Streiks in Augsburg, Regensburg und München für 7 Prozent mehr auf 12 Monate und Entlastung
von Stefan Reifberger, München
Die Beschäftigten im bayerischen Nahverkehr haben genug vom steigenden Stress in der Arbeit und dem zynischen Hinhalten der ArbeitgeberInnen. Nachdem am zweiten Verhandlungstag der Tarifverhandlungen nur der finanzielle Tarifabschluss des öffentlichen Dienstes angeboten wurde, traten gestern KollegInnen in Augsburg und Regensburg in den Streik. Heute folgten ihnen die Münchner Beschäftigten im TV-Nahverkehr und in der MVG.
Bereits im September 2017 wurde in München gestreikt. Die Logik der MVG-Geschäftsführung ging damals in etwa so: Mehr Verkehrsaufkommen in München braucht mehr Belastung für die Beschäftigten. Entgelterhöhungen sollten nur gegen die Erhöhung der Wochenarbeitszeit auf 40 Stunden stattfinden. Der faule Deal, der die Streichung von ungefähr vierzig Stellen bedeuten hätte können, wurde letztendlich durch einen Warnstreik abgewendet.
Wie im restlichen öffentlichen Dienst sind die Löhne auch im ÖPNV rückgängig. Umso dreister wirkt das Gegenangebot von 7,5 Prozent auf 30 Monate. Stattdessen fordert ver.di 7 Prozent Entgelterhöhung auf 12 Monate aber mindestens 220 Euro. Es geht aber nicht nur um die Bezahlung, sondern um wirksame Maßnahmen gegen die steigende Belastung. München wird bis 2035 um weitere 300.000 EinwohnerInnen wachsen. Dementsprechend steigt das Verkehrsaufkommen. Zu Stoßzeiten müssen Fahrgäste ein oder zwei U-Bahnen abwarten, bevor sie in der U6 Platz finden. Dadurch steigt auch die Belastung für die Beschäftigten. Das „Einspringen aus dem Frei“ gehört zum Alltag. ver.di fordert in diesem Zusammenhang Bonuszahlungen. Darüber hinaus sollen Vor- und Abschlussarbeiten eingerechnet und Nachtarbeiten sowie geteilte Dienste besser entlohnt werden. Der Urlaubsanspruch soll ausgeweitet und die Freizeit bei Verzicht auf Entgelterhöhung mehr werden. Aber gerade in einer Stadt mit so hohen Lebenserhaltungskosten, wie München bleibt wenig Freiraum zum Einsparen beim Finanziellen. Deswegen wäre eigentlich eine generelle Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich plus der geforderten Erhöhung notwendig.
Beim heutigen Streik sind zum ersten Mal seit ihrer Eröffnung 1971 alle U-Bahnen in München bei einem Streik stillgestanden. 200 KollegInnen kamen um 6:30 Uhr zur Kundgebung vor dem MVG-Betriebsgelände. Von den 1800 U-Bahn-, Bus- und TrambahnfahrerInnen sind noch 800 im alten TV-N. Die Restlichen sind zwar in einem eigenen MVG-Haustarifvertrag und von den Verhandlungen nicht direkt betroffen, aber trotzdem weitgehend in einen Solidaritätsstreik getreten. Etwas weniger als die Hälfte aller BusfahrerInnen ist bei privaten Kooperationspartnern der MVG angestellt. Diese Spaltung der Belegschaft schwächt Arbeitskämpfe. Längerfristig muss es hier auch um die Vergesellschaftung dieser Teile des Münchner Nahverkehrs gehen.
Viele KollegInnen meinten auf der Kundgebung, sie sind unzufrieden mit dem letzten Abschluss. Die Ausweitung der Arbeitszeit auf 40 Stunden pro Woche konnte zwar verhindert werden, aber Bezahlung und Entlastung blieben hinter den Erwartungen. Umso wichtiger ist ein weitergehender Abschluss bei diesen Verhandlungen. Sollte es morgen Freitag bei der nächsten Verhandlungsrunde zu keinem zufriedenstellenden Ergebnis kommen, stehen ganztägige Streiks im Raum. Auch bei den Verhandlungen zum TvÖD gab es unter den Beschäftigten eine Stimmung für weitere Streiks. Trotzdem wurde das Ergebnis mit 3,19 Prozent Lohnerhöhung im Jahr 2018 gegenüber den geforderten 6 Prozent auf 12 Monate angenommen. Aber die Beschäftigten im Nahverkehr haben Kampfkraft. Ein besseres Ergebnis ist möglich. Davon hätte auch die allgemeine Bevölkerung etwas – ArbeiterInnen, Jugendliche und RentnerInnen, die auf einen gut funktionierenden ÖPNV mit guten Arbeitsbedingungen angewiesen sind.