Interview mit Lucy Redler, Mitglied im Parteivorstand DIE LINKE
Lucy, du wurdest Ende Mai in den Parteivorstand gewählt? Wie bewertest du den letzten Bundesparteitag?
Der Parteitag war nicht saft- und kraftlos, wie Gregor Gysi im Vorfeld geunkt hatte, aber auch kein mächtiger Aufbruch. Sowohl bei den Parteivorstandswahlen als auch bei der politischen Positionsfindung wurden Signale nach links ausgesendet. Mehr Parteilinke und weniger sogenannte ReformerInnen gehören dem neuen Vorstand an. Eine Aufweichung der friedenspolitischen Positionen konnte erfolgreich verhindert werden. An anderen Stellen wurde deutlich, dass grundlegende Differenzen fortbestehen oder manche Positionierungen dem Realitätscheck nicht standhalten.
So war es sehr positiv, dass sich viele aus der Parteiführung und von der Basis dafür ausgesprochen haben, dass DIE LINKE die soziale Frage in den Mittelpunkt stellen muss ohne Abstriche bei ihren Positionen zu Bleiberecht und gegen Abschiebungen vorzunehmen. Ich habe das in einem Redebeitrag auf die real existierenden Abschiebungen in Bundesländern, in denen DIE LINKE mitregiert, bezogen und die AKL hat beantragt, Abschiebungen auch in diesen Ländern zu stoppen. Dieser Antrag kam leider nicht zur Abstimmung aufgrund des Poolverfahrens.
Ein anderes Beispiel ist, dass Bernd Riexinger und Katja Kipping im Vorfeld des Parteitags der Idee eines linken Lagers mit SPD und Grünen eine Absage erteilt hatten und damit die Debatte nach links geöffnet haben. Leider wurde das nur von sehr Wenigen zu den gerade stattfindenden Wahlkämpfen in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern ins Verhältnis gesetzt. Hier führt die Partei Pro-Regierungswahlkämpfe. Grundlegende Differenzen wurden bei diesem Parteitag daher nicht geklärt.
Kurz nach dem Bundesparteitag sprach Sigmar Gabriel über die Strategie eines Mitte-Links-Bündnisses und einige aus der Parteiführung der LINKEN reagierten positiv darauf. Was hältst du davon?
Sigmar Gabriel ist für TTIP, die Begünstigung reicher Erben und stimmt Kriegseinsätzen zu. Wenn er nun vor Wahlkämpfen links blinkt, werte ich das als Versuch, sich von der CDU verbal abzugrenzen, um Wählerstimmen zu sammeln. Ein Kurswechsel geht aber offenbar nicht damit einher. So wurde doch gerade erst die Hartz IV-Reform aus dem Hause Nahles verabschiedet, die Verschlechterungen für Hartz IV-BezieherInnen vorsieht. Ein linkes Lager aus SPD, Grünen und LINKEN existiert in der Realität nicht. Das linke Lager besteht aus der LINKEN, linken Gruppen außerhalb der Partei und zahlreichen außerparlamentarischen Initiativen. Meine Sorge ist, dass DIE LINKE durch wiederholte Angebote an SPD und Grüne (ob mit oder ohne Bedingungen) den Eindruck erweckt, dass SPD und Grüne linke Politik betreiben oder dafür (zurück) gewonnen werden könnten. Beides ist falsch. Es spricht nichts dagegen, SPD und Grüne vor sich herzutreiben, in dem DIE LINKE Anträge zur Erhöhung des Mindestlohns und zur Rücknahme der Rentenkürzungen einbringt und SPD und Grüne auffordert, dem zuzustimmen und sie dadurch zu entlarven. Das ist aber etwas grundlegend anderes als den Eindruck zu erwecken, man könnte mit diesen Parteien gemeinsam linke Politik umsetzen.
Wofür willst du dich im Parteivorstand einsetzen?
Ich stehe mit anderen Linken im Parteivorstand für eine Ablehnung eines Lagerwahlkampfs und für einen eigenständigen, bewegungsorientierten und antikapitalistischen Wahlkampf. Die Frage der Wahlstrategie zu den Bundestagswahlen wird die nächsten Monate im Vordergrund stehen. Hier werde ich mich für einen Anti-Establishment-Kurs und sozialistische Positionen einsetzen. Der Slogan „Veränderung beginnt mit Opposition“ war zu PDS-Zeiten richtig und ist es auch heute. Außerdem liegt mir eine qualitativ stärkere Bewegungsorientierung am Herzen. An welchen Stellen kann DIE LINKE an der Seite von gewerkschaftlichen Kämpfen und außerparlamentarischen Initiativen Erfolge erreichen und den Unterschied machen? Ich halte die in vielen Belegschaften diskutierten Streiks für mehr Personal im Krankenhaus für eine zentrale Auseinandersetzung, aber auch den Kampf gegen TTIP und Bewegungen gegen Mietsteigerungen. Solche und andere Themen müssen wir stärker bearbeiten und mit dem Kampf gegen Rechts verbinden, bei dem DIE LINKE an vorderster Front bei Mobilisierungen gegen rechte Aufmärsche und rechte Gewalt stehen muss.
Ich möchte mich außerdem für mehr Transparenz und ein anderes Verhältnis von Fraktion und Partei einsetzen. Aus meiner Sicht wird die Arbeit der Partei zu sehr durch die Fraktion und die Talkshow-Auftritte einzelner geprägt.
Lucy Redler ist Mitglied des Parteivorstands DIE LINKE, aktiv in der SAV und Mitglied des BundessprecherInnenrats der AKL