dokumentiert: Flugblatt des Netzwerks für eine kämpferische und demokratische ver.di
Die Bundestarifkommission von ver.di hat ihre Forderungen einstimmig beschlossen. Die Forderungen nach 6 Prozent mehr, aber mindestens 200 Euro bzw. 100 Euro mehr für Auszubildende für eine Laufzeit von 12 Monaten, sowie der überfälligen Angleichung der Jahressonderzahlung im Osten an das Westniveau sind mehr als berechtigt.
Soziale Komponente
Besonders positiv ist, dass wieder eine soziale Komponente eines Mindestbetrages von 200 Euro (bzw. 100 Euro für Azubis) aufgenommen wurde. Auf diese hatte die Tarifkommission bei der letzten Tarifrunde 2016 verzichtet. Doch viele KollegInnen argumentieren richtigerweise dafür, dass gerade auch die unteren Lohngruppen stärker angehoben werden müssen.
Deutliche Entgelterhöhung – dringend nötig
Es ist gut, dass eine kräftige Tabellenerhöhung gefordert wird. Außerdem gibt es für Beschäftigte im Schichtdienst die dringend notwendige Forderung nach Zusatzurlaub. Allerdings hat ver.di bisher versäumt, das Thema Arbeitsbelastung, Personalausstattung und Arbeitszeiten für ALLE Beschäftigten im öffentlichen Dienst ausreichend auf die Tagesordnung zu setzen. Deshalb sollte unbedingt schon jetzt diskutiert werden, dass in der nächsten Tarifrunde das Thema Entlastung durch die Forderung nach Arbeitszeitverkürzung für alle in großen Schritten bei vollem Lohn- und Personalausgleich aufgenommen werden muss. Eine wichtige Voraussetzung ist, jetzt eine deutliche Anhebung der Löhne und Gehälter durch die volle Durchsetzung der Forderungen zu erreichen. Denn das ist ein Baustein dafür, dass einem Personalmangel, wie er in vielen Bereichen des öffentlichen Dienstes beklagt wird, entgegengewirkt werden kann. Umso besser ist die Grundlage, um Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich und die Forderung nach Schaffung von mehr Stellen auf die Tagesordnung zu setzen.
Geld ist genug da
Natürlich argumentieren die Arbeitgeber, es sei zu teuer und nicht finanzierbar. Richtigerweise weist ver.di auf die Überschüsse bei Bund und Kommunen hin. Thomas Böhle (SPD), Verhandlungsführer der Kommunen, verweist auf die Verschuldung von Städten. Doch nicht die Beschäftigten tragen die Verantwortung für dieses Problem. So mancher Einkommensmillionär oder Großkonzern hat weniger Steuern gezahlt als ein Krankenpfleger oder eine Ingenieurin im Bauamt. Geld ist genug da – nur in den falschen Händen. Über eine höhere Besteuerung der Reichen und Konzerngewinne könnte dieses Geld für den öffentlichen Dienst nutzbar gemacht werden. Allein die Wiedereinführung und Anhebung der Vermögenssteuer auf fünf Prozent ab einer Million Euro (Forderung der LINKEN) würde 85 Milliarden Euro jährlich mehr in die Kasse spülen.
Offensive Streikstrategie
Ohne kräftige Arbeitskampfmaßnahmen werden die Forderungen nicht erfüllt. In den letzten Tarifrunden haben die Beschäftigten von Bund und Kommunen gezeigt, dass sie streikbereit sind und dass massenhafte Mobilisierungen möglich sind. In der Metall- und Elektroindustrie wurden in diesem Jahr zum ersten Mal seit langer Zeit 24-stündige Warnstreiks mit einer Beteiligung von fast einer Million Beschäftigten organisiert. Im öffentlichen Dienst ist wichtig, auf den großen Warnstreiks der letzten Jahre aufzubauen und weiter zu gehen. Halbe Streiktage, wie sie teilweise vorgeschlagen wurden, haben eine demobilisierende Wirkung und reichen nicht für die Durchsetzung der Forderungen. Von Anfang an sollte eine breite und schlagkräftige Wanrstreikmobilisierung an ganzen Tagen geplant werden. Schon vor der Verabschiedung eines neuen Haushalts durch die neue Bundesregierung sollte massiver Druck aufgebaut werden. Wenn die Arbeitgeber sich durch Warnstreiks nicht beeindrucken lassen, dann müssen Urabstimmung und Streik folgen.
Streikdemokratie
Damit die Streikenden selbst das Heft in der Hand haben, ist es auch nötig, die Strukturen während des Streiks zu demokratisieren. Ein wichtiger und guter Anfang sind Streikversammlungen vor Ort, sowie Streikdelegiertenkonferenzen, wie es sie beim vierwöchigen Arbeitskampf der Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst gab. Delegierte aus den Bezirken könnten zu landesweiten Konferenzen gewählt werden, und von dort aus auf eine bundesweite Streikdelegiertenkonferenz entsendet werden. Hier sollten KollegInnen über Annahme oder Ablehnung eines Angebotes, sowie weitere Strategien im Arbeitskampf diskutieren und ihr Votum abgeben. Die Bundestarifkommission und Verhandlungsführung sollten sich verpflichten, entsprechend dieser Voten zu handeln und die Delegiertenkonferenz nicht zu übergehen.
Solidarität
Es gibt viel Verständnis in der Bevölkerung. BILD und andere Medien versuchen, dieses Verständnis zu untergraben und gegen Streikende zu hetzen. Deshalb ist ein wichtiges Element, Solidarität zu organisieren. Gerade, wenn man klar macht, dass es auch darum geht, das Ziel von mehr Personal in allen möglichen Bereichen wie Kitas, Krankenhäusern, Bezirksämtern etc. zu erreichen, wird das auf breite Sympathie in der Öffentlichkeit treffen. Beispiele wie die Bündnisse für mehr Personal in den Krankenhäusern und Solidaritätskomitees bei diversen Streiks zeigen, was möglich ist und wie wichtig diese in den konkreten Auseinandersetzungen sein können. In einigen Krankenhäusern laufen derzeit zusätzlich Verhandlungen und Aktionen zu Tarifverträgen zum Thema Entlastung und Personalmindestbesetzungen. Hier kann die Tarifrunde genutzt werden, um die gewerkschaftlichen Strukturen zu stärken und mehr KollegInnen zu erreichen.
Gemeinsam kämpfen
Es sollten auch Ansätze zur Koordinierung von verschiedenen Tarifkämpfen, wie sie es 2015/2016 gegeben hat, weiter entwickelt werden. Wenn zeitgleich KollegInnen bei der Telekom und anderen auf die Straße gehen, sollte zu gemeinsamen Protesten und Kundgebungen mobilisiert werden. So kann aus einzelnen Tarifrunden eine gesellschaftspolitische Bewegung für eine längst überfällige Umverteilung von oben nach unten gemacht werden.
Mit einer geeigneten Streiktaktik können die Forderungen durchgesetzt werden. Das wäre ein wichtiger Erfolg für ver.di. Die jetzige Tarifrunde sollte genutzt werden, um mit den KollegInnen auch über die Forderung nach Entlastung, Personalmindestbesetzung und Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich für die kommende Tarifrunde zu diskutieren.
Wer Interesse hat, gemeinsam kämpferische Strategien in ver.di zu verankern, kann sich gern bei uns melden. Mach mit! Für eine kämpferische und demokratische ver.di!
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