Interview mit LINKE-Vorstand Ali Al-Dailami
Ali Al-Dailami ist Mitglied im geschäftsführenden Parteivorstand der LINKEN. Er wohnt im hessischen Gießen. Wir sprachen vorab mit ihm über seine Vorstellungen des Bundestagswahlkampfs der LINKEN.
Es wird immer deutlicher, dass das Thema Innere Sicherheit zu einem Top-Thema im Bundestagswahlkampf wird. Wie soll DIE LINKE aus deiner Sicht damit umgehen?
Wir sollten uns erst einmal von der Vorstellung verabschieden, dass DIE LINKE mit dem Thema Innere Sicherheit nicht erfolgreich sein könnte. Das ist nicht nur inhaltlich falsch, sondern befördert uns ohne Not in eine defensive Position.
Im Gegenteil, wir müssen hier die sicherheitspolitische Frage mit der sozialen Frage und der internationalen Politik verknüpfen. Wir müssen deutlich machen, warum die Sicherheitslage als derart schlecht empfunden wird und warum der internationale Terrorismus nun auch Deutschland im Visier hat. Ein linker Standpunkt muss sein, dass man nicht bereit ist, erkämpfte Freiheiten für eine angebliche Sicherheit aufzugeben. Denn genau darauf läuft es hinaus. Wir müssen klar machen, dass der Krieg gegen den Terror dem internationalen Terrorismus die ideale Plattform geboten hat und immer noch bietet. Dieser Krieg ist gescheitert und zur Zeit das beste Rekrutierungsprogramm für den IS und andere Terrorbanden.
Wie bewertest du den Programmentwurf der beiden LINKE-Vorsitzenden? Welche Punkte würdest du noch stärker gewichten oder ändern?
Mir ist es wichtig, dass der Entwurf nicht nur sprachlich sondern auch inhaltlich eine gewisse Konsistenz aufweist. Sprachlich plädiere ich in einigen Kapiteln für einen anderen Stil. Wir müssen auch die Alltagssprache der Menschen sprechen und nicht in unseren täglichen Politsprech verfallen.
Inhaltlich muss man meines Erachtens nachjustieren, um Missverständnissen vorzubeugen. So ist zum Beispiel die Rede davon, dass wir Leiharbeit zurecht verbieten wollen. Kurz darauf wird die Sofortforderung aufgestellt, Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter wie Festangestellte plus einer Flexibilitätszulage von zehn Prozent zu bezahlen.
Eine weitere zu klärende Frage ist die Forderung nach einem Mindestlohn von zwölf Euro. Im Entwurf wird behauptet, zwölf Euro schütze vor Altersarmut. Das stimmt natürlich nicht. Denn zwölf Euro schützen weder vor Altersarmut noch kann man davon anständig leben.
Ich würde es auch begrüßen, wenn wir beim Thema Flucht etwas umfassender argumentieren würden. Ursachen von Flucht sind nicht nur Kriege und hier reicht zum Beispiel die Forderung nach einem Stopp von Waffenexporten nicht aus. Vielmehr müssen wir auch auf die ausbeuterischen Handelsbedingungen gegenüber den Ländern der sogenannten Dritten Welt aufmerksam machen. Auch die Art und Weise, wie wir hierzulande leben und konsumieren, spielt eine Rolle. Es muss deutlich zum Ausdruck gebracht werden, welche verheerende und tödliche Rolle der IWF und die Weltbank spielen. Der globalisierte Kapitalismus dient nicht den Interessen der Mehrheit. Im Gegenteil: Er ist die Ursache für Krieg, Hunger und Flucht.
Die SPD hat mit Martin Schulz einen neuen Kanzlerkandidaten. Ändert das etwas für die Debatten über r2g?
Zumindest die öffentlich geführte Debatte hat sich verändert. Es ist Martin Schulz gelungen, das berechtigte Gefühl vieler Menschen, wonach die etablierte Politik lediglich das Geschäft der oberen Zehntausend ist, zu seinen Gunsten zu kanalisieren. Er hat es verstanden, sich aufgrund seiner Biografie als nicht dem Establishment zugehörig darzustellen. Dass er die Agenda 2010, ein Instrument des Klassenkampfes von oben, als vorbildlich für Europa pries, CETA mit durchgeboxt hat und an der Niederringung der griechischen Regierung beteiligt war, spielt derzeit in der öffentlichen Wahrnehmung keine Rolle. Offensichtlich wird auch, wie hemmend Sigmar Gabriel auf das eigene Wählerpotential wirkte.
Wie soll sich DIE LINKE aus deiner Sicht positionieren: Opposition oder Regieren unter Bedingungen?
Es gibt in diesem Lande zur Zeit leider kein linkes politisches Lager unter den im Bundestag vertretenen Parteien. Somit halte ich auch nichts von einem Lagerwahlkampf. Im Gegenteil, den Menschen gegenüber wäre es nicht ehrlich, ein solches Lager medial zu initiieren. Wir wären gut beraten, einen eigenständigen Wahlkampf zu führen, der sich auf die Zuspitzung der sozialen Frage konzentriert und bewegungsorientiert geführt wird. Ich sehe nicht, dass SPD und Grüne sich inhaltlich und glaubwürdig neu aufstellen, um einen Politikwechsel zu befördern. Dennoch ist es Aufgabe der LINKEN, diese Parteien beim Wort zu nehmen und offensiv die Umsetzung ihrer sozialen Rhetorik einfordern. Eine Mehrheit im Bundestag gäbe es derzeit dafür.