegt, Löhne runterzuschrauben und gewerkschaftliche Rechte zu untergraben. 2009 ist diese Direktive angewendet worden, um zu versuchen, die Bedingungen für die BauarbeiterInnen bei der „Lindsay Oil Refinery“ zu verschlechtern. Das hatte zu einer ganzen Reihe von Streiks geführt.
Ähnlich verhält es sich mit dem Europäischen Gerichtshof, der den Gewerkschaften im Dezember 2007 einen schweren Schlag versetzt hat, als er im Fall „Viking und Laval“ entschied, dass das Recht von Unternehmen auf Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit über dem Recht der Gewerkschaften steht, betriebliche Streiks zur Durchsetzung von Arbeitnehmerinteressen zu führen. Die Chefs von „British Airways“ haben dann von dieser Entscheidung Gebrauch gemacht, um die bei der BALPA organisierten PilotInnen an Streikmaßnahmen zu hindern. Sie wollten sich lediglich gegen Pläne des Konzern wehren, eine Tochtergesellschaft zu gründen, um darüber die Lohn- und Arbeitsbedingungen zu verschlechtern.
Grundsätzlich gilt es festzustellen, dass unsere Rechte nicht von oben, sozusagen durch wohltätige Vertreter der EU zustande gekommen sondern von unten durch Kämpfe, die die Beschäftigten geführt haben, erstritten worden sind. Wenn Gewerkschaftsvorsitzende etwas anderes behaupten, dann führt das in die falsche Richtung. Geradezu als Glanzstück unter den Arbeitsgesetzen der EU dürfte das „Gesetz über das gleiche Arbeitsentgelt“ (engl.: „Equal Pay Directive“) gelten. Formell garantiert es gleichen Lohn auch für Frauen (ein Recht, das zuerst übrigens nach dem Zweiten Weltkrieg durch Massenstreiks in Frankreich erkämpft worden ist). Später forderte die französische Regierung, dass die Errungenschaft der gleichen Bezahlung für beide Geschlechter Teil der Römischen Verträge werden sollte, weil man fürchtete, ansonsten Wettbewerbsnachteile zu haben. Und dennoch kam es erst wesentlich später dazu, dass diese Regelung in ganz Europa Gesetzeskraft erlangte – erneut war dies auf heldenhafte Streiks zurückzuführen. Diesmal waren es die MunitionsarbeiterInnen in Belgium, Ford-Beschäftigte in Großbritannien und unzählige andere, die in den folgenden Jahrzehnten durch Arbeitskämpfe für die Umsetzung gesorgt hatten.
Die „Socialist Party“ ist der Auffassung, dass es für Gewerkschaftsvorsitzende oder führende Figuren der Arbeiterschaft ein Fehler wäre, wenn die diese EU, die im Sinne der Arbeitgeberseite agiert, unterstützen und die Panikmache des politischen Establishments widerkäuen. Stattdessen sollten sie lieber dem Beispiel von Gewerkschaften wie der NIPSA und der RMT folgen, die bereit sind, ihren Mitgliedern die Wahrheit über die EU zu erzählen.