Interview mit Katarina Peović, Präsidentschaftskandidatin der Radnička fronta in Kroatien.
In Kroatien findet am 22. Dezember die Präsidentschaftswahl statt. Obwohl die politische Landschaft in Kroatien von rechten nationalistischen und prokapitalistischen Politiker*innen und Parteien dominiert wird, stellt die Radnička fronta (RF, Arbeiter*innenfront) Katarina Peović auf, um eine sozialistische Alternative anzubieten und den Arbeiter*innen und den Armen, die gegen den Kapitalismus kämpfen, eine Stimme zu geben. Sie konnten 15.000 Unterschriften sammeln, mehr als die 10.000, die notwendig waren, um an den Wahlen teilnehmen zu können. Wir sprachen mit ihr über ihre Präsidentschaftskampagne und den Klassenkampf in Kroatien.
Interview mit Christoph Glanninger, Sozialistische LinksPartei (CWI in Österreich)
Am 22. Dezember findet in Kroatien eine Präsidentschaftswahl statt, bei der du kandidierst. Warum tritt die Radnička fronta bei dieser Wahl an?
Unser Hauptziel ist es, sozialistische Ideen in die Öffentlichkeit zu bringen. Die menschlichsten Ideen – Gleichheit, der Aufbau der Gesellschaft zur Befriedigung der Bedürfnisse der Bevölkerung, Organisation des Arbeitsplatzes nach den Wünschen der Belegschaft – wurden von denjenigen, die von ihnen am meisten gefährdet sind, systematisch verteufelt. Kapitalistische Eliten betreiben zusammen mit Bürokrat*innen, die als ihre Sprachrohre fungieren, eine konstante Hetzkampagne gegen sozialistische Ideen.
In welcher politischen Situation findet diese Wahl statt und wie spiegelt sie sich in den öffentlichen Diskussionen und in den Positionen anderer Kandidat*innen wider?
Die politische Situation wird von nationalistischer und liberaler Ideologie dominiert. Die Presse wiederholt Dinge wie „wir brauchen schmerzhafte Kürzungen“ und beschimpft die Beschäftigten im öffentlichen Dienst so lange, dass die Verleumdungen von praktisch allen politischen Kräften akzeptiert werden. Der so genannte „Heimatkrieg“ – der Kroatienkrieg 1991-95 – wurde idealisiert und wird kontinuierlich ausgeschlachtet, so dass er uns im Jahr 2019 näher zu sein scheint als noch Anfang der 2000er. Der Antikommunismus wird auch von der Sozialdemokratischen Partei, einem Nachfolger des Bundes der Kommunisten Kroatiens (Staatspartei zur Zeit des Titoismus), akzeptiert, deren Präsidentschaftskandidat einen Großteil des positiven Erbes des „real existierenden Sozialismus“ in Kroatien ablehnt. Ihre Europaabgeordneten haben einstimmig für die antikommunistische Resolution des Europäischen Parlaments gestimmt.
Was sind das Programm und die zentralen Forderungen von Radnička fronta bei dieser Wahl, und wie organisiert ihr eure Kampagne?
Unsere Kampagne konzentriert sich vor allem auf die Fehlentwicklung, die die kroatische Wirtschaft seit 30 Jahren eingeschlagen hat – Deindustrialisierung und fast vollständige Ausrichtung auf Handel und Tourismus. Wir stehen auf der Seite der Arbeiter*innen der zusammengebrochenen Industrie, wir argumentieren, dass dieser Weg nicht nachhaltig ist. Wir fordern auch Gesundheitsversorgung und Bildung, die für alle angemessen und kostenlos ist. Wir glauben, dass jeder*m eine gute Unterkunft und Nahrung zusteht, ohne in die Schuldsklaverei zu fallen. Wir sind entschieden gegen die Mitgliedschaft Kroatiens in der NATO, gegen Teilnahme an ausländischen Militärinterventionen, gegen Sexismus, Homo- und Transphobie. Wir wollen die Trennung von Staat und Kirche erneuern und fordern eine unabhängige Außenpolitik.
Während der Kampagne gab es Streiks von Lehrer*innen und der Arbeiter*innen des Industrieunternehmens Đuro Đaković. Kannst du etwas über diese Auseinandersetzungen sagen und wie ihr euch dazu verhaltet?
Wir haben die Streikenden voll unterstützt. Wir haben die Beschäftigten von Đuro Đaković besucht und versuchen derzeit, sie mit den Metallarbeiter*innen der Uljanik-Werft in Pula, dem Ort eines der größten Klassenkämpfe in Kroatien der letzten Zeit, sowie den Metallarbeiter*innen von ITAS, die die Fabrik in die eigenen Hände genommen haben, in Kontakt zu bringen.
Wir waren auch am Lehrer*innenstreik involviert, indem unsere Mitglieder, die selbst Lehrer*innen sind, beteiligt haben und unsere gesamte Mitgliedschaft hat den Streik voll unterstützt. Am Ende wurden die Beschäftigten von einem Teil der opportunistischen Gewerkschaftsführung verraten, aber es war trotzdem eine sehr positive Auseinandersetzung mit beispiellosen Mobilisierungen und außerdem der längste Streik in Kroatien seit einiger Zeit.
Gibt es andere wichtige Kämpfe, die gerade jetzt stattfinden?
Es gibt regelmäßig Kämpfe gegen die nie endende Kürzungspolitik, die Schleifung des Arbeitsrechts und die Verschlechterung der Arbeitsbedingungen. Es stimmt uns sehr optimistisch, dass viele einst passive und demoralisierte Arbeiter*innen Kroatiens beginnen, rebellischer zu werden. Besorgniserregend ist, dass kroatische Gerichte vor kurzem damit begonnen haben, Streiks zu verbieten und so selbst grundlegende Stützen des bürgerlichen Rechts und der Verfassung Kroatiens verletzen. Erst vor einer Woche haben wir gesehen, wie der von der NCS (Unabhängige Straßenarbeiter*innengewerkschaft) initiierte Streik für einen besseren Kollektivvertrag verboten wurde. Im Sommer 2018 wurde ein Streik der Arbeiter*innen von Croatia Airlines vom Gericht verboten, weil er das Unternehmen schädigen könnte. Nun, das ist ja der springende Punkt an einem Streik.
Glaubst du, dass dieser euer Wahlkampf ein Werkzeug für den Wiederaufbau der Linken und des Klassenkampfes sein kann?
Ja, definitiv. Wie ich bereits gesagt habe, diese Kampagne gibt es, um die Idee des Sozialismus in Kroatien wiederzubeleben. Eines der Schlüsselthemen, auf das ich mehr Menschen aufmerksam machen möchte, ist der wesentliche Konflikt, der die Grundlage dieser Gesellschaft bildet – der Konflikt zwischen denen, die besitzen und denen, die gezwungen sind, ihre Arbeit zu verkaufen, um zu überleben. Nach der Kampagne wollen wir die Öffentlichkeit, die wir während der Wahlen gewonnen haben, nutzen, um die Arbeit in anderen Bereichen auszubauen, insbesondere unsere Unterstützung von und die Verbindung zu Arbeiterkämpfen, fortschrittlichen Gewerkschaften und anderen ähnlichen Organisationen.
Ihr nehmt auch an internationalen Protesten teil, zum Beispiel gegen Vučić in Serbien. Warum ist Internationalismus für die Radnička fronta wichtig?
In Kroatien wird der Nationalismus seit sehr langer Zeit genutzt, um jede Art von Unmut zu unterdrücken. Wenn du Privatisierung, den Diebstahl öffentlicher Mittel und so weiter nicht magst, nennen sie dich einen Serben oder einen Serben-Lover und einen Verräter und das war’s. Wir wollen sagen, dass arbeitende Männer und Frauen kein Vaterland haben und dass sie mehr mit den Mitgliedern ihrer Klasse in anderen Ländern teilen, als sie jemals mit den Kapitalist*innen und Bürokrat*innen des Landes teilen werden, das angeblich ihr eigenes ist. Der Sozialismus kann nur erfolgreich sein, wenn er auf einem organisierten internationalen und internationalistischen Klassenkampf basiert.
Wir danken dir für das Gespräch und wünschen euch alles Gute für euren Wahlkampf.
Wir sind der Meinung, dass ein starkes Votum für Radnička fronta die beste Wahl für Beschäftigte und Jugendliche und eine wichtige Verbesserung der Situation in Kroatien wäre.