„The Man in the High Castle“, Staffel 4
Die unter anderem von Ridley Scott (“Alien”) für Amazon Prime produzierte Serie handelt von einer Parallelwelt, in der Nazi-Deutschland und Japan den 2. Weltkrieg gewonnen und die USA besetzt haben. Faszinierende “Was-wäre-wenn”-Erzählungen und Liebe zum Detail wechseln sich mit zähen Nebengeschichten ab.
Die im November gestartete finale Staffel ist dynamischer als die vorherigen drei. Die Frauenfiguren werden noch stärker, wie die lakonische Nazi-Jägerin Juliana Crain (Alexa Davalos) und die Anführerin der “Black Communist Rebellion”, Bell Mallory (Frances Turner). Während der Widerstand gegen die Besatzung bis dahin diffus und farblos gewirkt hatte, hat die BCR nun einen Plan. Wichtige Fragen werden gestellt: Soll sich der Widerstand positiv auf die US-Fahne, also ein System beziehen, das auch rassistisch war?
Wie und warum wird man, was man ist? Der amerikanische Obernazi (Rufus Sewell) ist in unserer Welt die Verkörperung des Jedermann, ein Handelsvertreter – ein „John Smith“ eben. Im Nazi-Amerika lässt ihn die Kombination von Not und Gelegenheit zum Täter werden, der seinen Aufstieg zum “Reichsführer” mit dem Verrat an einem jüdischen Kameraden beginnt.
Immer wieder lief die Serie Gefahr, die Nazi-Herrschaft zu verkitschen; am Ende wird nicht verharmlost. Der nächste Völkermord ist detailliert geplant, die Gaskammern sind bereits im Bau. Zum Glück ***Spoiler!*** wird Smith von seiner Frau Helen (Chelah Horsdal) verraten, angetrieben durch die Wut ihrer Tochter. Der Obernazi begeht demoralisiert Suizid – ganz der Führer.
„The Handmaids Tale“ (Der Report der Magd)
Kostenpflichtig bei Amazon, Maxdome und iTunes. In den USA herrscht nach einem Militärputsch eine theokratische Diktatur, die “Republik Gilead”. Durch eine Seuche können nur wenige Frauen Kinder bekommen. Diese werden von den Herrschenden als Gebärmaschinen (“Mägde”) gehalten, streng kontrolliert und vergewaltigt. In Gruppen unterteilt erfülle Frauen Funktionen für Männer: im Haushalt, beim Gebären, in der Betreuung der Gebärfähigen, beim Repräsentieren und – illegal – als Prostituierte.
Diese eher bizarre Dystopie auf Grundlage eines Romans von Margaret Atwood von 1985 hat trotzdem gewisse Bezüge zur Realität. Aktuell wird über “Baby-Fabriken” in Nigeria berichtet, wo entführte junge Frauen vergewaltigt werden, um Kinder für den “Export” an kinderlose Familien in Afrika oder den USA zu produzieren. Auch der deutsche Staat greift in die reproduktiven Rechte von Frauen ein, wenn er z.B. dieses Jahr Informationen von Ärzt*innen über Abtreibung als “Werbung” diffamiert und kriminalisiert.
Unterschrift: Während der Kampagne für das erfolgreiche Referendum zur Legalisierung von Abtreibungen in Irland 2018 haben Aktivist*innen mehrfach Motive der Serie aufgegriffen, wie bei dieser Protestaktion der sozialistisch-feministischen Gruppe ROSA vor dem Parlament.
Babylon Berlin, Staffel 3
Die zwölf neuen Folgen laufen ab dem 24. Januar 2020 bei Sky und im Herbst 2020 in der ARD; Staffel 1 und 2 stehen in der ARD-Mediathek bereit. Vorlage ist der zweite Gereon-Rath-Roman von Volker Kutscher “Der stumme Tod”, dessen Geschichte 1930 mit dem Mord an einer Schauspielerin im Filmstudio beginnt.
Die ersten beiden Staffeln überzeugten nicht auf ganzer Linie. Die knallige Produkte beeindruckte zunächst mit guter Ausstattung und schauspielerischen Leistungen sowie dichter Atmosphäre. Im Spiel mit dem morbiden Charme der zerfallenden Weimarer Republik waren die Typen kaputter, die Drogen stärker, die Bullen korrupter, die Bösewichter fieser.
Staffel 2 verlor sich jedoch in vielen Nebensträngen, deren negative Höhepunkte die unwahrscheinliche Wiederbelebung der Charlotte Ritter (Liv Lisa Fries) und Gereon Raths (Volker Bruch) “Mission Impossible”-Verfolgungsjagd auf dem Zug waren. Hinzu kam ein offenbar zweifelhaftes Frauenbild der Drehbuchautor*innen: Sie machten aus Charlotte Ritter – im Buch eine Jurastudentin mit Nebenjob bei der Polizei – eine subproletarische Gelegenheitsprostituierte, die trotz akuten Schlafmangels im Vorbeigehen Mordfälle aufklärt; auch die meisten anderen Frauenfiguren reproduzieren gängige Klischees. Demgegenüber sind die Bücher bis inklusive Band 7 hervorragend – es bleibt zu hoffen, dass sich die Verfilmungen stärker an den Vorlagen orientieren.