International gegen Frauenunterdrückung!
Weltweit wird jede dritte Frau mindestens einmal im Leben Opfer sexueller und/oder häuslicher Gewalt. An vielen Stellen bleiben Unterdrückung und Gewalt im Verborgenen: Die meisten Täter sind Bekannte, Freund oder Ehemann des Opfers und zu Übergriffen kommt es oft in den eigenen vier Wänden.
Von Katharina Doll
Doch gerade in den letzten Jahren kam es auf dem ganzen Erdball zu massenhaften Protesten gegen Unterdrückung und Gewalt an Frauen: gegen die Vergewaltigungskultur in Indien, mit der „Ni una menos“ („Nicht eine weniger“) Kampagne in Lateinamerika, für gleiche Löhne in Island, bei massenhaften Frauenprotesten in der Türkei, gegen häusliche Gewalt in Russland, gegen Gewalt und Abtreibungsverbot in Irland und Polen, Belgien und Spanien und vor allem auch bei weltweiten Protesten nach der Wahl von Donald Trump zum Präsidenten der USA.
Proteste gegen sexuelle Gewalt
Die meisten aktuellen Proteste richteten sich besonders gegen sexuelle Gewalt an Frauen und dagegen, dass die meisten Täter nach wie vor unbeschadet davonkommen.
Irland
In Irland protestierten vor zwei Monaten Tausende für eine bessere Unterstützung von Frauen, die Vergewaltigungen angezeigt haben. Zu den Protesten kam es, nachdem die Rugbyspieler Paddy Jackson und Stuart Olding vom Vorwurf der Vergewaltigung freigesprochen wurden, obwohl sie sich in Nachrichten an andere Spieler über die Tat austauschten und sich auch sonst im Prozess in Widersprüchen verfingen.
Genossinnen und Genossen der Socialist Party (Schwesterorganisation der SAV in Irland) sind nun schon seit Jahren an der Organisation der antikapitalistischen, feministischen Struktur „ROSA“ beteiligt, haben die Kampagne für legale Abtreibung mit voran getrieben und nahmen auch an den letzten Protesten teil. Ruth Coppinger, Abgeordnete von „Solidarity“ und Mitglied der Socialist Party, forderte im irischen Parlament wie auch bei Pressekonferenzen schulischen und nicht durch kirchliche Träger organisierten Aufklärungsunterricht, in dem Verhütung, Abtreibung und sexuelle Übergriffe thematisiert werden.
Auf dem Protest nach dem Freispruch von Jackson und Olding sagte sie in einer Rede: „Wir brauchen Aufklärungsprogramme die erklären, was Zustimmung [zu sexuellem Kontakt] ist und was Vergewaltigung – Zustimmung kann nicht angenommen werden, sie muss eingeholt werden.“
Spanien
Auch in Spanien gab es dieses Jahr Massenmobilisierungen im Kampf gegen Frauenunterdrückung, wie am 8. März, als im ganzen Land von morgens bis abends Millionen Frauen protestierten und in einen Streik traten. „Libres y combativas“, eine Initiative von „Izquierda Revolucionaria“ (spanische Schwesterorganisation der SAV), organisierte am gleichen Tag einen 24-stündigen SchülerInnen- und Studierendenstreik, dem sich Tausende anschlossen. Die Beteiligung von Frauen war riesig – was einmal mehr zeigt, mit welcher Wut und Entschlossenheit sich die Frauen des Landes entschieden haben, ihre Unterdrückung und die frauenfeindlichen Übergriffe nicht länger zu erdulden.
Auch in Spanien richteten sich die Proteste besonders gegen eine frauenfeindliche Strafverfolgung und den massiven Mangel an Unterstützung für Opfer sexistischer Gewalt, Slogans wie „Yo te creo“ („Ich glaube dir“) sind sehr präsent in der Bewegung. Bereits am 26. April kam es erneut zu massenhaften Protesten, nachdem fünf Männer nach einer Gruppenvergewaltigung einer 18-Jährigen vom Vorwurf der Vergewaltigung freigesprochen und nur wegen geringeren Vergehen (Missbrauch) verurteilt wurden.
Belgien
Einige Kampagnen, wie in Irland oder auch in Belgien, fordern als Antwort auf sexistische Gewalt auch Aufklärungsprogramme an staatlichen Schulen, die nicht auf heterosexuelle Paare beschränkt sind, Gewalt an Frauen und Sexismus thematisieren und einvernehmliche Sexualität erklären.
Die feministische Kampagne ROSA in Belgien, organisiert von der dortigen Schwesterorganisation der SAV, hat in dem Zusammenhang Schülerkomitees in verschiedenen Schulen aufgebaut, die unter anderem einen besseren Sexualunterricht und kostenlose Hygieneprodukte für Schülerinnen und Lehrerinnen fordern. In einer Schule in Gent nahmen sechzig SchülerInnen an einem Sit-In-Protest teil. Als Folge davon wird nun im Kollegium diskutiert, die Forderungen der SchülerInnen zu befolgen und die Bedingungen an der Schule zu verbessern.
Gemeinsam kämpfen
Häufig wird es als rein individuelle Entscheidung dargestellt, ob Frauen sich sexistischen Rollenbildern anpassen, oder ob Männer bereit sind „ihre Rolle als Mann“ zu reflektieren. Aber man kann nicht von „freier Entscheidung“ sprechen in einem System, das uns alle jeden Tag mit Tonnen sexistischer Stereotypen und Bildern von Frauen als willenlosen Sexobjekten bombardiert. Das heißt nicht, dass einzelne Menschen nicht für das verantwortlich sind, was sie tun – aber die Wurzel des Problems liegt tiefer.
Ein Prozent der Menschen auf dem Planeten besitzt heute mehr als die ärmeren fünfzig Prozent der Bevölkerung zusammen. Diejenigen, die nicht arbeiten müssen um zu leben, sind dank ihres Reichtums in der Lage zu bestimmen, was in Werbung und Filmen gezeigt wird, was Konzerne produzieren und worin Banken investieren. Ihre Entscheidungen werden nicht von dem getrieben, was wir alle brauchen, sondern von dem, was Profit bringt. Ein großer Teil des Internettraffics ist heute Pornographie – dahinter steckt eine Milliardenindustrie. Kapitalistisch geführte Großbordelle wie „Pascha“ in Köln gehören zur Sexindustrie genauso wie die neu gestartete Prostitutionsapp „Oh la la“.
Auch in Deutschland ist Sexismus allgegenwärtig. Dafür gibt es viele Beispiele. Die Kosten für privatisierte Pflegeeinrichtungen sind hoch, und in ganz Deutschland fehlen hunderttausende Kitaplätze, was gerade für Frauen eine hohe Belastung ist, weil wir einen großen Teil der unbezahlten Pflegearbeit übernehmen müssen. Generell leben viele Frauen in ökonomischer Abhängigkeit. Ein Drittel der Krankenhäuser sind in kirchlicher Hand. Das bedeutet schlechtere Arbeitsbedingungen und Arbeitnehmervertretungen für die Kolleginnen und Kollegen. Dazu kommt, dass Angestellte der Krankenhäuser nach einem kirchlichen Weltbild handeln müssen und es bereits zu Fällen kam, wo Patientinnen selbst nach einer Vergewaltigung die Pille danach verweigert wird.
Frauen verdienen im Schnitt deutlich niedrigere Löhne und bekommen im Alter nur die Hälfte der Rente, die Männer erhalten. Und die Armut macht es schwerer, sich gegen Sexismus zu wehren, einem patriarchalen Zuhause den Rücken zu kehren oder psychosoziale, gesundheitliche und juristische Unterstützung zu finden.
Kürzungen, Niedriglöhne, schlechte Renten und ein schlechtes Gesundheitssystem schaden uns allen. Alle wollen frei von Armut und Unterdrückung und in Frieden leben, statt gegeneinander aufgehetzt zu werden. In einem System, das Sexismus und Rassismus fördert, fühlen Menschen sich einander fremd – obwohl die breite Masse der arbeitenden Bevölkerung eigentlich die gleichen Interessen hat. Darum ist es notwendig, sich zu organisieren, gegen die Unterdrückung von Frauen aufzustehen als Teil des Kampfes aller Lohnabhängigen für soziale Verbesserungen für alle, gegen Klassenunterdrückung und für eine sozialistische Welt!
Die SAV fordert:
- Volle Ausfinanzierung von Opferhilfe, Selbstverteidigungskursen und Täterprogrammen in allen Orten und Stadtteilen! Für die Ausfinanzierung von Frauenhäusern und Projekten der Mädchen- und Frauenarbeit!
- JA zu körperlicher Selbstbestimmung: Weg mit §§218 und 219!
- Für das sofortige Verbot sexistischer und menschenverachtender Werbung!
- Für staatliche Aufklärungsprogramme für gleichberechtigte und respektvolle Sexualität und gegen sexistische Rollenbilder, Gewalt und Prostitution in Schulen und Gesellschaft!
- Kostenlose Aussteigerprogramme aus Prostitution und Sexindustrie!
- Für öffentliche Wäschereien, Kantinen und Reinigungsdienste, um die Sklaverei der Hausarbeit für alle Frauen zu beenden! Kindererziehung, Pflege und Gesundheit kostenlos und in staatliche Hand!
- Gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit! Für einen Mindestlohn von mindestens 12 Euro ohne Ausnahmen!
- Weg mit Hartz IV! Für eine sanktionsfreie soziale Mindestsicherung und -rente von 750 Euro plus Warmmiete!
- Ob am Arbeitsplatz, in der Mode- oder Filmindustrie, den Medien oder bei der Sexualaufklärung: Wir wollen entscheiden, wie wir leben und was wir produzieren! Banken und Konzerne in öffentliches Eigentum bei demokratischer Kontrolle und Verwaltung durch die arbeitende Bevölkerung! Für eine sozialistische Welt!
Katharina Doll ist Mitglied im Sprecher*innenrat des Bundesarbeitskreises „Revolutionäre Linke“ in der Linksjugend [´solid] und Mitglied der SAV.