Dokumentiert: Stellungnahme des Netzwerks für eine kämpferische und demokratische ver.di
Das Bundestagswahlergebnis war eine klare Absage an die Parteien der bisherigen Regierung und drückt eine angewachsene Unzufriedenheit unter der Oberfläche aus. Das Ergebnis für die AfD hat viele Menschen schockiert. Besonders der Zuwachs an Gewerkschaftsmitgliedern, die AfD gewählt haben, muss Anlass sein, darüber zu diskutieren, wie man den Einfluss der Rechtspopulisten zurückdrängen kann.
Klar ist, dass die AfD alles andere als eine Partei ist, die die Situation von ArbeitnehmerInnen oder sozial Schwachen verbessert. Im Gegenteil. Ihr Programm ist neoliberal und von Unternehmerinteressen geleitet.
Durch das das Zutun der Medien ist es gelungen, Zukunftsängste und die Unzufriedenheit mit sozialen Missständen mit dem Thema Migration zu verbinden. Die Entwicklung birgt die Gefahr, dass sich islamophobe und rassistische Haltungen verfestigen.
Alternative von links und Gegenwehr
Was fehlt, ist eine für breitere Schichten erkennbare Alternative von links, die sich klar von der Politik der etablierten Parteien abhebt. Die meiste Unterstützung für gewerkschaftliche Auseinandersetzungen wie zum Beispiel die Kampagne für mehr Personal in Krankenhäusern hat die LINKE geleistet. Dennoch hat sie bisher ihr Potenzial nicht ausgeschöpft, weil sie nicht klar genug als Alternative zum Establishment und starke linke Oppositionskraft sichtbar ist. Die LINKE könnte zur wirklichen Alternative aufgebaut werden, wenn sie aufhört, sich an Regierungen zu beteiligen, wo sie selbst Kürzungen mit beschließt, und sich stattdessen auf die Organisierung von Gegenwehr konzentriert, um sich mit aller Konsequenz in der Opposition an der Seite der Beschäftigten und Erwerbslosen zu positionieren.
In den letzten Jahren gab es wenige Beispiele für erfolgreiche Gegenwehr gegen zunehmenden Arbeitsdruck, Prekarisierung, Lohndrückerei, steigende Mieten, schlechte Ausstattung an Schulen, Kitas, Unis, Krankenhäusern. Hier liegt ein großes Stück an Verantwortung bei den Gewerkschaften. Diese sind nicht mehr als starke Organisationen kollektiver Gegenwehr erfahrbar. Gerade die immer noch enge Bindung an die SPD, die neoliberale Politik als Teil der Regierung mitgestaltet hat, war ein Hemmschuh für Mobilisierungen.
AfD das Wasser abgraben
Wenn es jetzt darum geht, der AfD und dem Rassismus in den Betrieben das Wasser abzugraben, dann ist es sicher richtig, Argumente gegen die AfD und gegen Rassismus vorzubringen. Nach dem Einzug der AfD in den Bundestag werden weiterhin Proteste auf der Straße gegen diese Partei und ihr rassistisches Programm stattfinden. Hier sollten sich ver.di und ihre örtlichen Gliederungen nach Kräften einbringen.
Das reicht aber nicht aus. Moralische Appelle, sich gemeinsam für das „demokratische Miteinander“ stark zu machen, helfen nicht. Was nötig ist, sind Antworten auf die sozialen Fragen, die klare Benennung der wahren Verantwortlichen in Regierungen und Konzernetagen, und gleichzeitig eine klare Absage an Rassismus. Mit der Organisierung von gemeinsamer Gegenwehr können Gewerkschaften eine wichtige Rolle zu spielen, um an die Stelle von Spaltung in den Belegschaften die Solidarität zu stärken.
Gegenwehr aufbauen
Noch ist die Regierung nicht gebildet – noch ist nicht klar, was genau kommt. Doch es mutet wie das Pfeifen im Walde an, wenn der ver.di Bundesvorsitzende Frank Bsirske meint, die neue Regierung müsse sich daran messen lassen, „ob sie die sozialen Fragen anpackt und zukunftsfest gestaltet oder ob ein neoliberaler Kurs der sozialen Kälte einsetzt“. Denn von einer neuen Regierung – egal, ob Jamaika oder am Ende doch eine Fortsetzung der GroKo – werden weitere Angriffe kommen. Der weitere Ausverkauf öffentlicher Dienstleistungen wie die Zerschlagung der Bahn ist in der Diskussion. Auch mit dem von der Groko verabschiedeten Gesetzt zur Autobahnprivatisierung wurden die Tore für noch mehr Private Public Partnership (PPP) geöffnet – sei es im Straßenbau oder an Schulen. Es wird über die weitere Öffnung des Ladenschlusses debattiert, über die Rente mit 70, über die Aushebelung des Arbeitszeitgesetzes und die weitere Einschränkung des Streikrechts.
Die Anstrengungen müssen darauf verwendet werden, die Organisation kampffähig zu machen. Alle Erfahrungen haben gezeigt, dass neue Mitglieder dann geworben werden, wenn es ein Angebot zum Kämpfen gibt. Auch neue Aktive entstehen dort, wo Streiks geführt werden und die KollegInnen tatsächlich einbezogen werden. So war es beim Streik im Sozial- und Erziehungsdienst 2015, als KollegInnen durch täglicher Streikversammlungen und eine bundesweite Streikdelegiertenkonferenz einbezogen wurden. So ist es an der Charité und inzwischen auch anderen Krankenhäusern, wo regelmäßige Treffen von TarifberaterInnen stattfinden, um Forderungen, Stand von Verhandlungen und Arbeitskampfmaßnahmen gemeinsam zu diskutieren und zu beschließen.
Erneuerung von unten statt Umbau von oben
Dies sind die Beispiele, anhand derer eine Erneuerung der Gewerkschaft stattfinden kann. Kämpfe wie in den 80iger Jahren um die 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich, oder für die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall 1956
und 1996 (Gewerkschaften nach den Bundestagswahlenwo der Kampf durch spontane Arbeitsniederlegungen begann), haben erfahrbar gemacht, welche Macht die Gewerkschaften haben können, wenn sie das Mittel des Streiks massenhaft einsetzen. Es muss darum gehen, diese Stärke wieder aufzubauen.
Momentan gibt es stattdessen den bürokratischen Vorstoß vom ver.di-Bundesvorstand, von oben eine Strukturreform durchzuboxen, ohne jegliche Diskussion in den Strukturen der Organisation. Ein solches Vorgehen ist klar abzulehnen.
Das „Netzwerk für eine kämpferische und demokratische ver.di“ schlägt vor, dass sich jetzt alle kritischen Kräfte in ver.di koordinieren und Diskussionen darüber führen, wie ver.di wirklich gestärkt werden kann. Es ist nötig, einen Weg zu finden, wie man möglichst an einem Strang ziehen kann, um die gemeisname Kampfkraft zu stärken, um die bestehenden Missstände wie massiv gestiegene Arbeitshetze und Lohndrückerei zu bekämpfen.
Der bisher am weitesten entwickelte Ansatz, um gegen Personalmangel und Arbeitsdruck zu kämpfen, sind die positiven Ansätze beim Kampf für mehr Personal an der Charité und nun in einigen weiteren Krankenhäusern. Daher ist es wichtig, gemeinsam eine Strategie zu entwickeln, wie daraus wirklich eine starke bundesweite beispielhafte Tarifbewegung entstehen kann, die Beispiel für andere ist. Hier ist auch wichtig, die dort entwickelten Ansätze zur Demokratisierung von Tarifkämpfen weiter zu entwickeln und sie innerhalb der ver.di Strukturen auch durchzusetzen.
Kritische und kämpferische KollegInnen in ver.di sollten sich geplant koordinieren, um eine gemeinsame Strategie zu entwickeln, wie man hier voranzukommen, aber auch um in der bevorstehenden Tarifrunde im öffentlichen Dienst und in der internen Strukturdebatte Einfluss zu nehmen.
Das „Netzwerk für eine kämpferische und demokratische ver.di“ setzt sich dafür ein, dass ein Prozess für solche Diskussionen in Gang gesetzt wird.