Flugblatt der SAV Berlin zur Kitakrise in Berlin
#BerlinBrennt heißt die Aktion der Feuerwehrleute, die auf mangelndes Personal aufmerksam machen. In ihrem Rapsong heißt es „Der Senat hat gepennt“. Das lässt sich genauso auf die Kinderbetreuung übertragen: Betreuungsplätze für Kinder fehlen ganz oder die Betreuungszeiten der Einrichtungen sind zu kurz und damit nicht kompatibel mit den Arbeitszeiten der Eltern. Fachpersonal fehlt und Aushilfspersonal wird schlecht angelernt, Räume fehlen oder befinden sich in einem schlechten Zustand!
Deshalb gehen wir heute am 26. Mai gemeinsam auf die Straße, um zu protestieren, denn bisherige Lösungsansätze des Senats führen in die falsche Richtung. Die GEW, der Landeselternausschuss Kindertagesstätten und verschiedene Bündnisse und Vertreter*innen rufen zur Teilnahme an der Demonstration auf. Wir fordern eine grundsätzliche Verbesserung und Aufwertung der Kinderbetreuung statt Schnellösungen und Flickschusterei.
Personalmangel
Seit dem 1. Januar haben Eltern von Kindern ab einem Jahr das Recht auf sieben Stunden Kita Betreuung, der Anspruch hat sich damit erhöht. Allerdings gibt es keine Plätze, um diesen Anspruch auch geltend zu machen. In Berlin fehlen rund 3.000 Kitaplätze – für 2.000 davon gäbe es zumindest genug Räume aber es fehlt Personal.
30.000 neue Kitaplätze sollen in den nächsten Jahren geschaffen werden, doch selbst wenn alle 2.500 Erzieher*innen die im nächsten Jahr voraussichtlich ihre Ausbildung beenden ausschließlich in Kitas angestellt würden, würde dies absolut nicht ausreichen, um den Bedarf zu decken.
Denn bis 2020 benötigt die Stadt 7.000 zusätzliche Erzieher*innen und damit wäre nur der aktuelle und unzureichende Betreuungsschlüssel abgedeckt, bei dem sich eine Betreuungsperson um 4,5 Krippenkinder unter drei Jahren oder 9 Kinder die älter als drei Jahre sind, kümmern soll.
Betreuungsschlüssel verbessern statt aufweichen!
Wie versucht der Senat dem Notstand nachzukommen? Im April kündigte Jugendsenatorin Sandra Scheeres an, befristete Überlegungen seien möglich. Der Betreuungsschlüssel soll also noch weiter runtergesetzt werden. In der Durchführung vernachlässigt wird er schon lange.
Doch es kann nicht ausreichend sein, wenn eine Betreuungsperson so viele Kinder zu versorgen hat. Der Kita-Träger Fröbel zeigte sich im April „wegen struktureller Nichteinhaltung des gesetzlich vorgesehenen Personalschlüssels“ selbst an, da die Zustände in den Kitas so nicht weiter tragbar waren. Hier den Betreuungsschlüssel noch weiter zu verschieben würde katastrophale Folgen haben.
Zudem würden sich die Arbeitsbedingungen für Erzieher*innen weiter verschlechtern, die bereits jetzt unter enormen Lärm und mit hohem Stress belastet sind. Auch das führt dazu, dass Viele den Beruf nicht mehr ergreifen.
Ein weiterer Vorschlag lautet Kita-Leitungen durch Verwaltungskräfte zu ersetzen. Dass die Leitung einer Kita jedoch nicht reine Verwaltungsarbeit ist und hierdurch ein essentieller Teil der Abdeckung von pädagogischen Standards und auch der Sicherstellung und Durchsetzung dieser wegfällt, wird vernachlässigt. Der Abbau von Fachpersonal kann nicht die Lösung sein und führt absolut in die falsche Richtung.
Qualität statt Tempo
Schnelllösungen gibt es auch beim KITA-Bau. Modulbauten und Leichtbauweise sind die Antworten auf fehlende Einrichtungen. Schick und modern sollen sie aussehen, das verdeckt aber nur die Qualitätseinbußen, die damit verbunden sind. Gleichzeitig müssen andere Kitas schließen, weil sie sich die Mietpreiserhöhung nicht leisten können. Nach Angaben des Dachverbandes der Kinder- und Schülerläden bangen vor allem kleine Kitas um ihre Existenz.
Wir fordern stattdessen eine Absicherung und Erhöhung aller Qualitätsstandards sowie eine Verbesserung des Betreuungsschlüssels statt der Absenkung! Kindererziehung braucht Geld und Wertschätzung! Denn nur so kann sich langfristig die Situation in der Kinderbetreuung verbessern!
Wir schließen uns der Forderung der GEW Berlin nach einem Betreuungsschlüssel von 1:2 für Kinder von 0 bis 1 Jahr, 1:3 für Kinder von 1 bis 3 Jahre und 1:8 für Kinder von 3 bis 5 Jahre an. Das sollte sich in Gruppengrößen von 9 bis maximal 16 Kinder ausdrücken. Damit das Personal wieder Zeit hat, sich der pädagogischen Arbeit zu widmen statt nur die Grundbedürfnisse abzudecken.
Statt auf Schnellbau zu setzen, fordern wir den MASSIVEN Ausbau von Investitionsprogrammen, die Nutzung und gegebenenfalls Enteignung von leerstehenden oder zweckentfremdeten Gebäuden, um mehr Raum zu schaffen. In Berlin wird derzeit an vielen hochwertigen Bauprojekten gearbeitet, doch Kitas sollen in Modulbauten abgeschoben werden. Hiergegen muss sich klar ausgesprochen und gekämpft werden! Außerdem müssen Mieterhöhungen gestoppt und in Instandhaltung investiert werden, damit nicht noch mehr Kitas schließen müssen.
Aufwertung jetzt!
Die Arbeit mit Kindern muss finanziell richtig anerkannt werden. Seit die Entlohnung von Grundschullehrer*innen verbessert wurde, ergreifen mehr Leute den Beruf – leider auch viele Erzieher*innen. Das muss sich ändern! Wir brauchen eine allgemeine Aufwertung aller sozialen Berufe und bessere Entlohnung. Außerdem müssen Quereinsteiger*innen und Aushilfspersonal ausreichend fachlich geschult sein. Eine Qualitätsminderung in der Ausbildung der Betreuenden lehnen wir strikt ab!
Die öffentlichen Arbeitgeber haben sich trotz mehrtägiger Streiks der Sozial- und Erziehungsdienste gegen eine Aufwertung gestellt. Die Gewerkschaften haben sich leider auf einen Tarifkompromiss eingelassen. Es wurde versucht Unmut von Eltern auf Beschäftigte zu schüren, die streikten. Deshalb müssen Eltern hier an der Seite von Erzieher*innen und Gewerkschaften stehen, um durch Streiks effizienter und konsequenter für eine Verbesserung von Gehalt und Arbeitsbedingungen zu kämpfen.
Deshalb unterstützt die SAV die Kämpfe der Eltern und Erzieher*innen. Um für mehr Personal und somit einen besseren Betreuungsschlüssel in den Kitas, für qualitativ hochwertige Räume und für bessere Bezahlung und Wertschätzung der Erzieher*innen, so wie eine adäquate Ausbildung von Quereinsteiger*innen, gemeinsam aktiv zu werden. Geld dafür ist genug da – besonders wenn endlich begonnen würde, Reichtum und Vermögen ordentlich zu besteuern. Doch statt dessen, will die Bundesregierung bisher mehr Geld in Rüstung geben.
Kapitalismus sorgt dafür, dass Menschen die unser Geld betreuen mehr wertgeschätzt werden, als Menschen die unsere Kinder betreuen! Wir denken, dass die sozialen Probleme dieser Welt nur in einer demokratischen und sozialistischen Gesellschaft – die nicht Profite, sondern die Bedürfnisse der Menschen in den Mittelpunkt stellt – gelöst werden können. Wenn Du ähnlich denkst oder dich einfach informieren möchtest, dann komm zu einem unserer Treffen!
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