Die Frage, wie die im Juni stattfindenden Neuwahlen in Spanien, wohl ausgehen, muss völlig neu gestellt werden. Der Grund dafür ist, dass sich PODEMOS und die „Vereinte Linke“ (IU) vor zwei Wochen auf eine gemeinsame Wahlliste namens „Unidos Podemos“ (dt.: „Gemeinsam schaffen wir es!“) verständigt haben. Die kapitalistische Elite in Spanien, von der dieser erneute Wahlgang als Chance gesehen wurde, die verlorengegangene Dominanz des Zwei-Parteien-Systems wiederherzustellen, ist in den Panik-Modus übergegewechselt.
von Danny Byrne
Die regierende rechts-konservative Volkspartei (PP) und die ehemals sozialdemokratische PSOE hatten gehofft, den Wahlkampf damit zu verbringen, sich über die geringen Unterschiede, die zwischen ihnen existieren, „auseinanderzusetzen“ zu können. Das Ziel hätte darin bestanden, PODEMOS und die IU auf diese Weise in den Hintergrund treten zu lassen. Doch plötzlich warnen die Vorsitzenden beider Regierungsparteien gemeinsam und in schrillen Tönen vor der „Gefahr des Kommunismus“! Die Meinungsumfragen der letzten Wochen zeigen, was der Grund für diese Panik und Besorgnis ist: Das gerade erst geschmiedete, noch junge Bündnis „Unidos Podemos“ liegt mittlerweile vor der PSOE und scheint in der Lage zu sein, diese Wahlen zu gewinnen.
„Socialismo Revolucionario“, die Schwesterorganisation der SAV und Sektion des CWI im spanischen Staat, hat kontinuierlich dazu aufgerufen, eine Aktions-Einheitsfront und ein Wahlbündnis der Linken, der Arbeiter- und der sozialen Bewegungen zu bilden und dafür gekämpft, dass es zu einer solchen kommt. Damit kann die Vorstellung von einer linken Regierung Gestalt annehmen, die ein sozialistische Programm hat, mit der man die Austerität beenden kann, so unser wichtigstes Argument. Dass es eine Grundlage für ein solches linkes Bündnis gibt und wie wichtig es wäre, ein solches zu schmieden, hatte sich bei den letzten Kommunalwahlen gezeigt. So haben gemeinsame linke Listen in Barcelona, Madrid und anderen bedeutenden Städten die Mehrheit gewonnen.
Die Linke macht einen Schritt voran
Schon bei den Parlamentswahlen vom Dezember hatten die von PODEMOS unterstützten Listen und die der IU zusammengenommen den Stimmanteil der PSOE übertroffen. Dieses Ergebnis ließ – vor allem, weil die PP weit davon entfernt geblieben war, die Mehrheit der Stimmen zu erreichen – bereits die Möglichkeit einer von linken Kräften geführten neuen Regierung zu. Allerdings ist es zum damaligen Zeitpunkt bekanntermaßen nicht zu einer solchen Konstellation gekommen.
Pablo Iglesias und die anderen Vorstandsmitglieder von PODEMOS hatten die Haltung vertreten, sich gegen ein Bündnis mit der IU auf Bundesebene auszusprechen. Sie bestanden darauf, dass die IU sich praktisch in die eigenen Wahllisten auflöst. Das war ihre Bedingung für ein mögliches Bündnis. Aber auch Teile des IU-Vorstands hatten zu jenem Zeitpunkt einen sektiererischen Standpunkt gegen ein einheitliches Vorgehen der politischen Linken eingenommen. Sie hatten Angst, dass ihre Partei am Ende hätte „degradiert“ und in die Defensiv-Position zurückfallen können. Außerdem fürchteten sie, dass ihre Einflussmöglichkeiten, ihr Vertretungsanspruch und ihre politischen Karrieren hätten Schaden nehmen können.
Nachdem die Wahlen vom Dezember aber zu einer Situation des politischen Stillstands geführt haben, sorgten mehrere Faktoren dafür, dass es zu einer Neuausrichtung, hin zu mehr Kooperation zwischen beiden Kräften kommen konnte. PODEMOS war zunächst in eine kurze krisenhafte Phase eingetreten, weil der Vorstand unter Druck geraten war, man solle doch eine Koalitionsvereinbarung mit der PSOE und der rechtspopulistischen Formation „Ciudadanos“ treffen. Das führte zu Spaltungslinien innerhalb der Parteiführung. Neben dem Problem, dass der politische Ansatz und das Programm von PODEMOS bereits Gefahr lief allzu „moderat“ zu werden, kamen diese internen Konflikte noch hinzu. Die Folge davon war, dass die Partei an Zustimmung unter der Bevölkerung verlor und auf den Stand vor ihrem Hoch in den Meinungsumfragen kurz vor Dezember letzten Jahres zurückfiel.
Gleichzeitig konnte die IU (die fast eine Million Stimmen erhalten hatte, obwohl sie bei den Dezemberwahlen gar nicht in allen Regionen angetreten war) unter ihrem neuen und wesentlich kämpferischeren Vorsitzenden, Alberto Garzon, in den Umfragen eine beeindruckende Aufholjagd hinlegen. Das Kräfteverhältnis zwischen diesen beiden Formationen – das zuvor so eindeutig zugunsten von PODEMOS und Iglesias ausgefallen war – hatte sich verändert, und Iglesias hatte nun von einer Kooperation mit der IU plötzlich mehr zu erwarten und vor einem Konkurrenzkampf mit Garzon und der IU plötzlich mehr zu befürchten.
Vor diesem Hintergrund vollzog Iglesias einen radikalen Positionswandel. Die Bedingungen, die im vergangenen Jahr noch für eine mögliche Kooperation bestanden hatten, waren nun ganz anders gelagert. So wurde eine Vereinbarung getroffen, um gemeinsame Wahllisten in allen Regionen des Landes aufzustellen. Sowohl PODEMOS als auch die IU sollen dabei als Organisationen vertreten sein.
Unberechenbarer Wahlkampf
Aktuell kommt „Unidos Podemos“ in den Umfragen auf Platz zwei und liegt rund fünf Prozentpunkte hinter der PP, sowie drei Prozentpunkte vor der PSOE. Allerdings könnte sich der Wahlkampf noch als extrem sprunghaft herausstellen. Vor allem die PSOE hat Gründe, um sich Sorgen zu machen. Trotz der dramatischen Verluste in den letzten Jahren, hatte sie sich im allgemeinen immer noch den Mantel der „wichtigsten Oppositionspartei” umgehängt, weshalb es im vergangenen Dezember auch so wichtig für sie war, noch auf Platz zwei zu kommen. Nun jedoch, da die Linke schon in den Umfragen vor ihr liegt, wird auch das schärfste Argument des PSOE-Parteivorstands, man sei doch das „beste Mittel“, um die PP aufzuhalten, immer wackeliger.
Doch auch bei der PP handelt es sich um eine Partei, die sich auf dünnem Eis bewegt. Sie hält eigentlich nur aufgrund der Macht zusammen, die sie als Regierungspartei hat und wurde von einem Korruptionsskandal nach dem anderen getroffen. Erst vor wenigen Wochen sah sich Jose Manuel Soria, der Industrieminister, zum Rücktritt gezwungen, weil er in den Skandal um die „Panama Papers“ verwickelt ist. Man konnte ihm Falschaussagen in dieser Sache nachweisen. „Ciudadanos“, das rechtsgerichtete populistische Gegenstück zu PODEMOS, das eine rechte, weil arbeitgeberfreundliche, Politik mit dem Image verbindet, sauber und frisch gegen die Korruption vorgehen zu wollen, steht in den Startlöchern und nagt bereits an der Wählerbasis der PP. Aktuell büßt diese Kraft jedoch gerade ein.
Für die Einheit im Kampf, demokratisch und von unten legitimiert
Wir begrüßen die Bildung von „Unidos Podemos“ als neues Instrument, mit dem eine linke Regierung an die Macht kommen und eine neue Phase des Klassenkampfes in Spanien eingeläutet werden kann. Allerdings muss diese Formation über ein bloßes Arrangement zwischen geschlossenen Führungszirkeln hinausgehen und zu einer echten Einheitsfront im sozialen wie auch politischen Kampf gegen Austerität und Kapitalismus werden. Es sollten auch vereinte Versammlungen mit AktivistInnen und UnterstützerInnen aller Parteien der Linken, der Gewerkschaften und sozialen Bewegungen einberufen werden, um über die Strategie, das Programm und die Wahllisten dieses Bündnisses zu diskutieren und zu entscheiden.
Der IU kommt in diesem Bündnis eine bedeutende Rolle zu. Garzon hat das Kräfteverhältnis innerhalb der IU, hinsichtlich des Programms und ihrer Rhetorik nach links verschoben. PODEMOS wird von links kritisiert, und grundlegende sozialistische Forderungen, wie die nach Verstaatlichung der Schlüsselunternehmen, werden verteidigt. Nach dem Verrat durch SYRIZA und Tsipras in Griechenland ist Garzon dazu übergegangen, die Idee zu verteidigen, nach der zumindest „die Vorbereitung auf die Möglichkeit“, den kapitalistischen Euro und die EU zu verlassen, in Betracht gezogen werden muss. Es wäre für Garzon und andere ein schrecklicher Fehler, wenn sie diese Auseinandersetzung für die Dauer des Wahlkampfes aussetzen und ihre Kritik am Rechtsschwenk der PODEMOS-Führung verstummen lassen würden.
Arbeiterregierung
Die endlose Kette an Krisen, von der der spanische Kapitalismus befallen ist, deutet immer stärker darauf hin, dass ein Systemwechsel vonnöten ist. Die Erfahrung des Kampfes in den letzten Jahren gegen die Austerität, für demokratische nationale Rechte in Katalonien, gegen Zwangsräumungen usw. hat immer deutlicher gezeigt, wie das kapitalistische Regime, das seit Beginn der sogenannten Transition (Übergang von der Diktatur zur bürgerlichen Demokratie in den Jahren 1975 bis 1982; Erg. d. Übers.) am Ruder ist, sich selbst als Barriere gegen die Einführung grundlegender Rechte und der Verbesserung der Lebensbedingungen aufbaut. Die Erfahrung des Verrats von SYRIZA in Griechenland ist für alle ein ganz typisches Beispiel.
Die aktuelle Kernaufgabe besteht im Kampf für ein antikapitalistisches und sozialistisches Programm für „Unidos Podemos“, das den Kampf gegen die Austerität mit der Notwendigkeit der Transformation der Besitzverhältnisse verbindet und die Schlüsselindustrien der Wirtschaft sowie die Quellen des Reichtums in sozialistisch und demokratisch verwaltetes öffentliches Eigentum überführt. Es geht um eine Arbeiterregierung, die über die Wirtschaft und die Gesellschaft entscheidet. Dazu gehört auch, dass wir uns für einen starken unabhängigen Standpunkt der Linken einsetzen – gegen eine neue Koalition der Austerität oder Verabredungen mit einer solchen nach den anstehenden Wahlen. Es geht darum, die Arbeiterklasse dazu zu bringen, sich auf die eigenen Kräfte und die eigene Mobilisierungsfähigkeit zu verlassen, um darüber die eigenen Forderungen durchzusetzen. Der Schlachtruf der revolutionären Linken muss demnach lauten:
Nein zu einem spanischen Tsipras! Für eine echte Einheitsfront der Linken mit einem sozialistischen Programme zur Beendigung des Kapitalismus! Für eine Arbeiterregierung!