Und täglich grüßt das Murmeltier: Kurz nachdem Bernd Riexinger und Katja Kipping der Idee eines linken Lagers bestehend aus LINKE, SPD und Grünen vor dem Bundesparteitag eine Absage erteilt hatten, nimmt die Debatte über Rot-Rot-Grün neu an Fahrt auf. Ausgangspunkt dafür sind Äußerungen Sigmar Gabriels über ein progressives Bündnis. Auch wenn sich Gabriel davon recht schnell wieder distanzierte, war die Euphorie unter einigen PolitikerInnen der LINKEN groß.
Von Lucy Redler, Berlin
Angesichts der aktuellen Positionen der SPD für TTIP, Hartz-Reform, Erbschaftssteuer und Auslandseinsätze der SPD erscheint diese Begeisterung demenzbehaftet. Und auch vor dem Hintergrund dass, wie Raul Zelik richtig schreibt „das Lager derjenigen wächst, die sich vom bürgerlichen Staat und seinen Parteien gar nicht mehr vertreten fühlen“, geht der Vorschlag in eine völlig falsche Richtung. Lange galt einigen in der Partei die rot-rot-grüne Landesregierung in Thüringen als Beispiel dafür, dass eine Regierungsbeteiligung der LINKEN nicht wie unter Rot-Rot in Berlin 2001 bis 2011 zu massivem Sozialabbau führen muss. Doch auch die Thüringer Regierungsbeteiligung hat sich entzaubert. Thüringen schiebt Menschen mitten in der Nacht ab. Im Zuge der geplanten Gebietsreform durch die rot-rot-grüne Landesregierungen kündigte Ministerpräsident Bodo Ramelow nun an, 8000 Stellen abzubauen.
Friedenspolitische Positionen
Derselbe Bodo Ramelow ist wie Gregor Gysi nun begeistert von einer Koalition der LINKEN mit SPD und Grüne im Bund. Diese solle, so Ramelow, nicht an der NATO-Frage unmöglich gemacht werden. Diese Bemerkung ist eine direkte Entgegnung auf SPD-Fraktionschef Oppermann, der gefordert hatte, DIE LINKE müsse „ohne Vorbehalte akzeptieren, dass jede Bundesregierung der internationalen Verantwortung Deutschlands etwa im Rahmen der NATO jederzeit gerecht werden muss.“ Im Interview mit dem SPIEGEL geht Ramelow noch einen Schritt weiter und wirft die Frage auf, ob DIE LINKE zu UNO-mandatierten Einsätzen tatsächlich immer Nein sagen solle. Die Antikapitalistische Linke (AKL) erklärte in einer Stellungnahme des BundessprecherInnenrats: „DIE LINKE ist (…) gegen das kriegstreiberische Bündnis NATO. Dieses Bündnis gehört aufgelöst. Deutschland sollte einseitige Schritte in diese Richtung unternehmen und diese Strukturen verlassen. Deshalb ist die NATO-Frage keine ‘taktische Verhandlungsmasse’ für eine ‘größere Rolle’ der LINKEN in der Bundespolitik. Die AKL hält die Sommerloch-Interview-Äußerungen von Bodo Ramelow deshalb für falsch und für DIE LINKE letztlich zerstörende Positionen.“
Auch Tobias Pflüger kommentierte auf facebook treffend: „Die NATO rüstet derzeit heftig auf und geht immer mehr über in Muster des kalten Krieges. Deshalb ist die Kritik an der NATO und an der konkreten Politik der NATO in Osteuropa, in Afghanistan etc. für DIE LINKE von essentieller Bedeutung. (…) Wir sollten unserer Markenkerne bewusst sein: soziale Gerechtigkeit und Frieden.“
Gemeinsamkeiten in der Sozialpolitik?
Schlussendlich schlägt Bodo Ramelow im SPIEGEL-Interview vor, mit der SPD vor allem Gemeinsamkeiten in der Sozialpolitik zu suchen und Trennendes in der Außenpolitik zur Seite zu legen: „Deshalb sollten wir uns auf unseren Markenkern fokussieren: soziale Gerechtigkeit.“ Wie das angesichts der Verantwortung der SPD zum Beispiel für Leiharbeit und Hartz IV aussehen kann, sehen wir heute im Falle des Stellenabbaus in Thüringen, was auch unter Rot-Rot in Brandenburg und Berlin erfolgte.
Sahra Wagenknecht äußerte sich im ZDF-Sommerinterview kritisch zur Ausweitung der NATO. Auf die mehrmalige Nachfrage des Reporters, ob die Abschaffung der NATO ein K.O.-Kriterium für eine Koalition mit SPD und Grünen sei, schloss sie eine Beteiligung an Interventionskriegen bei einer Regierungsbeteiligung der LINKEN aus, meinte aber zur NATO: “Natürlich wird Deutschland nicht an dem Tag, an dem wir in eine Regierung einsteigen, aus der NATO aussteigen.” Deutschland müsse eine andere Politik in der NATO gegenüber Russland durchsetzen. Wenn auch mit wahrscheinlich anderen Positionen als Ramelow, argumentierte sie ebenfalls, dass die Frage der Sozialpolitik die entscheidende Frage sei, über die man mit der SPD reden müsse.
Die wiederholte Fokussierung auf Rot-Rot-Grün und mögliche Gemeinsamkeiten in der Sozialpolitik ist eine vertane Chance, an die unsoziale und kriegstreiberische Politik der SPD zu erinnern. Warum argumentiert DIE LINKE nicht: „Die SPD steht für Krieg und eine Ausweitung der NATO- Einflussphäre. In der Sozialpolitik steht nach der Agenda 2010 mit TTIP der nächste qualitative Einschnitt in Arbeitnehmerrechte bevor – mit Unterstützung der Sozialdemokraten. Auch wenn einige in der SPD nun über höhere Steuern für Reiche sprechen: ihre Partei hat mit der Erbschaftssteuer gerade reiche Erben begünstigt. Aus welchem Grund sollten wir daher mit der SPD regieren?“
Lucy Redler ist Mitglied im Parteivorstand der LINKEN und des AKL-BundessprecherInnnenrates. Sie gehört auch der SAV-Bundesleitung an.