Verantwortung für Trumps Wahlerfolg trägt die Demokratische Partei

By Gage Skidmore from Peoria, AZ, United States of America (Donald Trump) [CC BY-SA 2.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0)], via Wikimedia Commons
By Gage Skidmore from Peoria, AZ, United States of America (Donald Trump) [CC BY-SA 2.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0)], via Wikimedia Commons
Der Aufbau einer neuen linken Partei ist überfällig

Viele sind heute mit einem Schock aufgewacht: Ein Rassist und Sexist hat die Präsidentschaftswahlen in den USA gewonnen und tritt eins der mächtigsten Ämter der Welt an. Wie konnte das passieren und was können wir daraus lernen?

Ein Kommentar von Lucy Redler

Vor einem guten halben Jahr begeisterte Bernie Sanders Millionen mit seinem Slogan „Für eine politische Revolution gegen die Milliardärsklasse“. Hunderttausende pilgerten zu seinen Veranstaltungen. Mehr als zwei Millionen Menschen spendeten 230 Millionen US-Dollar für seine Kampagne, bevor er überhaupt Kandidat wurde. Sanders gab der Wut auf das Establishment und auf die Wall Street eine linke Stimme. Viele Jugendliche waren begeistert, dass er von Sozialismus spricht. Alle Umfragen vor der Konferenz der sogenannten „Demokratischen Partei“, die Hillary Clinton nominierte und Bernie Sanders ausbremste, haben gezeigt, dass Sanders Trump hätte schlagen können. Sanders ist heute der beliebteste Politiker in den USA. Doch Clinton – die Personifierung der Wallstreet, des Irakkriegs und des neoliberalen Freihandels – wurde vom Apparat der „Demokraten“ durchgeboxt. Und dass, obwohl etliche Umfragen nahelegten, dass sie deutlich schlechter gegen Trump abschneiden würde. Das Establishment der Demokraten riskierte lieber einen Wahlsieg Trumps, als Bernie Sanders zum Kandidaten zu ernennen und die Kontrolle über ihre Partei zu verlieren.

So kam es zum Battle zwischen dem unbeliebtesten Kandidaten versus unbeliebteste Kandidatin. 55 Prozent der WählerInnen sagten vor dem Wahltermin, sie seien angeekelt von der Präsidentschaftswahl. Der 8. November 2016 wird in die Geschichte eingehen als Niederlage für das neoliberale Establishment und wird möglicherweise den Anfang vom Ende des dysfunktionalen Zwei-Parteien-Systems der USA markieren.

Trumps Wahlerfolg ist auch die Konsequenz der Logik des kleineren Übels (lesser evil). Die Idee, mit der Krankheit (Clinton) das Symptom (Trump) zu bekämpfen, ist nach hinten losgegangen. Sich mit der Krankheit gegen das Symptom zu verbünden, war der Fehler der Linken, der Gewerkschaften und auch von Bernie Sanders, nachdem er die Abstimmung gegen Clinton verloren hatte. Clinton ist für Millionen offenbar so evil, dass Trump nicht zum Schreckgespenst taugte.

Die Sozialistin Kshama Sawant (Mitglied im Stadtrat von Seattle und von Socialist Alternative) hatte kurz vor dem Wahltag geschrieben: „Wandel wird durch Massenbewegungen erreicht, er kommt nicht einfach von oben, wie Bernie Sanders so treffend gesagt hat. Sein Wahlkampf hat eindrücklich bewiesen, dass „einfache Leute“ eine einflussreiche Wahlkampf-Bewegung aufbauen können, die ihre Interessen vertritt, ohne auch nur einen Penny von den US-amerikanischen Konzernen anzunehmen. Die Umfragen haben durchgehend belegt, dass Sanders – wäre er nominiert worden – Trump bei den Präsidentschaftswahlen geschlagen hätte. Sein Wahlkampf war eingekeilt in einer Partei, deren Vorstand bereit war, so gut wie alles zu tun, um ihn aufzuhalten. Wir brauchen eine neue politische Partei, die vollends lösgelöst vom Geld der Konzerne arbeitet und somit auch nicht von ihnen beeinflusst wird. Fest steht, dass „Socialist Alternative“ und ich Sanders dazu gedrängt haben, nach den Vorwahlen als unabhängiger Kandidat weiter anzutreten. Das hätte Millionen von Menschen motiviert und geholfen, die Grundlage für eine solche Partei zu schaffen.“

Einer Umfrage des Gallup-Instituts vom Oktober zufolge wünschen sich 57 Prozent aller WählerInnen eine dritte Partei. Demselben Institut sagten 42 Prozent im September, dass sie sich als Unabhängige verstehen (und sich nur 29 Prozent als AnhängerInnen der Demokraten und 26 Prozent der Republikaner sehen.)

Trump wurde aus verschiedenen Gründen gewählt – wesentlich war die Ablehnung des Status Quo und die berechtigte Wut auf das Establishment durch Millionen US-AmerikanerInnen. Mangels Alternative wurde Trump zum Gegenkandidaten des Establishments, obwohl er demselben in Wirklichkeit angehört. Claus Ludwig kommentierte dazu treffend: „Es ist keineswegs „unbewusst links“, wenn Teile der Arbeiterklasse vor Wut einem rassistischen Demagogen folgen. Das verkompliziert den Kampf enorm. Aber die Linke muss verdammt noch mal aufhören, diese Leute als dumm abzuqualifizieren. Sie muss aufhören, ihnen ihre Wut ausreden zu wollen. Sie muss aufhören, sich und diesen Leuten die herrschenden Verhältnisse schön zu reden. Sie muss aufhören, all die vernünftigen, progressiven, aufgeklärten, scheißliberalen Architekten des schmutzigen ökonomischen und sozialen Krieges der herrschenden Klasse, die Clintons, Merkel, die Grünen, die Sozialdemokraten für weniger eklig oder gefährlich zu halten als Typen wie Trump.“

Auch in Deutschland diskutiert DIE LINKE, wie wir die AfD bekämpfen können. Die wichtigste Lehre aus den US-Wahlen ist: Alle Träume von Lagerwahlkämpfen mit SPD und Grünen werden uns nicht in die Lage versetzen, jene Menschen zu erreichen, die das politische Establishment zu Recht ablehnen. SPD und Grüne tragen mit ihrer Politik der Kriegseinsätze, des staatlichen Rassismus und der Agenda 2010 eine Mitverantwortung dafür, dass die AfD stark werden konnte. Es ist absurd, nun mit diesen neoliberalen Parteien politische Bündnisse oder gar Koalitionen gegen die AfD zu schmieden. Ein guter Start in das Jahr 2017 könnte darin bestehen, dass DIE LINKE sich weigert, Kandidaten wie Steinmeier zum Bundespräsidenten zu wählen, sondern für die Abschaffung des Amts eintritt – oder zumindest eine Anti-Establishment- Kandidatin aufstellt.

Viele fragen sich, wie Trump jetzt agieren wird. Niemand hat eine Glaskugel, aber es spricht viel dafür, dass die Vertreter des Big Business alles in ihrer Macht stehende tun werden, um Trump einzuhegen. Unzählige Stäbe werden daran arbeiten, dass seine Politik in entscheidenden Bereichen nicht den Interessen von Big Business widerspricht. Es spricht viel dafür, dass Trump viele der Hoffnungen, die er geweckt hat, enttäuschen wird. Er wird weder Jobs schaffen, noch Kleinunternehmer entlasten oder Amerika als unilaterale imperialistische Macht wieder aufbauen.

Rassistische Kräfte in Staat und Gesellschaft werden sich von Trumps Wahlsieg ermutigt fühlen. Die Gefahr für MigrantInnen wächst. Gleichzeitig kann es – und darauf weisen die ersten spontanen Proteste gegen Trump nach der Bekanntwerdung des Wahlerfolgs hin – zu einer Gegenreaktion und Mobilisierungen gegen Rassismus, Sexismus und für gleiche soziale Rechte kommen. Diese könnten auf den bisherigen Bewegungen für einen $15-Mindestlohn, Black Lives Matter, gegen die Dakota-Pipeline und die neu erwachte Umweltbewegung aufbauen.

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