Vier Gründe, warum die Burkadebatte am Thema vorbei geht
„Wir sind nicht Burka“, sagte de Mazière kürzlich in der Lei(d)tkulturdebatte. Wenn das so ist, warum ist die Burka dann immer wieder Thema? Nicht nur in Talkshows, sondern auch im Tarifvertrag der Landesbeschäftigten in Hessen, hat das Burkaverbot seit März Einzug gehalten.
von Anne Engelhardt, Kassel
1. Rechtspopulistische Politik im Tarifvertrag
Das Burkaverbot wurde im März diesen Jahres mit GEW und ver.di in der Tarifverhandlung in Hessen umgesetzt. Wohlgemerkt: Es ist nicht in der Verfassung verankert oder sonst einem gesetzlichen Rahmen. Wie es überhaupt in einen Tarifvertrag gelangen kann, ist ein völliger Skandal. Wenn wir fordern, dass der DGB gegen Rentenkürzungen, Hartz IV und Abschiebungen politische Streiks organisieren sollte, wird uns entgegen gehalten, politische Streiks seien in Deutschland verboten (was nicht stimmt …). Weshalb ist es dann erlaubt, rechtspopulistische politische Forderungen in einen Tarifvertrag zu gießen? Die GEW will nun dagegen klagen. Dass sie und ver.di sich erst überhaupt darauf eingelassen haben, ist leider auch ein Skandal. Stattdessen sollten sich Gewerkschaften eigentlich für bessere Tarifergebnisse, Interessnvertretung von Lohnabhängigen und gegen Rassismus aller Art einsetzen.
2. Die Burkadebatte ist rassistisch
Eine Burka bezeichnet eine Vollverschleierung, mit einem dünneren Stoff über dem Gesicht, das eingeschränktes Sehen ermöglicht. Es gibt keine Kollegin im öffentlichen Dienst in Deutschland, die eine Burka trägt. Das Verbot im Tarifvertrag in Hessen ist Teil einer Scheindebatte. Ebenso könnte man verbieten, mit einer Gasmaske oder einem Aluhut ins Büro oder in die Schule zu gehen. Doch der Begriff ‚Burka‘ ist politisch aufgeladen. Sofort erscheint damit das Bild von unterdrückten Frauen und Terroranschlägen. Das Thema lässt sich hervorragend im Wahlkampf von CDU und Grünen, die im Land Hessen in der Regierung sind, verwenden. Damit wird der AfD jedoch nicht das Wasser abgegraben. Stattdessen wird die gesellschaftliche Akzeptanz von Rassismus und Islamophobie verstärkt.
3. Die Burkadebatte ist sexistisch
Die Burkafrage betrifft muslimische Frauen und zwar ausschließlich. Selbstverständlich ist die Vollverschleierung als Zwang vollkommen abzulehnen. Gleichzeitig wird Frauen mit einem Verbot – sollte es gesetzlich verankert werden – in der BRD nicht geholfen. Denn jene, die tatsächlich gezwungen werden sich komplett zu verschleiern, werden dann das Haus nicht mehr verlassen dürfen. Insgesamt wird jedoch so getan als seien muslimische Kulturkreise rückständig und Deutschland sei so viel weiter. Erst vor zwanzig Jahren ist in Deutschland entschieden worden, dass Vergewaltigung in der Ehe strafbar ist. Erst letztes Jahr wurde entschieden, dass Vergewaltigung auch dann verurteilt wird, wenn die betroffene Person sich nicht wehren konnte. Davon möchten de Maizière und Seehofer – der 1997 gegen das Vergewaltigungsverbot in der Ehe gestimmt hat – gern ablenken.
4. Die Burkadebatte in Kriegszeiten
Die Debatte über die Burka verzerrt die politische Problemlage. Im Nahen und Mittleren Osten werden derzeit Kriege geführt unter Beteiligung deutscher Logistik, Nachrichtendienste und Waffen. Betroffene ZivilistInnen, die bei den Konflikten verletzt und getötet werden, sind vor allem Muslimas und Muslime. Gleichzeitig sollen Menschen, die unter Einsatz ihres Lebens hierher geflohen sind, wieder in Kriegsgebiete wie Afghanistan abgeschoben werden. Dort sind Frauen teilweise tatsächlich gezwungen die Burka zu tragen, wogegen viele von ihnen regelmäßig gemeinsam mit Partnern und Freunden protestieren. Statt einem Burkaverbot hierzulande, wäre ein sofortiger Abschiebestopp und ein Verbot von Waffenexporten notwendig. Das würde sowohl viele Muslimas unterstützen, als auch die Sicherheitslage weltweit verbessern.