Politisch motivierter Prozess nach dem Motto „David gegen Goliath“
Bericht von „Socialist Action“ (Schwesterorganisation der SAV und Sektion des CWI in Hong Kong)
Am 1. September wird das CWI-Mitglied Sally Tang Mei-Ching vor Gericht erscheinen müssen, weil MTR, der siebtgrößte Konzern in Hong Kong, sie verklagt hat. Ihr werden zwei Vergehen zur Last gelegt, auf die die Höchststrafe von sechs Monaten Haft und eine Geldbuße von maximal 7.000 Hong Kong-Dollar (≙ 800 Euro) steht. Ganz offenkundig handelt es sich hierbei um ein politische motiviertes Verfahren gegen eine Sprecherin einer wohl bekannten politischen Organisation, die sich gegen die Großkonzerne und das Establishment engagiert. So hat MTR in der Vergangenheit über eine ganze Reihe ähnlicher Delikte einfach hinweggesehen. Doch in diesem Fall geht man ohne Wenn und Aber vor und ist entschlossen, die Sache vor Gericht zu bringen.
Bei MTR handelt es sich um Hong Kongs Eisenbahn- und U-Bahn-Betrieb, der zudem einer der größten Baukonzerne vor Ort ist. Die Vorwürfe gegen Sally lauten, dass sie erstens „zu großes Gepäck“ mit in die U-Bahn genommen habe und sich zweitens nicht ausweisen sowie dem MTR-Personal die gewünschten persönlichen Informationen geben konnte. Aufgrund des relativ hohen Bekanntheitsgrads von Sally hat der Fall beträchtliche Aufmerksamkeit von Seiten der Öffentlichkeit auf sich gezogen. Sally ist als regierungskritische Aktivistin bekannt, und MTR steht aufgrund einer ganzen Reihe von drastischen Preiserhöhungen in der Kritik. Hinzu kommt die Verstrickung des Konzerns in Projekte, bei denen Milliarden von Dollar in den Sand gesetzt worden sind.
Nicht schuldig
Unterdessen hat Sally Widerspruch eingelegt und plädiert auf „nicht schuldig“. Sie ist entschlossen, den Fall auszufechten und auf diese Weise auch die willkürliche Vorgehensweise von MTR zur Sprache zu bringen. Das Verbot, „zu großes Gepäck“ mit in die U-Bahn zunehmen, ist in Hong Kong ein äußerst kontrovers behandeltes Thema. Vor allem als das Unternehmen hart durchgegriffen hat, um diese Richtlinie umzusetzen, kam es zu Protesten von MusikerInnen und anderen Gruppen. Von dieser Bestimmung sind vor allem Familien aus der Arbeiterklasse betroffen, die kein Auto besitzen und darauf angewiesen sind, größere aber ungefährliche Gegenstände mit der U-Bahn zu befördern.
Im September letzten Jahres ist Sally an der Haltestelle Kowloon Tong vom MTR-Personal kontrolliert worden, weil sie eine Fahnenstange aus leichtem Kunststoff und kürzer als 160 cm dabei hatte. In Hong Kong hat MTR ein Verbot für Gegenstände ausgesprochen, die länger als 130 cm sind. In anderen Netzen, die von dem Konzern betrieben werden, gelten hingegen andere Obergrenzen (so z.B. in Stockholm, wo man in die ebenfalls von MTR betriebene U-Bahn Gegenstände von bis zu 200 cm Länge mitnehmen darf). Was den Sicherheitsaspekt angeht, ist diese Regelung vollkommen sinnfrei. Darüber hinaus hat MTR in Hong Kong vor kurzem und unter dem Druck der öffentlichen Kritik seine Beförderungsbestimmungen geändert. Nun dürfen auch einige Gegenstände mitgenommen werden, die bis zu 145 cm lang sind.
Als die MTR-Kontrolleure Sallys Ausweis sehen wollten, bestand sie darauf, diesen nur der Polizei vorzeigen zu müssen. Folglich verlangte sie, dass die Polizei hinzugerufen werden sollte. Vor allem unter jungen Leuten in Hong Kong ist es zu Reaktionen gegen die Macht der Großkonzerne gekommen. Viele sind besorgt, dass ihre persönlichen Daten nicht ausreichend geschützt sind. Dies geschieht vor dem Hintergrund einer immer repressiveren Politik seitens der Regierung und Angriffen auf unsere demokratischen Rechte. Weil MTR außerdem wegen seines elektronischen Kartensystems, das den Namen „Octopus“ trägt, ein gesteigertes finanzielles Interesse verfolgt, ist das Unternehmen in die Kritik geraten, als es zu Fällen kam, in denen die persönlichen Daten von Fahrgästen an andere Konzerne weiterverkauft worden sind.
Privatisierungen
Bei MTR handelt es sich um einen großen multinationalen Konzern, der im Jahr 2000 privatisiert worden ist. In Hong Kong ist er auch als großer Bauträger aktiv und fungiert als Vermieter von Wohnungen. Darüber hinaus investiert das Unternehmen in verschiedenen Teilen der Welt auch ins dortige Eisenbahnnetz. Für London, Stockholm, Melbourne und Sydney hat der Konzern Verträge zur Unterhaltung der Schnellzüge erhalten. Lincoln Leong Kwok-Kuen, der Vorstandsvorsitzende von MRT, bezieht ein jährliches Gehalt von 14 Millionen Hong Kong-Dollar (≙ 1,6 Mio. Euro)! Obwohl riesige Profite eingefahren werden (mehr als zehn Mrd. Hong Kong-Dollar bzw. 1,1 Mrd. Euro jährlich), werden Jahr für Jahr die Ticketpreise angehoben. Hinzu kommt, dass es verstärkt zu Unfällen kommt und sich die Infrastruktur weiter verschlechtert. Daher ist MRT unter der Bevölkerung sehr schlecht gelitten.
Vor Gericht wird Sally Tang Mei-Ching sich selbst verteidigen, während MTR ein ganzes Team aus Rechtsanwälten und Juristen gegen sie angeheuert hat. Das wirft erneut die Frage auf, wie das Geld der Öffentlichkeit eingesetzt wird.
„Dieser Fall ist ein bisschen wie der Kampf von David gegen Goliath!“, sagt Sally. „Aber ich bekomme viel Unterstützung von jungen arbeitenden Leuten und von Menschen an der Basis, die wirklich wütend darüber sind, wie MTR heute geleitet wird. Dieser Fall geht darum, sich die unkontrollierte Macht Großkonzerne vorzunhemen“.
„Socialist Action“ fordert:
- Die Anklage gegen Sally Tang Mei-Ching muss fallengelassen werden!
- Die Persönlichkeitsrechte müssen verteidigt werden!
- Für eine öffentliche und umfassende sowie transparente Untersuchung der Regularien von MTR, was die Bestimmungen zum „übergroßen Gepäck“ angeht. An dieser Untersuchung müssen auch VertreterInnen der Öffentlichkeit, der Gewerkschaften und Fahrgäste teilnehmen, um zu gerechteren Regeln zu kommen.
- Der öffentliche Nahverkehr muss demokratisch und von der Öffentlichkeit kontrolliert werden. Das Verkehrssystem muss in öffentliches Eigentum überführt werden – Profitmacher raus!