Solidarität gegen Polizeigewalt

Zisis und Irini

Griechenland: Xekinima-Jugendmitglieder verhaftet und unter falschen Anschuldigungen der Polizei zur Einschüchterung angeklagt.

Nikos Anastasiadis & Eleni Mitsou von Xekinima – „Internationalistische Sozialistische Organisation“ – Sektion der CWI-Mehrheit in Griechenland

Im November 1973 besetzten griechische Studenten das Athener Polytechnikum aus Protest gegen die fortgesetzte Herrschaft der griechischen Militärjunta. Obwohl von der Armee mit vielen Toten aufgelöst, beschleunigte dieser Protest den Sturz des Militärregimes ein Jahr später.

Seitdem finden jedes Jahr Demonstrationen zum Gedenken an diese Aktion statt; es sind immer Massenproteste. In diesem Jahr waren sie größer als in den letzten Jahren, mit 25.000 Menschen in Athen, 7.000 in Thessaloniki und Tausenden in anderen griechischen Städten. Sie spiegeln die Wut der Arbeiterklasse und insbesondere der Jugend gegen die Welle der Unterdrückung und der Polizeibrutalität, die in den letzten Monaten stattgefunden hat. Obwohl diese Unterdrückung unweigerlich einige Menschen einschüchtern wird, hat sie einen großen Teil der Gesellschaft wütend gemacht und dazu geführt, dass noch mehr Menschen auf die Straße gingen.

Am Ende der friedlichen Demonstration in Athen gingen Irini Eminidou und Zisis Sourlas durch den Stadtteil Exarchia und betraten die Wohnung eines Freundes. Obwohl es in der Nachbarschaft friedlich war, wurden Irini und Zisis plötzlich von der Bereitschaftspolizei der berüchtigten MAT-Kräfte angegriffen und verhaftet.

Sie schlugen Zisis mehrmals, warfen Irini auf den Boden, begannen, ihren Kopf zu treten und drückten ihren Arm viele Male unter ihre Stiefel. Der Bereitschaftspolizist schrie: „Wenn du MAT siehst, wirst du knien“.

Irini und Zisis waren nicht die einzigen Menschen, die in dieser Nacht von der Bereitschaftspolizei angegriffen wurden. Mehr als ein Dutzend Menschen aus der Gegend wurden in dieser Nacht ungerechtfertigterweise angegriffen, geschlagen und verhaftet.

Bevor sie zum Polizeipräsidium gebracht wurden, brachte die Bereitschaftspolizei die Verhafteten in eine geschlossene Garage und fotografierte sie, um sie zu „identifizieren“, wenn der Fall vor Gericht kommt. Irini, Zisis und andere hörten einen Bereitschaftspolizisten sagen: „Wir irren uns, das sind sie nicht“ und der verantwortliche Offizier antwortete: „Der Plan hat sich geändert. Das sind sie“.

Im Polizeipräsidium nahm die Polizei allen Verhafteten die Telefone weg und verweigerte ihnen über Stunden den Kontakt zu ihren Anwält*innen und ihren Familien. Sie zogen den Frauen die Kleidung aus und durchsuchten sie auf demütigende Weise in einem Raum mit offener Tür, so dass Vorbeigehende sie sehen konnten. Stundenlang wurde ihnen auch Wasser und die Benutzung der Toilette verweigert.

Etwa 5 Stunden nach ihrer Verhaftung informierte die Polizei den Anwalt von Irini und Zisis, dass ihnen unter anderem der Besitz von Waffen, der Besitz von Sprengstoffen, Brandstiftung, Widerstand gegen die Verhaftung und schwere Verletzungen von Polizisten vorgeworfen würden. Der „Fall“, den die Polizei zu konstruieren versuchte, besteht darin, dass Zisis, Irini und andere in der Gegend verhaftete Personen eine Gruppe von Anarchist*innen seien, die die Polizei mit Molotow-Cocktails, Steinen usw. angegriffen haben sollen. Die Polizei hatte natürlich keine Beweise für diese falschen Anschuldigungen, aber in Griechenland kümmert sich die Polizei nicht um diese Art von „Details“.

Der Mangel an Beweisen und die breite Unterstützungskampagne nach der Verhaftung zwang die Staatsanwaltschaft dazu, die den Genoss*innen von der Polizei angehängten Vorwürfe fallenzulassen. Trotzdem beschuldigt die Staatsanwaltschaft die Genoss*innen weiterhin der Vergehen „Widerstand gegen Verhaftung“, „vorsätzlicher Angriff“, „Körperverletzung gegen Polizeibeamte“ und „Beamtenbeleidigung“. Diese Anklagen sind ebenfalls völlig falsch und erfunden. Sie müssen sofort fallen gelassen werden!

Deshalb rufen wir dazu auf, die internationale Solidaritätskampagne zu verstärken.  

Details darüber, was du tun kannst, findest du unten.

Xekinima hat die Taktik der „Stadtguerilla“ immer kritisiert

Mitglieder von Xekinima haben sich weder an einzelnen gewaltsamen Zusammenstößen mit der Polizei beteiligt, noch diese Methoden angewandt. Im Gegenteil, wir kritisieren diese heftig. In zahlreichen Artikeln und politischen Interventionen haben wir erklärt, dass solche Methoden der Massenbewegung fremd sind. Sie helfen dem Aufbau einer Bewegung nicht, sondern stoßen die Arbeiter*innenklasse im Gegenteil ab. Sie geben der Polizei zugleich einen Vorwand, um Demonstrationen und Aktivist*innen anzugreifen. Irini und Zisis haben diese Position in ihren Universitäten und bei Mobilisierungen und Bewegungen mehrfach öffentlich verteidigt.

Eine Welle der Einschüchterung durch die Polizei

In den letzten Wochen hat die Polizei auf Anweisung der Regierung eine Welle von Unterdrückung und Einschüchterung ausgelöst, die sich insbesondere gegen die Jugend richtet.

Die folgenden Vorfälle sind nur ein kleiner Teil der Repressionswelle, die im letzten Monat entfesselt wurde:

  • Die Bereitschaftspolizei stürmte die Universität für Wirtschaftsstudien im Zentrum Athens, setzte Hunderte von Student*innen fest und griff sie mit Tränengas an. Ein Minister begründete den Angriff damit, dass die Polizei „Waffen ähnlich denen, die im Krieg in Syrien eingesetzt werden“ versteckt in den Kellern der Universität gefunden habe! Später wurde festgestellt, dass die Polizei nur einige Flaschen Wodka, anarchistische Flaggen und Motorradhelme gefunden hatte. Trotzdem wurden die Student*innen willkürlich verhaftet. Die Wohnung eines der Beschuldigten wurde durchsucht, einige von ihnen mit falschen Anschuldigungen vor Gericht gestellt
  • Sondereinsatzkräfte der Polizei überfielen Kinos, um 16-jährige Jugendliche, die den Film „Joker“ sahen, aus den Sälen zu entfernen, weil die Vorführung für Jugendliche unter 18 Jahren verboten ist. Das letzte Mal, als die Polizei die Kinos durchsuchte, war während der Militärjunta in den 1970er Jahren
  • Die Polizei stürmte einen Nachtclub, zwang 300 Menschen auf die Knie und befahl ihnen, die Hände mehr als eine Stunde lang oben zu halten! Es soll sich um eine Operation zur Aufdeckung des Drogenhandels gehandelt haben, bei der allerdings nur wenige Gramm Drogen bei sechs Personen gefunden wurden. Während der Aktion protestierte eine junge Frau mit den Worten: „Wir haben Rechte, wir leben in einer Demokratie“. Die Polizei antwortete: „Sie irren sich“!
  • Ein Einwohner von Exarchia wurde von der Polizei angegriffen, seiner Kleidung beraubt, geschlagen und verhaftet. Während der Prügel schrie ihm die Polizei zu, dass es „in Griechenland eine Junta“ gebe und dass „wir in dieser Gegend das Kommando haben”.
  • Ein Student, der die Bereitschaftspolizei dabei filmte, wie sie eine Menschengruppe angriff, wurde selbst zum Opfer der Polizei: Die Polizisten schlugen ihn zusammen, zerstörten seine Kamera und brachen ihm vier Finger,, bevor sie ihn festnahmen.
  • Gleichzeitig gibt es Festnahmen und massive Geldstrafen von bis zu 50.000 Euro für Mitglieder linker Organisationen wegen wilder Pllakatierungen!

Diese Welle von Angriffen ist eine Reaktion auf die Jugendbewegungen in Hongkong, Chile, Katalonien, im Nahen Osten und in anderen Teilen der Welt, die die griechische Bourgeoisie vor Angst zittern lässt. Sie hofft, durch die Terrorisierung der Jugend die Entwicklung einer radikalen Jugendbewegung in naher Zukunft in Griechenland verhindern können. Sie weiß, dass die griechische Arbeiter*innenklasse und die Jugendbewegung sehr kämpferische Traditionen hat. Obgleich diese unter den Niederlagen der letzten Jahre leidet, könnte sie erneut aufleben und die herrschende Politik infrage stellen. Schließlich wurden alle Regierungen der „Neuen Demokratie“ in Griechenland durch solche Massenbewegungen herausgefordert und häufig auch besiegt.

Gängige Methoden

Die Methoden, die gegen Irini, Zisis und andere angewendet wurden, wurden vor schon früher durch das System in Griechenland genutzt:

  • Tasos Theofilou ist ein Dichter mit anarcho-kommunistischen Ansichten. Die Polizei fand einen Hut mit einem seiner Haare in der Nähe eines Tatorts. Mit diesem einzigen „Beweismittel“ wurde er der Unterstützung einer terroristische Vereinigung, des Mordes, des Waffenbesitzes usw. beschuldigt. Er wurde für fünf Jahre inhaftiert, bis das Hohe Gericht ihn in allen Anklagepunkten frei sprach.
  • Irianna, eine Studentin, war in einer Beziehung mit einem Mann, der angeklagt aber nicht verurteilt wurde, Mitglied einer terroristischen Organisation zu sein. Auf der Grundlage dieser Beziehung und wegen einer komplett unvollständigen und unzureichenden DNA-Probe wurde sie zu 13 Jahren Gefängnis verurteilt, bevor sie nach einem Jahr endlich entlassen wurde.

Diese Beispiele sind keine isolierten Fälle von polizeilicher Einschüchterung. Sie gehen einher mit extremer Gewalt gegen Demonstrationen, mit dem Einsatz von riesigen Mengen Tränengas sowie mit Gerichten, die so gut wie jeden Streik als „illegal“ deklarieren. Sie gehen einher mit der Kriminalisierung ganzer Dörfer und Regionen, die gegen riesige Bergwerkprojekte kämpfen. 450 Menschen werden wegen der Proteste gegen den Goldabbau in Khalkidiki vor Gericht gezerrt. Sie gehen einher mit den Verbindungen zwischen der Bereitschaftspolizei und anderen Sondereinheiten der Polizei mit den Nazis der „Goldenen Morgenröte“

Diese Methoden werden auf die Regierung zurückfallen

Die rechte Regierung von Kyriakos Mitsotakis glaubt, dass sie mit diesen Methoden die Jugend, die Arbeiter*innenklasse und die Armen einschüchtern und zum Rückzug zwingen kann. Sie irren sich. Die Wut wird dadurch nur noch größer. Diese Wut wird schließlich durch den Klassenkampf und in politischen Organisationen zum Ausdruck kommen. Sie wird die Suche nach revolutionären Ideen zur Veränderung der Welt, zur Abschaffung des barbarischen Kapitalismus durch eine sozialistische Gesellschaft auf der Grundlage von Arbeitermacht und -demokratie nur weiter anfeuern.

Wie man sich an der Solidaritätskampagne beteiligen kann

Um an der Solidaritätskampagne für die Freilassung von Irini Eminidou, Zisis Sourlas und anderen unrechtmäßig Angegriffenen, Verhafteten und mit falschen Anschuldigungen Angeklagten teilzunehmen, gibt es zwei Möglichkeiten:

1. Bittet Gewerkschaften, Menschenrechts- und linke Organisationen sowie Personen des öffentlichen Lebens, den untenstehenden Musterbrief zu unterzeichnen, unterzeichnet diesen selber und schickt ihn an folgende E-Mail-Adressen:

2. Spendet für die Kampagne, um uns dabei zu helfen, die Unkosten zu decken. Spenden können per PayPal gemacht werden unter: http://net.xekinima.org/donate-paypal/

oder an folgendes Konto überwiesen werden:

  • ALPHABANK
  • IBAN: GR3001402980298002330000164
  • SWIFT/BIC: CRBAGRAA
  • Der Kontoinhaber ist ΞΕΚΙΝΗΜΑ (XEKINIMA)
  • Bitte benutzt den Betreff „Solidarity“.

Musterbrief

Lassen Sie alle falschen Anschuldigungen fallen und beenden Sie die polizeilichen Manipulationen gegen Irini Eminidou, Zisis Sourlas und andere Menschen in Griechenland

Am Sonntagabend, dem 17. November 2019, wurden die Studierenden Irini Eminidou und Zisis Sourlas nach dem Ende einer 25.000 Mann starken, friedlichen Demonstration zum Jahrestag des Studierendenaufstands gegen die Militärjunta 1973 durch die Bereitschaftspolizei auf dem Weg zum Haus eines Freundes verhaftet.

Die Bereitschaftspolizei (MAT) hat sie zu Unrecht angegriffen. Sie schlugen Zisis mehrmals und warfen Irini auf den Boden, traten sie, drückten mit Stiefeln ihren Kopf und ihren Arm auf den Boden. Mehr als ein Dutzend anderer Personen, die zufällig den Exarchia-Platz passierten, wurden ebenfalls grundlos angegriffen und von der Bereitschaftspolizei verhaftet.

Bevor sie ins Polizeipräsidium gebracht wurden, schleppte man die Verhafteten in eine nahe gelegene Garage, wo sie fotografiert wurden, damit die Polizei sie vor Gericht „identifizieren“ könne. Im Polizeipräsidium wurde Irini und Zisis der Kontakt zu ihrem Anwalt für viele Stunden verweigert. Irini und anderen Frauen wurde ebenfalls Wasser und der Besuch der Toilette für viele Stunden verweigert. Sie wurden ausgezogen und in einem Raum mit weit offener Tür auf demütigende Weise durchsucht. Darüber hinaus wurde Irini nur auf Drängen ihres Anwalts ins Krankenhaus gebracht, um ihre durch den Polizeiangriff verursachten Verletzungen behandeln zu lassen. 

Die Polizei hat ein „Szenario“ erfunden, in dem Irini und Zisis zu einer Gruppe von Menschen gehören sollen, welche die Bereitschaftspolizei mit Brandbomben und Steinen angegriffen hätte. Die  anfängliche Polizeistrategie, ihnen schwere Straftaten anzuhängen, ist jedoch bereits gescheitert, da es keine Beweise für die Begründung der Anklage gab und weil eine Massenkampagne zur Unterstützung von Irini, Zisis und allen Jugendlichen, die zu Unrecht angegriffen und verhaftet wurden, stattgefunden hat. Sie werden jedoch weiterhin wegen „Widerstands gegen die Verhaftung“, „vorsätzlicher Übergriffe“, „Körperverletzung von Polizeibeamten“ und „Beamtenbeleidigung“ angeklagt. Diese Anschuldigungen sind ebenfalls völlig unwahr und erfunden und müssen sofort fallen gelassen werden!

Irini und Zisis sind Mitglieder der linken Organisation Xekinima – Internationalistische Sozialistische Organisation. Xekinima ist in der griechischen Linken sowie bei der Polizei und ihren Einsatzkräften sehr bekannt dafür, dass sie sich immer wieder gegen den Einsatz von „Stadtguerilla-Taktiken“ ausgesprochen haben, d.h. gegen das Vorgehen von kleinen Gruppen oder Einzelpersonen, die unter anderem Polizeistreifen mit Brandbomben angreifen und oft Kundgebungen und Demonstrationen als Deckung nutzen. Solche Methoden nützen der Massenbewegung nichts, sondern untergraben sie im Gegenteil. Es ist völlig klar, dass Irene und Zisis keine der Handlungen begangen haben und begehen konnten, welche ihnen die Polizei angehängt hat.

  • Wir protestieren und verurteilen entschieden die unwahren und fabrizierten Anschuldigungen der griechischen Polizei gegen Irini Eminidou, Zisis Sourlas und gegen alle willkürlich, ungerechtfertigt und zu Unrecht verhafteten Personen.
  • Wir fordern die vollständige und unverzügliche Rücknahme aller Anklagen gegen Irini Eminidou, Zisis Sourlas und alle willkürlich, ungerechtfertigt und zu Unrecht verhafteten Personen.